Lebenslauf von Mathilde Kralik von Meyrswalden

Bild von Mathilde Kralik von Meyrswalden Die spätromantische Komponistin Mathilde Kralik von Meyrswalden ist das vierte von fünf Kindern aus der Ehe des aus Eleonorenhain stammenden böhmischen Glasindustriellen Wilhelm Ritter Kralik von Meyerswalden (1807-1877) und seiner zweiten Ehefrau Louise Lobmeyr (1832-1905).

„Ich bin am 3. Dezember 1857 zu Linz an der Donau geboren. Mein Vater Wilhelm Kralik von Meyrswalden war Glasfabrikant (Chef der Firma Meyr’s Neffe in Böhmen), meine Mutter Louise ist eine geborene Lobmeyr (Schwester des Herrenhausmitglieds und Glasindustriellen Ludwig Lobmeyr in Wien). Meinem Vater und meiner Mutter verdanke ich den musikalischen Sinn und die Liebe zur Musik. Mein Vater war passionierter Geigenspieler, wiewohl Autodidakt und pflegte im Böhmerwalde eifrig das Quartettspiel. Meine Mutter spielte als Dilettantin gut Klavier und neigte schon als Mädchen der klassischen Richtung zu. Von meinen Eltern hörte ich zuerst Beethovens Violin-Klavier-Sonaten, Haydns und Mozarts Klänge wurden mir zunächst durch die häuslichen Quartette vermittelt. Später übernahmen dann meine beiden älteren Brüder und schließlich ich mit ihnen die Hausmusik, die in Duos, Trios und Quatuors unserer Klassiker bestand. Meinen ersten Klavierunterricht genoss ich bei meiner Mutter, dann bei Eduard Hauptmann in Linz. Meine ersten Kompositionsversuche [im Alter von 15 Jahren] förderte mein Bruder Richard, der sich lebhaft dafür interessierte. Nach unserer Übersiedlung nach Wien im Jahre 1870 erhielt ich Unterricht im Klavierspiel und in der Harmonielehre von Carl Hertlein (Flötist der Hofoper). Im Jahre 1875 wurde ich Privat-Schülerin von Professor Julius Epstein für Klavier. Er nahm ernsten Anteil an meinen Kompositionen und riet mir zur weiteren Ausbildung bei Anton Bruckner für Contrapunkt, dessen Unterricht ich privat ein Jahr genoss bis zu meinem Eintritt in die Kompositionsschule des Wiener Konservatoriums im Oktober 1876. Ich wurde in den zweiten Jahrgang, Schule Professor Franz Krenn übernommen. Nach Absolvierung des folgenden dritten Jahrgangs erhielt ich den ersten Preis. In den folgenden Jahren pflegten wir in unserem Hause den A-capella-Gesang, wodurch ich mit den Werken der niederländischen, italienischen und deutschen Meister des XV. und XVI. Jahrhunderts vertrauter wurde. Als meinen hauptsächlichsten Lehrmeister betrachte ich Bach, für die modernen Formen interessiert mich primär Liszt. Meine Kompositionen sind zum Teil gedruckt, zum größeren Teil noch Manuskript“ (in: Mathilde Kralik von Meyrswalden, Autobiografische Notiz vom 19. Oktober 1904, Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Handschriftensammlung).

1878 spielte Mathilde Kralik von Meyrswalden bei einem Konzert im Wiener Konservatorium Franz Liszt ihren Festmarsch D-Dur vor, der sich daraufhin mit einem Kuss auf ihre Stirn bedankte. Nach 1878 entwickelte sie dann eine rege Kompositionstätigkeit und war aus dem Wiener Konzert- und Gesellschaftsleben nicht mehr wegzudenken. So wurden die regelmäßig sonntagnachmittags in ihrem Haus in Döbling abgehaltenen Soiréen, bei denen sie ihr virtuoses Klavierspiel zeigen konnte, von Musikliebhabern sehr geschätzt. 1894 und 1895 erklangen Werke von ihr im Rahmen von musikalisch-deklamatorische Frauenabende im Brahms-Saal des Musikvereins, in der Saison 1898/99 wurde ihr Klaviertrio F-Fur vorgestellt, 1900 erklang im Rahmen eines geistlichen Konzerts im Großen Musikvereinssaal „Die Taufe Christi“ bzw. die „Weihnachtskantate“, beides großbesetzte Werke für Solo, Chor und Orchester.

Daneben war Mathilde Kralik von Meyrswalden – wie viele ihrer Kolleginnen – auch im Vereinsleben aktiv: Ehrenpräsidentin des Damenchorvereins Wien, der Wiener Bachgemeinde, des Österreichischen Komponistenbundes, des Vereins der Schriftsteller und Künstler Wiens und des Klubs der Wiener Musikerinnen, wo sie u.a. mit Vilma von Webenau, Alma Mahler oder Rosa Mayreder zusammentraf.

Auf den Tod ihrer Mutter im Jahr 1905, der sie schwer erschütterte, reagierte sie mit einer halbjährigen Stagnation ihres Schaffens. Ab 1912 lebte die bis dahin alleinstehende Komponistin dann bis zu ihrem Tod im Jahre 1944 mit Dr. Alice Scarlates, Lektorin für romanische Sprachen an der Universität Wien, zusammen, die sie als Haupterbin ihres Nachlassvermögens einsetzte. Mathilde Kralik von Meyerswalden, die zu den schillerndsten Persönlichkeiten in Wien um die Jahrhundertwende gehörte, komponierte insgesamt über 250 Werke; so u.a. 3 Opern, 2 Oratorien, zahlreiche kirchliche Werke, eine weltliche Kantate, einige Orchester-, Kammermusik-, Klavier- und Orgelwerke, Vokalmusik a cappella sowie zahlreiche Lieder mit Klavier- oder Instrumentalbegleitung (auf Texte von über 60 Autoren, darunter eigene und solche ihres Bruders Richard).



Beitrag von Dieter Michael Backes

Weitere Literatur:
Artikel „Mathilde Kralik von Meyrswalden“, in: Marx, Eva / Haas, Gerlinde: 210 Österreichische Komponistinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Salzburg 2001, S. 238-242
Kralik von Meyrswalden, Rochus: Ein Kuss von Liszt, Hamburg 2009
Artikel „Mathilde Kralik von Meyrswalden“, in: http/mugi.hfmt-hamburg.de
Letzte Änderung am 31. Januar 2011