Lebenslauf von Lili Boulanger

Bild von Lili Boulanger Lili Boulanger wurde am 21. August 1893 in Paris geboren. Schon ihre Großeltern väterlicherseits waren bekannte Musiker: Der Großvater - Frédéric Boulanger - war Cellist, Komponist und Gesangslehrer; die Großmutter - Marie-Julie Hallinger - war eine bekannte Sängerin. Lili Boulangers Vater, Henrie-Alexandre-Ernest (1815-1900), war auch Komponist. Er gewann 1835 den Prix de Rome. Die Mutter, Raissa Mychetsky, war eine aus St. Petersburg stammende Prinzessin. Sie war Sängerin und lernte während ihrer Ausbildung am Pariser Konservatorium Ernest Boulanger kennen, der dort ihr Gesangslehrer war.

1877 heirateten der 66jährige Ernest und die gerade mal 19 Jahre alte Raissa. Das Paar bekam zunächst eine Tochter, die schon nach wenigen Monaten verstarb. Im Jahr 1887 kam dann Juliette-Nadia Boulanger, die später eine bekannte Kompositionslehrerin wurde, zur Welt. Sechs Jahre später bekam das Paar nochmals eine Tochter - Marie-Juliette Olga - genannt Lili. Lili Boulanger wuchs in einer Familie auf, die das gesellschaftliche Leben sehr pflegte und wo Künstler und Intellektuelle zum Freundeskreis gehörten.

Als Zweijährige erkrankte das Kind an einer Lungenentzündung, von der es sich nie mehr so richtig erholte und die sein folgendes, kurzes Leben immens prägte. Als Folge dieser labilen Gesundheit erhielt Lili keinen kontinuierlichen Unterricht, weder was die allgemeine Schulbildung betraf - diese wurde von Privatlehrern übernommen -, noch was die musikalische Ausbildung anbelangte.

Im Jahr 1900 starb der geliebte Vater, dessen Tod in der Familie eine schmerzhafte Lücke hinterließ. Oft besuchte Lili mit ihrer Schwester Nadia deren Musikunterricht. Später begleitete sie ihre Schwester auch zum Instrumentalunterricht. Sie selbst erlernte die Instrumente Klavier, Harfe, Cello und Geige. Als Elfjährige komponierte sie das Lied "La lettre de mort" für Sopran solo und improvisierte mit Vorliebe auf dem Klavier oder auf der Orgel.

Mit ihrer Schwester zusammen lernte sie die Musiker Gabriel Fauré, Charles Koechlin, Florent Schmitt, Georges Enesco, Alfred Casella u.v.m. kennen, die sie sehr beeindruckten. Ab 1910 erhielt sie Privatunterricht in Komposition und Kontrapunkt bei Georges Caussade. Immer wieder zwang ihre Krankheit sie zu Kuraufenthalten in wärmere Gegenden. Trotzdem bemühte sie sich aber, doch am Konservatorium in Paris aufgenommen zu werden, um zusätzlich noch bei Paul Vidal Komposition zu studieren.

1912 trat sie in einer Soirée, die ihre Mutter organisierte, mit dem Vokalquartett "Renouveau" zum ersten Mal an die Öffentlichkeit. Im gleichen Jahr versuchte sie am Rom-Preis teilzunehmen, was aber aus Krankheitsgründen verworfen werden musste. Den zweiten Anlauf, am Rom-Preis teilzunehmen, unternahm sie im Jahr 1913, wobei sie mit der Kantate "Faust et Hélène" den ersten Preis gewann. Nachdem die Jury positiv darüber beraten hatte, ob auch Komponistinnen und nicht nur Komponisten in der Villa Medici zugelassen werden sollten, konnte Lili Boulanger als erste Frau Einzug in der Villa Medici halten. Gesundheitlich schon stark angegriffen, bedeutete der Aufenthalt in der Villa Medici für Lili viel Disziplin und Willenskraft. Zu Beginn des Aufenthaltes war sie so krank, dass sie erst zum Frühjahr 1914 ihr Zimmer verlassen konnte.

Zurück in Paris folgten eine intensive Schaffensphase und zusätzliche Aktivitäten (Arbeit im Comité Franco-Américain, Mitarbeit bei der "Gazette des Classes de Composition du Conservatoire" u.s.w.). Im Frühjahr 1916 kehrt Lili Boulanger noch einmal in die Villa Medici zurück. Durch ihre Krankheit immer mehr in Mitleidenschaft gezogen, arbeitete sie mit großer Anstrengung an einigen Kompositionen weiter. Im selben Jahr konnte sie mit dem Verlag Ricordi einen Vertrag abschließen. Sie überließ Ricordi die Rechte über "Reflets" und "Clairières dans le Ciel".

1917 erhoffte sie sich eine Besserung ihres Zustandes durch einen Aufenthalt in Arcachon. Die Zeit dort konnte sie aber nur noch als Todkranke verbringen. Umgeben von ihrer Schwester Nadia und ihrer Freundin Miki Piré lebte sie unter größten Schmerzen, um dann noch einmal im Dezember 1917 nach Paris zurückzukehren. Da Paris durch die Kriegswirren sehr in Mitleidenschaft gezogen war, entschied Lilis Mutter, Lili nach Mézy zu bringen. Nachdem sie die Sterbesakramente erhalten hatte, starb sie – nur 24jährig – am 15. März 1918 in Mézy.

Lili Boulanger wurde auf dem Friedhof Montmartre in Paris beerdigt, wo später auch ihre Schwester Nadia ihre letzte Ruhestätte fand.

Weitere Auszeichnungen, die Lili Boulanger erhielt, sind die der Stiftung "Yvonne de Gouy d'Arsy" und der "Prix Lepaulle".

Das kompositorische Schaffen von Lili Boulanger in der Klassika-Werkliste orientiert sich an folgender Quelle: Rosenstil, Léonie: Lili Boulanger. Leben und Werk, New York 1995. Verschollene Werke und Skizzen wurden nicht berücksichtigt.



Weitere Quellen:

Sonntag, Brunhilde / Matthei, Renate (Hrsg.): Annäherungen an sieben Komponistinnen, Bd. V (Gracyna Bacewicz, Lili Boulanger, Annette von Droste-Hülshoff, Lucija Garute, Moya Henderson, Tera de Marez Oyens, Clara Wieck-Schumann), Kassel 1988

Nies, Christel: Unerhörtes entdecken. Komponistinnen und ihr Werk, Bd. II, Kassel 1995

Weissweiler, Eva: Komponistinnen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 1999



Beitrag von Isolde Weiermüller-Backes
Letzte Änderung am 20. November 2005