Albert Lortzing (1801-1851)

Ali Pascha von Janina oder Die Franzosen in Albanien

Allgemeine Angaben zum Singspiel:

Titel: Ali Pascha von Janina oder Die Franzosen in Albanien
Entstehungszeit: 1823-24
Uraufführung: 1. Februar 1828 in Münster
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Erstdruck: Leipzig: B. Senff, 1903 (Klavierauszug)
Bemerkung: Die Entstehung der Oper fiel in die Zeit, als Lortzing den Bund fürs Leben mit Rosina Regine Ahles schloss. Beide waren am Hoftheater Detmold engagiert, spielten aber auch in Münster und Osnabrück. In den Rollen des Naturburschen und jugendlicher Liebhabers brillierte er vor einem interessierten Publikum. Lortzing schrieb Texte, komponierte, interpretierte und zeugte elf Kinder. „Ali Pascha von Janina“ war sein Erstling, ein reizendes Stück über einen albanischen Despoten in türkischen Diensten, der seinen Kopf verlor, weil er dem Sultan zu mächtig wurde. Mit viel Esprit formte Albert Lortzing sein Libretto. Die Zensur glättete, was zu boshaft war.
Opus: LoWV 9

Zum Singspiel:

Art: Singspiel in einem Akt
Libretto: Albert Lortzing
Sprache: deutsch
Ort: Albanien
Zeit: Ende des 18. Jahrhunderts

Personen:

Ali Bey: Pascha von Janina (Bass)
Ibrahim: Aufseher über den Harem (Bass)
Bernier: Kapitän in französischen Diensten (Tenor)
Robert: Leutnant, sein Freund (Tenor)
Arianna: eine junge Korfiotin (Sopran)
Weitere: Soldaten, Matrosen, türkische Wachen und Soldaten, gefangene Mädchen, Sklavinnen und Sklaven

Handlung:

1
Bernier geht es wie Belmonte: die Verlobte ist spurlos verschwunden. Und im Gegensatz zu dem Spanier hat er keine Vorstellung, wo man sie im Moment finden könnte. Wie sein Freund Robert gehört er zu einem Bataillon französischer Soldaten, die auf dem Balkan stationiert ist, um eine wissenschaftliche Expedition zu begleiten. Auf tanzenden Wogen zum glücklichen Land am glühenden Strand kamen sie geflogen, um sich an der prangenden Flur und der reichen Natur zu erfreuen. So sehen die Kameraden das und fordern sich gegenseitig auf, hoch aufzujubeln und den wechselnden Lauf des Lebens zu genießen. Ihre Fröhlichkeit wirkt auf Bernier absolut nicht ansteckend, denn er trägt am Verlust der Geliebten schwer. Robert ist voller Mitgefühl und wünscht ihm, dass er sie bald wiederfinden möge, denn mit ihr entfloh sein ganzes Glück. So ist es mit den verliebten Leuten, Lust wandelt sich schnell in Leid, doch das süße Gefühl der Liebe soll das Herz der Geliebten stärken, damit sie den ewigen Schwur ihrer Treue auch einhalten kann. Wenn Bernier sich doch nur sicher sein könnte, dass sie ihm in Treue ergeben bleibt, ist er auch gern bereit, sein Leben zu riskieren und Schrecken und Gefahren zu überwinden. Gefahren lauern auf dem Balkan an jeder Ecke.

2
Türken und Albaner jubeln ihrem Pascha zu. Täten sie es nicht, würde ihnen das schlecht bekommen, denn die Historiker nennen Ali Pascha und Fürst Dracula in einem Atemzug. Albert Lortzing hat es verstanden, in seinem Singspiel die Wesenszüge des grausamen Despoten zu bagatellisieren. Trotzdem sei dem Opernbesucher geraten, in das Lob mit einzustimmen, damit das ungetrübte Vergnügen des Abends gesichert ist. „Heil dem großen Ali, Heil! Allah töte seine Feinde und erhalte seine Freunde! Ewig wird sein Ruhm erschallen, nie der Taten Ruf verhallen!“

3
Dem Besucher fällt ein Stein vom Herzen, dass Arianna nicht tot ist. Sie erzählt dem Publikum von ihrer Entführung. Ganz allein ist sie an Korfus reizendem Badestrand spazieren gelaufen, doch das Unglück folgte ihren Schritten. Unter den Zypressen an der Quelle wollte sie auf den Geliebten warten, doch allzu bald sollte sie das Opfer sein. Während sie träumend dem Spiel der Wellen zuschaute und immerzu an den dachte, den ihr Herz erwählt hatte, nahte unbemerkt ein Schnellboot und gierige Räuber fassten sie frech an. Sie schlugen die Zitternde und schleppten sie höhnend in ihren Kahn.

4
Wo befindet sich Arianna jetzt? Das Publikum erkennt an der Dekoration, dass Arianna in einem Harem gelandet ist. Mädchen liegen halbnackt herum und naschen Süßigkeiten. Jammern und Klagen nutzen nichts, denn ihr Gebieter hat Mitleid nie gekannt. Er fordert, dass sie dem Freund, dem allein ihr Herz gehört, entsagen soll. Die Haremsdamen machen der Korfiotin verständlich, was in einem Harem unter Gehorsam und Unterwürfigkeit zu verstehen ist. Das Begehren des Herrschers schweigend zu ehren, versäumen sie nie. Sie tut gut daran, sich an die Hausordnung zu halten.

5
Was den Besucher des lustigen Singspiels maßlos überrascht, ist die plötzliche Anwesenheit von Bernier. Hat der das Versteck der Geliebten gefunden? Trotz aller Gräueltaten ist die Gastfreundschaft des kunstsinnigen Ali Pascha der Nachwelt wohlbekannt, Lord Byron hat sie oft in Anspruch genommen. Warum sollte der Ali den netten Franzosen nicht zum Abendessen einladen? Die Neuzugänge im Frauenhaus sind nicht zum Verstecken, sondern zum Protzen da, doch vor einer Entführung aus dem Serail sei ausdrücklich gewarnt. Ali möchte von einem Franzosen gern bestätigt haben, dass er glücklich zu schätzen sei, weil auf Edens Wiese – er meint das Paradies – für den Moslem so viele Rosen blühen. Doch Bernier findet, dass im Leben nur für eine Frau das Herz erglühen sollte. Nichtsahnend stellt der Pascha seine Neuerscheinung vor, was bei Arianna und Bernier unverzüglich ein Liebesduett auslöst.

„Ha! Ist's möglich? Ist's kein Traum? Sehe ich ihn? Ich glaub' es kaum.“ „Welch ein Glück, o welch Entzücken! Dürft ich an mein Herz sie drücken.“ Ali hat zugehört und sein Misstrauen ist hellwach.
Franzosen hat er sich nicht monogam vorgestellt und er äußert sich: „Da dich keine scheint zu rühren, mag die Weiber fort man führen. Doch zur Tafel lad' ich dich, Fremdling jetzt begleite mich.“

Arianna ist tiefunglücklich. Kaum hat sie ihn gesehen, muss er auch schon wieder gehen. Eine Frechheit ohne Gleichen, sein Zorn soll sie schon bald erreichen. Später meldet die Historie, wie Ali mit Verrätern verfährt. Man kennt die Gepflogenheiten aus einem anderen Singspiel: „Erst geköpft, dann gehangen, dann gespießt auf heiße Stangen...“

6
Unsinn, Lortzing hat es nicht nötig, dass man ihn mit Mozart-Zitaten abfertigt. Ihm stehen eigene Verse zur Verfügung: „Ha! Schrecklich will ich meine Rache kühlen! Bluten soll zu Allahs Ehre, wer verachtet seine Lehre und die ganze Welt sei Zeuge wie der Christen Stolz ich beuge...“ Alis Rachearie zieht sich gewaltig in die Länge. Wahrlich, er ist ein kleines Scheusal. Ja, der Anblick ihrer Pein, soll ihm Lust und Labung sein.

7
Im Gegensatz zu Bernier ist Robert der typische Franzose, der das Klischee, welches man sich von dem Volk macht, erfüllt. Ist es nicht Ninettchen, kost er mit Jettchen, sträubt sich Susanne, küsst er die Anne! Was ist nur in den Librettisten gefahren? Er gönnt Robert achtundvierzig schmalzige Zeilen. So wichtig ist Robert in dem Stück doch gar nicht. Wenn es gefährlich wird, haut er immer ab.

8
Der Pascha denkt an fürchterliche Bestrafung, denn der törichte Franzose hat versucht, in den Harem einzudringen, um die Verlobte zu befreien. Dabei wurde er gefasst. Des Paschas Macht soll sich ihm zeigen, nichts kann seinen Willen beugen. Durch Ibrahim hat er noch verbale Verstärkung bekommen. Die Gefangene bietet Ali Pascha ein Tauschgeschäft an: „Sieh mich hier zu deinen Füßen, lass die Schuld allein mich büßen.“ Ibrahim gibt ihrem Flehen keine Chance, denn bald nun enden ihre Leiden, Grabesruhe winkt den beiden.

9
Robert versucht, Arianna Mut zuzusprechen, doch sie hat bereits mit dem Leben abgeschlossen. Ibrahim und der Sklavenchor wenden sich gegen sie. Man soll die Freche ergreifen, die versuchte, den Bassa kühn zu hintergehen. Seine Liebe und Freundschaft hat sie keck verlacht. „Rettung gibt es nicht für mich, seine Wut ist fürchterlich.“ Arianna hat nur einen Wunsch: den Geliebten noch einmal zu sehen.

10
Der Opernchor nimmt keine Rücksicht auf ihre Gefühle und überlässt das Mädchen seinem Jammer. Die Albaner huldigen dem Herrscher, denn heller als der Sonnenglanz strahlt seiner Taten Ruhmesglanz.

11
Bernier ist mit Hilfe seiner Kameraden freigekommen. „Fort ,ungläubige Horden, ihr wollt mir die Geliebte morden“ zankt er mit Ali. Dann fällt ein Schuss und die Befreier gewinnen die Oberhand. Widerwillig muss Ali das Feld räumen, er schwört blutige Rache. Doch dazu wird es nicht kommen, denn die Hohe Pforte in Istanbul wird dem Despoten das Handwerk legen, weil er zu selbstherrlich geworden ist. Das Schiff liegt für Bernier und Arianna zur Abreise bereit. Die Sklaven sehen in Bernier ihren Retter, möchten befreit werden und auch mitkommen.

„Ja, so sei es und ohne Weilen
Lasst uns zu den Schiffen eilen.
Und im Herzen danket Gott,
dass wir sind frei von Feindes Not.“

Letzte Änderung am 10. April 2008
Beitrag von Engelbert Hellen

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