Lebenslauf von Isabella Leonarda

Bild von Isabella Leonarda Ein nicht geringer Teil der norditalienischen Musik des 16. und 17. Jahrhunderts stammt von Komponistinnen. Eine der produktivsten von ihnen war die adlige Isabella Leonarda. Sie hinterließ etwa 200 Kompositionen. In 20 Bänden sind vor allem geistliche Musik, wie z.B. Motetten für Soli und Continuo und auch eine Messe für Soli, Chor, Streicher und Continuo enthalten. Opus 16 ist ihr einziges rein instrumentales Werk. Es besteht aus 12 Kirchensonaten. Diese Kompositionen wurden als Teil der katholischen Messe aufgeführt.

Warum ließ die 73jährige Nonne und Komponistin Schwester Isabella von ihrer Gewohnheit ab, Vokalmusik zu schreiben, und begann mit einer neuen Art musikalischer Gattung? Wir wissen es nicht, aber es könnte sein, dass die Ehre, die ihr die Kirche erwies, als sie zur Mutter Vikarin ernannt wurde, sie ermutigte. Die Sonaten entstanden im selben Jahr, in dem sie dieses Amt erhielt. (In der Erstausgabe finden sich die Worte 'Con Licenza de' Superiori', was bedeutet, dass die Kirche ihre Zustimmung zu diesen Kompositionen gegeben hatte!).

Die Sonaten op.16 gehören zu den ersten Instrumentalwerken, die von einer Frau geschrieben wurden. Dieser Tatsache war sich Isabella Leonarda vermutlich nicht bewusst. Vielleicht ging es ihr um nicht textgebundene Musik als Gegengewicht zu der großen Zahl an Vokalwerken, oder vielleicht lag ihr daran, sich in der 'neuen' Gattung der Trio-Sonate zu erproben. Im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Komponisten (z.B. Corelli) gestaltete sie ihre Sonaten länger, schrieb manchmal sechs Sätze statt der üblichen vier. Auch war sie großzügiger als manche was Modulationen betraf und verwendete eine größere Breite verwandter Tonarten innerhalb einer Sonate.

Isabella Leonarda wurde am 6. September 1620 in Novara geboren. Im Alter von 16 Jahren trat sie in den Orden Collegio di Sant'Orsola ein. 1686 wurde sie Madre Superior dieses Ordens und 1693 Madre Vicaria. Der genannte Orden wurde 1811 aufgelöst. Im 17. Jahrhundert widmete er sich der Bildung von Mädchen, und Musik gehörte mit Sicherheit zu den Lehrinhalten.

Es ist nicht bekannt, von wem Isabella Leonarda Komposition erlernte, aber im Dizionario Ricordi della Musica e di Musicisti (Ricordi, Mailand, 1959) äußert Sartori die Vermutung, dass der Maestro di Capella der Kathedrale von Novara Gasparo Casati ihr Lehrer war. Einige ihrer ersten Kompositionen sind in einer Sammlung enthalten, die er um 1640 herausgab. Es war damals üblich, dass Lehrende eigene Werke zusammen mit denen ihrer SchülerInnen veröffentlichten und ihnen damit Gelegenheit gaben, erstmals nach außen zu treten.

Der französische Musikliebhaber und -sammler Sébastien de Brossard (1655-1730) kannte Isabella Leonardas Musik gut und schätzte sie sehr. Das geht aus seinem Catalogue des livres de musique theorique et pratique (Paris, 1724) hervor.

In Anbetracht der Vielzahl von Werken verwundert es, dass Isabella Leonarda heutigen MusikerInnen, MusikstudentInnen und -schülerInnen kaum bekannt ist. Wer sich jedoch mit ihr befasst, entdeckt die schöpferische Kraft ihrer Musik.



Literatur: "Annäherung an 7 Komponistinnen", Bd. 8, hg. v. Clara Mayer, Kassel 1997



[Quelle: Furore-Verlag (http://www.furore-verlag.de)]

Letzte Änderung am 6. Juni 2004