Lebenslauf von Jacques Offenbach

Bild von Jacques Offenbach Ursprünglich war die Familie in Offenbach ansässig, und wenn der Vater mit seiner Violine auf Reisen ging und in der Öffentlichkeit auftrat, sprachen die Zuhörer vom 'Offenbacher'. Isaac Eberst war er, wenn er in seinem Heimatort als Kantor in der Synagoge die liturgischen Gesänge anstimmte. Später verlegte er seinen Wohnsitz nach Köln, der Stadt, in der sein Sohn Jakob im Juli 1819 zur Welt kam. Der Name, unter dem die Menschen dem Familienoberhaupt zujubelten, hatte nach dem Wohnortwechsel keine Berechtigung mehr. Deshalb tauschte er 'Eberst' mit Zustimmung der Behörden aus und die Familie nannte sich in Erinnerung an alte Zeiten nun formell 'Offenbach', womit der Bezug zum 'Offenbacher' wieder hergestellt war.

Dem kleinen Jacob brachte der Vater das Spielen der Violine und des Violoncellos bei. Der dunkle Klang des Violoncellos faszinierte ihn mehr und schon bald konnte er es recht passabel spielen, so dass er in Straßencafés und Gaststätten öffentlich auftrat. Die Stadt der Musik, in welcher junge Künstler etwas werden konnten, hieß Paris, und deshalb ebnete der Vater seinem Sprössling den Weg und schickte ihn dorthin. Am Pariser Conservatoire herrschte unumschränkt Luigi Cherubini. Nicht mehr Jacob, sondern Jacques sprach an der Hochschule vor und der Meister lieh ihm sein Ohr. Vom Spiel beeindruckt, durfte Jacques mit vierzehn Jahren sein Studium aufnehmen. Es war ein Privileg, denn Wunderkinder aus dem Nachbarland, die einen Studienplatz belegen wollten, waren an der Seine nicht gern gesehen.

Schon nach einem Jahr war Jacques der Ansicht, genug gelernt zu haben. Er verließ das Konservatorium, um mit seinem Instrument den Lebensunterhalt zu verdienen. Dem Begabten gelang es, an der Opéra Comique eine Anstellung als Orchestermusiker zu finden. Wohl fühlte er sich hier nicht, weil alles in traditionellen Bahnen verlief. Das wirtschaftliche Einkommen war geregelt und nicht unansehnlich. Trotzdem hielt Jacques Ausschau nach neuen Ufern. Er machte die Bekanntschaft von Jacques Fromental Halévy, der mit seiner Oper „Die Jüdin“ einen sensationellen Erfolg hatte, und studierte bei ihm nebenher Komposition. Die Liebe zum Musiktheater war geweckt.

Ein glücklicher Zufall wollte es, dass Friedrich von Flotow seinen Weg kreuzte. Die beiden Jugendlichen freundeten sich an. Mit leichter Hand wurden schnell ein paar Duos für Violoncello und Klavier geschrieben. Schon bald waren die beiden der Liebling der Pariser Salons, denn Polkas, Walzer und Mazurken liebkosten nun die Gehörmuscheln der feinen Gesellschaft. In den folgenden Jahren brachte der Entertainer es mit seinem Bogenstrich zur Meisterschaft und pflegte mit berühmten Virtuosen von Violine, Viola und Klavier die Kammermusik.

Seine Sehnsucht, einmal eine Oper zu schreiben, die ihn ein Leben lang begleitete, fand nirgendwo ein Echo, obwohl er als Musiker bereits einen Namen hatte. Im Jahre 1848 brach eine Revolution aus, und für Jacques wurde es in Paris ungemütlich. Der Unstete zog mit Frau und Tochter wieder nach Köln, hielt es dort aber nur ein Jahr aus, denn im Herzen war er Franzose geworden.

Der zweite musikalische Lebensabschnitt begann damit, kleinere Stücke für die Bühne zu schreiben. Es waren Einakter, die dem Cabaret näher standen, als der großen Oper. Charmant, bissig und frivol erfüllten sie die Voraussetzungen nicht, die man an der Opéra Comique erwartete. Hier begann man Boieldieu, Auber und Adam zu vernachlässigen, um sich ebenfalls der Ausstattungsoper zuzuwenden - man wollte es der großen Schwester, der Grande Opéra, gleichtun. Zudem hatten die Verantwortlichen es dem Abtrünnigen nicht verziehen, dass er der Komischen Oper seinerzeit die kalte Schulter gezeigt hatte und quittierten sein Anliegen nun mit einem abweisenden Lächeln.

Die politischen Wirren hatten sich gelegt und Louis Napoléon hatte das zweite Kaiserreich ausgerufen. Dem Ausreißer hatte die Gesellschaft verziehen und ernannte ihn zum musikalischen Direktor der Comédie Française. Zu spät bemerkte der Geehrte, wie wenig begehrenswert diese Position war. Man erwartete von ihm nur kleinere Bühnen- oder Zwischenaktmusiken. Vergeblich kämpfte er um eine Anhebung des musikalischen Niveaus, so dass er in Erwägung zog, zu emigrieren, um in den Staaten sein Glück zu versuchen. Doch die Franzosen mochten ihren Liebling nicht missen, gaben ihm das französische Bürgerrecht und machten ihn zum Ritter der Ehrenlegion.

Nun schöpfte Offenbach frischen Mut und begann, über ein eigenes kleines Sommertheater nachzudenken. 1855 erwarb er auf dem Ausstellungsgelände der Champs-Elysées die Lizenz für das „Bouffes Parisiennes“, welches er bis 1862 betrieb. Frei schalten und walten konnte er nur in Grenzen, denn die Behörden erlaubten ihm anfänglich, dass nur vier Personen gleichzeitig auf der Bühne agieren durften. Nun, der Anfang war gemacht und die Zuschauer kamen in Strömen, um seine satirisch-frivolen Stücke zu goutieren und um Hortense Schneider, seiner exzentrischen Diva, zu huldigen. Aktiv begleitete sie seinen Ruhm und trat als Darstellerin in fast allen großen und kleinen Partien auf, „La belle Hélène“ und „La Grande-Duchesse de Gerolstein“ verkörperte sie mit dem gleichen Charme, den sie auch den Figuren unbedeutender Einakter lieh.

Sogar der große Meyerbeer ließ sich herab, die Vorstellungen des Kollegen gelegentlich zu besuchen. Rossini nannte ihn den Mozart der Champs-Elysées. Doch die Portale der Grande Opéra sollten Jacques Offenbach ein Leben lang verschlossen bleiben.

Richard Wagner war zu dieser Zeit auch in Paris, um den Tannhäuser-Skandal zu produzieren. Für Offenbach hatte er nur Spott: „O wie süß und angenehm und dabei für die Füße so bequem. Krack, krack, krackerakrack“. Beide Herren lernten sich näher kennen und verstanden dann miteinander umzugehen. Wagners Sprüche tönten auf einmal ganz anders. Der Meister aus Bayreuth lobte Offenbachs leichte Hand, wie nur der göttliche Mozart sie gehabt habe. Hiebe bekam Richard Wagner aus der Donaumonarchie von zwei anderen Spöttern: Franz von Suppé schrieb die Persiflage „Gelbgrin und die Jungfrau von Dragant“, während Oscar Straus „Die lustigen Nibelungen“ auf ihn ansetzte. Nun, Neid ist im Prinzip nichts anderes als die höchste Form der Anerkennung!

Es ließ dem prominenten Bühnenautoren keine Ruhe, noch keine Oper geschrieben zu haben. Er wollte nicht nur flapsig und frivol sein, sondern zeigen, dass Mythen nicht nur zum verulken da sind, sondern das Übersinnliche auch ernst genommen werden kann. Für Wien, nicht für Paris, komponierte Offenbach „Die Rheinnixen“ und platzierte hier erstmalig jene herrliche Musik, die später in der „Barcarole“ aus „Hoffmanns Erzählungen“ die Zeiten überdauert hat. Die Uraufführung ging 1864 an der Alten Hofoper in Szene und gestaltete sich zu einem eklatanten Misserfolg. Das Publikum hatte bestimmte Vorstellungen, welche Art von Theater es von Jacques Offenbach hören und sehen wollte und reagierte enttäuscht. Es sei vorweggenommen, dass Offenbachs Traum, eine große Oper zu schreiben, mit „Hoffmann Erzählungen“ tatsächlich in Erfüllung gegangen ist.

Noch war die Lebensuhr nicht abgelaufen. Der Komponist unternahm eine Konzertreise durch Österreich und Italien. Seinen größten Triumph erzielte er 1873 mit der Eröffnung des „Théâtre de la Gaité“, welches zwei Jahre lang seinen Ruhm ausstrahlte. An der Seite seiner skandalumwitterten Operettendival Hortense Schneider nahm er der den Beifall des Publikums entgegen. Mit seinem bissigen Humor hielt er der Gesellschaft, die ihm alle Frechheiten nachsah, den Spiegel vor. Er übergoss sie mit seinem Spott wie es kein Komponist vor ihm oder nach ihm getan hat. Geliebte Gepflogenheiten wurden der Lächerlichkeit preisgegeben. Das Militär und die Politik nahm er sich vor - man ließ ihn machen und lachte, denn wenn die Revolution auf der Bühne stattfindet, kann das Volk sich abreagieren und in der Realität bleibt das Leben friedlich.

Doch mit dem Untergang des zweiten Kaiserreichs, dessen Symbolfigur er war, wurde auch die Welt in Paris für Offenbach grau. Der Konsument hatte seine Geschmacksrichtung geändert. Die Götter und Helden der Mythologie verließen die Bühnen und machten den Weg frei für die Romantik und den Realismus. Meilhac und Halévy ließen den alten Freund im Stich und arbeiten nun für andere Auftraggeber. Schulden, die durch Investitionen und hohem Aufwand entstanden waren, mussten getilgt werden.

Inzwischen klapperdürr geworden und wackelig auf den Füßen, machte sich der Unermüdliche 1876 auf ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Der Musikus aus der Alten Welt wurde umjubelt, wie man es sich nicht vorstellen kann. In New York und Philadelphia gab er über vierzig Konzerte. Die Einnahmen aus Vorstellungen und Aufführungsrechten übertrafen alle Erwartungen.

1877 begann Offenbach mit der Komposition von „Hoffmanns Erzählungen“. Die Orchestrierung konnte der Meister allerdings nicht bis zum Schluss durchziehen, weil der Tod ihm vorher das Notenblatt aus der Hand nahm. Ein geeignetes Sujet fand er in dem deutschen Dichter und Musiker E.T.A Hoffmann, dessen skurriles literarisches Erscheinungsbild ihn faszinierte. Drei seiner Erzählungen fügt er lose zusammen und umgab sie mit einer Rahmenhandlung.

Sein Herz hat immer für Paris geschlagen, dem festlichen Platz seiner großen Triumphe. Sein von Unrast geprägtes Leben endete 1889 auf dem Friedhof von Montmartre. Das Grabmonument schuf Garnier, der Architekt der Grand Opéra. Hortense Schneider überlebte ihn um etwa 40 Jahre, gab aber mit dem Tod des geliebten Meisters die Bühnenlaufbahn auf.



Engelbert Hellen
Letzte Änderung am 17. August 2009