Lebenslauf von Wilhelm Karl Friedrich Fitzenhagen

Bild von Wilhelm Karl Friedrich Fitzenhagen Der Name von Wilhelm Karl Friedrich Fitzenhagen ist heute eher nur Kennern bekannt. In seiner Zeit genoss er allerdings als hervorragender Interpret und Cello-Professor am Moskauer Konservatorium international großes Ansehen.

Der heute unverschuldet in Vergessenheit geratene deutsche Künstler Wilhelm Karl Friedrich Fitzenhagen wurde am 15. September 1848 als Sohn des städtischen Musikdirektors in Seesen im Herzogtum Braunschweig geboren.

Das Fitzenhagens musikalische Talent wurde ab seinem fünften Lebensjahr von seinem Vater, dem städtischen Musikdirektor, gefördert. Von ihm erhielt der junge Fitzenhagen den ersten Klavierunterricht, mit acht Jahren spielte er Violoncello und mit elf Violine. Neben diesen Instrumenten lernte er auch die Blaseninstrumente. Aufgrund seiner früh erkannten Begabung und musikalischen Ausbildung tritt Fitzenhagen bereits als Elfjähriger mit dem städtischen Orchester seines Vaters an die Öffentlichkeit.

Den ersten regulären Cellounterricht erhielt Fitzenhagen von Plock, dem Musiker des Kammerorchesters des Herzogs von Braunschweig. Aber schon bald wird der junge Cellist zum Solisten. Im Oktober 1862 beginnt Fitzenhagen sein Cellostudium bei August Theodor Müller (*1802 †1875) und schon nach drei Jahren erfolgreichen Lernens tritt Fitzenhagen als Solist bei den Musikveranstaltungen im Hof des Herzogs von Braunschweig.

Lange vor seinem Umzug nach Russland war der junge Fitzenhagen vom Hof des Herzogs von Braunschweig finanziell unterstützt worden. Um sein musikalisches Talent weiter verwirklichen zu können, verhalf ihm der Herzog von Braunschweig zu einer Befreiung vom Militärdienst. Dadurch konnte Fitzenhagen in Mai 1867 bei Friedrich Grützmacher (*1832 †1903) in Dresden studieren, dem Solocellisten der sächsischen Hofkapelle und Kammervirtuosen des Königs von Sachsen. Mit zwanzig Jahren, 1868, wird Fitzenhagen Mitglied der sächsischen Hofkapelle.

Seit dieser Zeit begann Fitzenhagens Solo-Karriere, er verreiste viel mit Solo-Konzerten. 1869 nahm er zum ersten Mal am Deutschen Musikertag zu Leipzig teil und 1870 am Beethoven Festival. In diesem Jahr bekam Fitzenhagen gleichzeitig zwei vielversprechende Angebote: Das erste von Franz Liszt (*1811 †1886) für die großherzogliche Kapelle Weimar und das zweite von Nikolai Rubinstein (*1835 †1881), dem damaligen Direktor des Moskauer Kaiserlichen Konservatoriums, an die Stelle des großen Cello-Virtuosen und ersten Leiters des Cellounterrichts am Konservatorium Bernhard Cossman (*1822 †1910) zu treten und somit die Celloklasse zu leiten sowie entscheidend russische Musiklandschaft mit aufzubauen. Sicher empfand Fitzenhagen die Einladung von Rubinstein als große Ehre und frisch verheiratet reiste er mit seiner Frau Louise Fitzenhagen (*1845 †1922, geb. Büttner) nach Moskau.

Mit 22 Jahren kam Fitzenhagen nach Russland, wurde in diesem Jahr zum Cello-Professor und widmete sich 20 Jahre lang dem Konservatorium und der Entwicklung der russischen Musikkultur und spezialisierten Musikerziehung. Seine Schüler nannten ihn nach russischer Art Wasilij Fedorowitsch. Dem Cellisten wuchs Russland so sehr ans Herz, dass er eine Reihe von günstigen Angeboten im Ausland abschlug. Zu seiner Zeit verbesserten sich die technischen Fähigkeiten der Absolventen enorm. Die Namen der berühmtesten Studenten von Fitzenhagen sind auch in die Musikgeschichte eingetragen: Anatolij Brandukov, Ivan Saradschev, Peter Daniltschenko, Joseph Adamowskij.

Wilhelm Fitzenhagen gehörte zu dem engsten Freundeskreis von Peter Iljitsch Tschaikowsky (*1840 †1893). Als hervorragender Interpret inspirierte Fitzenhagen seinen Kollegen und engen Freund Tschaikowsky, sein erstes Originalwerk für Cello zu schreiben: Variationen über ein Rokokothema op. 33. Das im Dezember 1876 – Januar 1877 geschriebene Werk wurde seinem ersten Interpreten Wilhelm Fitzenhagen gewidmet. Die Uraufführung fand am 18. November 1877 in Moskau unter der Leitung Nikolai Rubinsteins statt. Seitdem steht der Name Wilhelm Karl Friedrich Fitzenhagen musikhistorisch vor allem mit Tschaikowskys Variationen über ein Rokokothema in Zusammenhang. Als erster Cellist des Orchesters der Kaiserlichen Russischen Musikgesellschaft und Professor am Moskauer Konservatorium genoss Fitzenhagen einen hohen Status in der Moskauer Musikwelt. Er nahm sich heraus, Tschaikowskys neue Partitur zu korrigieren und zu erweitern und somit dem schwer depressiven Komponisten auf seine Bitte bei der Überarbeitung und Formgebung des Werkes zu helfen. Die ersten Aufführungen der Cello-Kompositionen vertraute Tschaikowsky auch Fitzenhagen zum Spielen an. Die bekanntesten Cello-Kompositionen von Tschaikowsky werden auch heute in der Fitzenhagens Fassung gespielt.

Fitzenhagens Werk umfasst 60 Kompositionen, darunter sind vier Cellokonzerte, Streichquartett, Suiten für Violoncello und Orchester, die Fantasie nach Motiven der Oper "Demon" von Anton Rubinstein, geistliche Lieder und Kammermusik sowie Übungen und kleine Stücke für Cello-Studenten, die auch heutzutage geschätzt werden. Der größte Teil von Fitzenhagens erhaltenen Kompositionen sind Stücke für Cello und Klavier, doch hat er auch einige mehrstimmige deutsche Lieder verfasst. Fitzenhagen nahm regelmäßig an den "Kirchenkonzerten" in den Lutheranischen Gotteshäusern in Moskau teil und schrieb auch Stücke speziell für diese Anlässe (wie z. B. Resignation, op. 8).

Wilhelm Fitzenhagen war einer der deutschen Lehrer, die die Begründer der spezialisierten Musikerziehung in Russland waren. Sie sorgten zusammen mit ihren russischen, italienischen und tschechischen Kollegen dafür, dass die beiden russischen Konservatorien (in Moskau und St. Petersburg) Weltruhm erlangten. Deutsche Musiker in Russland präsentierten eine Nation, die im Augenblick eine außergewöhnliche hohe Stellung im Musikbereich einnahm und bald an erster Stelle stand. Ein derartiger Qualitätssprung in sehr kurzer Zeit war erstaunlich, und genau damit versetzte das Moskauer Konservatorium die ganze Musikwelt in Staunen.

Wilhelm Karl Friedrich Fitzenhagen starb in Moskau im Alter von 42 Jahren, hatte vier Kinder: drei Töchter, die nach der Oktober Revolution 1917 in Moskau blieben und einen Sohn, der Anfang der 20er Jahre mit seiner Familie nach Westen auswanderte.



Beitrag von Anna Polyak
Letzte Änderung am 1. April 2005