Lebenslauf von Pauline Erdmannsdörfer-Fichtner

Bild von Pauline Erdmannsdörfer-Fichtner Pauline von Erdmannsdörfer-Fichtner – als Pauline Oprawill am 28. Juni 1847 in Wien geboren – wurde nach dem frühen Tod der Mutter von ihrer Tante und deren Mann, einem begüterten Fabrikanten, adoptiert und erhielt den Namen Pauline Fichtner.

Ihre schon im frühen Kindesalter hervortretende große musikalische Begabung veranlasste die musikbegeisterte Mutter ihr Klavierstunden geben zu lassen, wobei sie bereits mit neun Jahren erstmals öffentlich und mit großem Erfolg – u. a. mit Mozarts Fantasie c-Moll – in Wien konzertierte.

In den folgenden Jahren – unterbrochen durch eine diagnostisch nicht abklärbare Krankheit, die einer weiteren pianistischen ‚Wunderkindkarriere’ ein Ende setzte – erhielt sie bei den Musikpädagogen Matthias Weitz (Harmonielehre) u. Eduard Pirkhert (Klavier), bei der im Zenit ihres Ruhmes stehenden Konzertsängerin Maria Wilt (Gesang) und bei dem bekannten Dirigenten Otto Dessoff, der eine Professor für ‚Komposition’ am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien innehatte, eine fundierte Musikausbildung. Parallel dazu konzertierte Pauline Fichtner ab Ende der 1860er Jahre regelmäßig in Wien, wobei die Reaktion des Publikums und der Kritik meist enthusiastisch waren.

Zugleich entstanden ihre ersten Kompositionen – Lieder mit Klavierbegleitung – , die 1870 bei Gotthard/Wien im Druck erschienen; weitere Kompositionen von ihr – vermutlich auch aus den Jahren 1870-74 – erschienen ebenfalls bei dem angesehenen Wiener Musikverlag Doblinger (o. J). 1869/70 lernte Pauline Fichtner Franz Liszt in Wien kennen, der sie als Schülerin annahm und dem sie nach Weimar folgte. Unter seinem Einfluss gewann ihr Spiel jene große Virtuosität und starke Ausdruckskraft, die u. a. in den Rezensionen ihrer Klavierabende immer wieder lobend herausgestellt wurden (vgl. Neue Zeitschrift für Musik 66, 1870, S. 274; Neue Zeitschrift für Musik 69, 1873, S. 59; Neue Zeitschrift für Musik 70, 1974, S. 41-42).

Erfolgreiche Konzerttourneen nach Deutschland, Russland, Polen, Schweden und in die USA sowie zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen, besonders im Jahre 1873 – Ernennung zur großherzoglich hessischen Kammervirtuosin, Ernennung zur weimarschen Kammer- und Hofpianistin, Verleihung der goldenen Verdienstmedaille für Wissenschaft und Kunst des Fürsten Schwarzburg-Sonderhausen – , prägten ihre folgenden Lebensjahre.

1874 heiratete Pauline Fichtner den Hofkapellmeister, Komponisten und Liszt-Schüler Max von Erdmannsdörfer, mit dem sie nach Sonderhausen zog, wo sie, zusammen mit ihrem Mann, die Organisation der sonntäglichen ‚Loh-Konzerte’ übernahm und diese zum Aufführungsort neuer Kompositionen – somit zu einem Zentrum der Neudeutschen Schule – machte, bei denen ihre eigenen Soloabende und Liszts jährliche Konzertauftritte zu den Höhepunkten zählten. Die berufliche Entwicklung ihres Mannes, der sie immer Priorität einräumte, und die damit verbundenen Ortsveränderungen nach Moskau (1881-1889), Bremen (1889-1896) und München (ab 1896) bestimmten in den folgenden Jahren ihren weiteren Lebensweg, wobei Pauline von Erdmannsdörfer-Fichtner sich vor allem als Musikpädagogin und – nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1905 – verstärkt als Komponistin betätigte.

In München verstarb sie dann auch am 24. September 1916.

Im Vergleich zu ihrer umfangreichen Tätigkeit als geschätzte Klavierpädagogin sowie ihren zahlreichen Auftritten als anerkannte Klaviersolistin und Kammermusikerin – Joachim Raff widmete ihr u. a. 1870 seine Suite für Klavier g-Moll op. 162 und Eugène d’Albert 1893 sein Klavierkonzert E-Dur op. 12 – ist das bislang ermittelte musikalische Schaffen von Pauline von Erdmannsdörfer-Fichtner, obwohl kompositorisch „anerkannt“ (vgl. dazu den Artikel Erdmannsdörfer, Max Carl Christian von, in: Neue Deutsche Bibliothek IV [1959], S. 573) – relativ klein und umfasst 35 Lieder mit Klavierbegleitung, zwei kleinere Kammermusikstücke für Violine und Klavier, je ein größeres Variationswerk für 2 Klaviere bzw. Soloklavier sowie eine freie Bearbeitung der Walzer op. 22 von Max Reger für Klavier.



Dieter Michael Backes
Letzte Änderung am 3. August 2014