Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakow (1844-1908)

Kaschtschej bessmertny [Кащей Бессмертный]

(Der unsterbliche Kaschtschej)

Allgemeine Angaben zur Oper:

Titel russisch: Kaschtschej bessmertny [Кащей Бессмертный]
Titel deutsch: Der unsterbliche Kaschtschej
Titel englisch: Kashchey the Immortal
Titel französisch: Kachtcheï l'immortel
Entstehungszeit: 1901-02, rev. 1906
Uraufführung: 12. Dezember 1902 in Moskau
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Erstdruck: St. Petersburg: W. Bessel, 1902
Verlag: Paris: Bessel, 1954

Kaufempfehlung:

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[Details]
Operngesamtaufahmen (5 Opern) (Decca, DDD, 1993-1998)
Nikolai Rimsky-Korssakoff (1844-1908)

stereoplay 9/1997: "Es gelingt Valery Gergiev in seiner 1994 live mitgeschnittenen Interpretation (Das Mädchen von Pskow) der dritten Fassung von 1895, die Qualitäten hörbar zu machen. Galina Gorchakova in der Titelrolle überzeugt ebenso wie Vladimir Galusin als ihr Geliebter und Vladimir Ognovienko als gar nicht furchtbarer Iwan."
KLASSIK heute 1/2000: "Valery Gergiev widmet sich der Oper (Die Zarenbraut) mit dem gewohnten Engagement, entlockt den inzwischen unter seiner Ägide zu einem prächtigen Klangkörper zusammengewachsenen Kirov-Orchester Farben von düster-bedrohlichem Gepränge."
Musikmarkt 1/1995: "Dieser Livemitschnitt (Sadko) aus der jetzt wieder Mariinskij-Theater heißenden Kirov-Oper zaubert auch auf die Hörbühne genügend Klangfarben, die zum Märchenspiel gehören. Gesungen wird auf hohem Niveau, musiziert mit schöner Frische."

Zur Oper:

Art: Herbstliche Parabel in einem Akt nach Petrowski
Libretto: Nikolai Rimski-Korsakow
Sprache: russisch

Personen:

Kaschtschej: Magier, unsterblich unter Vorbehalt
Prinzessin: Tochter des Zaren, mit Iwan verlobt
Kaschtschejewna: Tochter des Kaschtschej, in Iwan verliebt
Iwan Korolewitsch: kampfesmutiger Prinz, von zwei Frauen heiß begehrt
Der Sturmwind: eine Allegorie

Handlung:

Erstes Bild:

Die Menschen der heutigen Zeit schützen ihr Anwesen mit einem Schild am Gartentürchen „Vorsicht, bissiger Hund“ oder „Achtung, beherzte Katze“. Der Magier Kaschtschej hat sich etwas Wirksameres ausgedacht. Auf den Zaunpfählen stecken Schädel, die einmal zu einem Menschen gehört haben. Die Verwesung ist abgeschlossen und der Leichengeruch hat sich verzogen. Die Behörden sind gegen den groben Unfug nicht eingeschritten, weil der baufällige Wohnturm Kaschtschejs in einer einsamen unzugänglichen Landschaft steht. Das Grundstück ist von bemoosten Felsen eingeschlossen, die einen schmalen Zugang für Besucher frei lassen. Der Himmel ist mit dunklen Gewitterwolken überzogen, und wenn das Herbstwetter nicht so ungastlich wäre, könnte dieser Platz für Menschen mit Sinn für Schauerromantik den idealen Aufenthalt für einen Erholungsurlaub abgeben. Die Bäume sind kahl und mit rotem und gelben Laub bedeckt. Zum überdachten Eingang führt eine kleine Stiege. Auf dem Dach sitzt ein Uhu mit leuchtenden Augen. Ein Glockenspiel wird vom Wind bewegt und klimpert anhaltend.

Im Garten sitzt ein Mädchen, welches Grund zur Klage hat. Freudlos sind die Tage und schlaflos die Nächte. Dunkle Gewitterwolken ziehen in lückenloser Reihe vorbei. Die Bedauernswerte klagt, dass ihre Schönheit in qualvoller Gefangenschaft dahinwelkt. So wie die Birke, die ihr Laub hängen lässt, fühlt sie sich auch. Sie vergeht vor Sehnsucht nach ihrem Bräutigam, von dem sie getrennt wurde. Schlaf und Ruhe findet sie nicht. Bleich sind ihre Wangen und die Augen fast erloschen von den vielen Tränen, die in Strömen fließen.

Aus dem Innern des Turms ertönt die Stimme des Unholds, der die Zarentochter geraubt hat. „Zarewna, Zarewna! Komm zu mir in den Turm, sing ein Lied oder erzähle mir ein Märchen! Erleichtere mein hohes Alter mit einem freundlichen Lächeln, unterhalte mich mit einem lustigen Spiel!“ Die freundlich Gebetene möchte aber nicht gehorchen und stellt sich stur. Schwermütige Gedanken haben sich wie Glieder zu einer eisernen Kette verschlungen. Es ergeht eine zweite Aufforderung: „Zarewna, Zarewna! Warum antwortest du nicht? Kannst du meine Stimme etwa nicht hören“? Kaschtschejs Gefangenschaft plagt und quäle sie wie ein Fischlein im Netz. Nun wird der Herr des Turms böse. Er wird die Beine aus dem Bett schwingen und ihr eine gehörige Lektion erteilen. Wenn das Mädchen den Worten Kaschtschejs kein Gehör schenken will, hat sie seinen Stock zu fürchten. Die Verlassene ist mit ihren Gedanken ganz woanders. Mit den ziehenden Vögeln und dem umherschweifenden Wind soll der wunderbare Bräutigam ihr eine Nachricht schicken. Denkt er nicht mehr an die Geliebte, die sich in der Zeit der Trennung nach ihm sehnt? Er soll endlich seine Kampfrüstung anziehen und kommen und ihrem Bewacher den Hals umdrehen. Hat ihr Recke seine Zarewna etwa vergessen und sich einer anderen zugewandt?

Sich auf seinen Stock stützend erscheint Kaschtschej auf der obersten Stufe der Freitreppe. Trauert sie immer noch? Die Tränen stehen ihr gut. Er liebt es, sie anzuschauen und ihr über das Haar zu streicheln. Das Ungeheuer soll mit ihrem Kummer Erbarmen haben. Sie fleht ihn an, ihr das vergangene Glück noch einmal zu zeigen. Er kann es, weil er ein Zauberer ist. Inmitten schwarzer Gewitterwolken, die schwer über der öden Landschaft hängen, soll er das helle Licht vergangenen Glücks für einen einzigen Augenblick erstrahlen lassen. Die liebe Närrin, gewiss wird er sie trösten! Das kleine Spiegelchen mit diamantenem Rahmen soll ihm in die Hände springen, um der Zarewna eine Freude zu machen. Sie soll nur hineinschauen und alles klar erkennen, was auf der ganzen Welt geschieht und was bisher noch nicht geschehen ist, aber unvermeidlich geschehen muss. Sein Spiegelchen wird alles genau zeigen.

Im Moment hat der kleine Monitor eine Empfangsstörung. Vor den Augen der Zarewna flimmert es. Ihr Herz schlägt. Ach wie schrecklich. Was sieht sie? Sie soll sprechen! Sie sieht ein schönes junges Mädchen, Tränen wie Perlen auf den bleichen Wangen und in den Augen. Kaschtschej ist erschrocken. Aber das ist sie doch selbst. Er bläst auf den Spiegel und hält ihn ihr erneut vor. Jetzt soll sie hineinschauen! Sie sieht eine Jungfrau von wunderbarer Schönheit. Ihr Herz bebt, doch sie kann die Augen nicht von ihr abwenden. Eine Wassernymphe oder eine Zauberin! Dann ist es bestimmt seine Tochter. Da kommt er, der geliebte Bräutigam! Ist er es tatsächlich? Sieht sie wirklich ihr Glück?

Kaschtschej wird wütend. Sie soll ihm das Spiegelchen zurückgeben. Er nimmt es ihr aus der Hand und erschrickt. Soll das wirklich sein Tod sein? Er lässt den Spiegel versehentlich fallen; er zerbricht. Zarewna weint. Das Spiegelchen ist auf der Erde zersprungen und die seltsame Erscheinung verschwunden. Das Herz hat vor Kummer einen Riss bekommen, und gleich einem Faden zerriss die Erinnerung an den geliebten Freund. Kaschtschej zweifelt. Das ist nicht wahr! Nein, Nein! Die Erscheinung ist Lug und Trug. Es kann nicht sein, dass sein Tod gekommen ist. Zur Erkundung wird er einen Boten zu seiner Tochter schicken. Dann ruft er mit laut schallender Stimme: „Erwache, mein ungehorsamer Diener. Erwache, Recke Sturmwind! Mach dich auf, ans Ende der Welt zu fliegen.“ Der Aufgescheuchte ist nicht unbedingt ein gehorsamer Diener seines Herrn. Er behauptet, er sei vor Langeweile und Nichtstun krank geworden. Der Zarewna übergibt der Zauberer den Schlüssel, damit sie den Keller aufschließe. Der freie glückliche Wind soll in die grenzenlose Freiheit fliegen und ihren Kummer über die ganze Welt verstreuen. Huh! In die Freiheit geht es. Der ungehorsame Bote möge einen Moment warten und keinen Unsinn heulen. Die Befehle seines Herrn soll er sich getreulich merken und seinen Dienst erfüllen. Das Schloss ist entriegelt und jetzt jagt er davon. Seine Kraft wird er nicht schonen. Das Ziel ist unbestimmt. O Weite und Ferne! Grenzenlose Freiheit! In die höchsten Höhen steigt er auf, rast und heult und erhebt die Stimme zu seinem Lied. Der rastlose Bote soll zu seiner Tochter fliegen, zur weisen Kaschtschejewna in das Reich im Norden, wo Mohn rot und Bilsenkraut hellviolett leuchten, wo die Wellen an das steile Ufer rollen. Zarewna jubelt: O glücklicher Wind, wenn er auf seinem Weg einem Recken begegnet, schöner als alle andere, dann soll er ihm ausrichten, dass Zarewna bei Kaschtschej in qualvoller Unfreiheit gefangen ist. Ihre Wangen sind bleich und die Augen trüb geworden von Tränen, die wie Bäche strömen. Recke Sturmwind feuert sich selbst an. Er will die Sonne verdunkeln, die Sichel des Mondes hinter den Wolken verbergen und Donnerpfeile auf den weiten Weg mitnehmen. Dicke Äste will er verbiegen und Kiefern und Fichten zu Spänen zerbrechen. Kaschtschej hat noch weitere Vorschläge. Er soll der Tochter sagen, dass der Vater ihr zürne, weil sie keine Nachricht von sich gibt, weil sie ihn nicht mit einem Spielzeug unterhält und undankbar ist. Recke Sturmwind hört nur halb hin. Er fühlt sich als Herr der Meere, der die Kämme der Wellen zu Dampf zerstäubt. Ihrem Helden soll der Sturmwind sagen, dass sie Tag und Nacht auf ihn warte. Kaschtschej ist besorgt, dass Recke Sturmwind bei den vielen Weisungen den Faden verliert. Er soll die Kaschtschejewna fragen, ob sie wie früher auch standhaft seinen Tod bewacht. Der Alte soll nicht besorgt sein, er wird es sich merken. Die Brandung des Meeres ist sein Lied. Ab geht es in die Freiheit. Zarewna denkt an das böse Spiegelchen. Dunkel waren ihre Augen und schrecklich der Blick der Unbekannten.

Kaschtschej führt ein Selbstgespräch, damit auch der Opernbesucher die rätselhaften Andeutungen versteht. Das Geheimnis der Natur hat er gelüftet. Die Gabe der Unsterblichkeit hat er entdeckt und in einer Träne der Kaschtschejewna hält er durch seine Zauberkraft den Tod versteckt. Das Herz der Schönen hat er mitleidlos gemacht. Die Jahre werden vergehen und die Träne wird nicht aus ihrem Auge fließen. Für immer ist der Tod in ihr verborgen. Allmächtig ist ihr Liebeszauber und im Zauberreich starben schon viele Recken, die seinen Tod gesucht hatten. Nun ruft er Zarewna in den Turm. Sie soll sich an das Kopfende seines Bettes setzen und ihn in den Schlaf singen. Doch Zarewna ist nicht geneigt und beschimpft den Alten. Die Dickköpfige wird von ganz allein in den Turm kommen. Mit seinem Stock zeichnet er einen magischen Kreis. Feinde sollen die magische Grenze nicht überschreiten, damit seine Ruhe nicht gestört wird. Schneeflocken sollen herunterkommen und der ungehorsamen Zarewna die Augen verkleben und der Wind die Zöpfe zerzausen. Luft zum Atmen soll sie auch nicht mehr bekommen.

Schneeflocken lassen sich bequem personifizieren. Weiße Wesen tanzen Ballett, während Zarewna in einen Pelz gehüllt auf dem Söller steht und zuschaut. Hinter den Kulissen summt ein Chor: „Schneesturm, weißes Schneegestöber, bestäube die Kiefer und die Fichte!“ Der Chor erzählt der Prinzessin, dass sie weiterhin schmachten wird. Für den greisen Kaschtschej gibt es keinen Tod. Der Schnee türmt sich zu Haufen. Die Flocken sollen singen, tanzen, sich drehen und spielen. Dann kündet der Chor etwas Trauriges. Der Held ist Kaschtschejewnas Schönheit verfallen. Der Königssohn Iwan hat Zarewna vergessen. Der schöne Bräutigam hat seine Liebste aus dem Blick verloren. Sie wird welken wie das Gras, das im Herbst dem Winter zum Opfer fallen wird. Der erste Frost kommt viel zu früh. Wacker soll er die rote Nase hochhalten. Er soll nicht laut und schallend anklopfen und auch nicht um Einlass in das hölzerne Haus bitten. Tummeln darf er sich auf dem Hof zur herbstlichen Zeit.

Zweites Bild:

Vater und Tochter haben getrennte Haushaltsführung. Die Immobilie liegt malerisch an felsiger Küste. Wenn die Wellen sich brechen, spritzt der Gischt hoch auf. Das unendliche blaue Meer wird nachts vom Mond beschienen. Stauden von flammendem Mohn und hellviolettem Bilsenkraut wachsen im gepflegten Vorgärtchen. Der Wohnturm trägt die Aura des Geheimnisvollen. Kaschtschejewna, mit einem Schwert umgürtet, hält eine Vase in den Händen. Sie tritt aus dem Turm und stellt fest, dass die Nacht angebrochen ist. Der Wind hat sich gelegt und duftende Finsternis hat sich ringsum ergossen. Die raubgierigen Wellen schlagen kraftvoll an die Klippen. Sie freuen sich auf den Leichenschmaus, der ihrer harrt. Die Stunde ist nah. Kaschtschejewna pflückt Blumen und stellt sie in den Pokal. Der Mohn soll in ihrer Brust das Feuer der Begierde entzünden, während das Bilsenkraut über die Kraft des Vergessens verfügt. Der Recke wird herbeigelockt, um den Tod Kaschtschejs zu suchen. Aber woher soll der Königssohn wissen, dass dieser sich in einer Träne der Kaschtschejewna versteckt hält? Zumindest bildet der Naive sich das ein. Gelingen wird es ihm nicht, denn in den Armen der Verführerin wird er vor Leidenschaft glühen und Vergessen finden. Aber zuerst muss er den Zaubertrank nehmen. Da die Essenz extrem schwach ist, hat er den ganzen Becher auszutrinken. Nun, der Trank ist bereitet; und jetzt muss vorsorgehalber das liebe Schwert noch einmal geschärft werden, damit der Kopf auch von den Schultern gehoben werden kann. Es fliegen die Funken. Jetzt ist das Schwert scharf und mächtig und dürstet nach dem Blut des Helden. Schöner Recke! Erfolglos ist dein Kampf! Das Los ist gefallen und das Schicksal bereitet.

Iwan ist nicht nur ein Königssohn, sondern er heißt in der Oper so mit Vor- und Zunamen. Scheinbar hat er sich verlaufen. Tiefe Nacht und der Weg führt nicht weiter. Wo ist er? Das kleine funkelnde Licht, welches ein Glühwürmchen verursacht haben könnte, hat ihn auf rätselhafte Weise durch den Wald hierher gelockt. Er sieht den schönen Wohnturm, hört nächtliches Vogelgeschrei und die Brandung der Wellen, die brausend an das hohe Ufer schlagen. Er führt ein Selbstgespräch. Die Nacht, die Wellen, die Blumen und die Sterne sollen ihn anhören. Er liebt seine Zarewna, voller Hoffnung im Herzen eilt er zu ihr. Er kennt keine Furcht! Er wird den Tod Kaschtschejs auslösen. Sein Herz weiß, dass die Stunde des ersehnten Wiedersehens mit Zarewna nahe ist.

Die Kaschtschejewna geht zu Iwan Korolewitsch. Beide sehen einander schweigend in die Augen. „Herzlich willkommen, lang ersehnter Gast“, eröffnet die Turmbesitzerin den Dialog. „Ist er schon lange unterwegs?“ Sie sieht, dass er müde von der Reise ist. Er möge sich auf die Gartenbank setzen. Ein kühles Getränk wird die Kräfte zurückbringen und dem Herzen das ersehnte Vergessen schenken. Artig bedankt sich Iwan bei der schönen Frau für die Liebenswürdigkeit. Die Kaschtschejewna sieht ihn durchdringend an und verzaubert ihn mit ihrer Schönheit. Er ist nicht imstande, ihrem Zauber zu widerstehen und spürt die narkotisierende Wirkung des Getränkes. Das geliebte Bild verblasst, trüb ist der Verstand. Alles Vergangene ist mit einem Schleier bedeckt. Der Geist hat sich in Nebel eingehüllt. Die Wangen leuchten rot wie Mohn und der Atem geht aus. Eine Welle glühender Leidenschaft ergreift ihn. Jetzt möchte er in den Abgrund ihrer schwarzen Augen sehen. Von schmachtender Unruhe hat ihn die Kraft des Cocktails erfüllt. Das Herz brennt vor süßer Seligkeit.

Das Liebesduett der Oper singt Iwan nicht mit seiner Zarewna, sondern mit der Tochter Kaschtschejs. In einem goldenen Boot auf dem Meer der süßen Träume wird sie eine Welle stürmischer Leidenschaft mit sich forttragen. Mit einem Kuss verschließt er die Lippen der wunderschönen Jungfrau. Sie macht keinen Versuch, sich aus seinen Armen loszureißen. Nun ist sie ganz sein. Sie umfasst ihn und ihre Blicke verschmelzen ineinander. Sie liebt ihn und möchte sich niemals von ihm trennen. Sie küsst ihn, bis er bewusstlos ins Gras sinkt. Nichts kann sie jemals wieder trennen. Ein süßes Sehnen hat sein Herz durchdrungen. In den Augen ist das Licht erloschen, die Kräfte schwinden und er schläft ein.

Nun hat die Stunde des schönen Recken geschlagen! Von seinem Leben soll er sich verabschieden. Im Vorgarten des Vaters wird einer Zaunlatte ein neuer Kopf aufgesetzt werden. Nachdem Kaschtschejewna ihrem Schwert Mut zugesprochen hat, holt sie zum Schlag aus. Aber das Herz ist nicht bereit, auszuführen was der Verstand diktiert. Wie schön er ist! Das Gesicht ist furchtlos und freundlich. Die Ausführung eines zweiten Schlages bleibt ebenfalls im Ansatz stecken. Recke Sturmwind nähert sich plötzlich und singt ein fröhliches Lied, von dem Iwan Königssohn erwacht. Dem stürmischen Gesellen hat seine Reise gefallen und er gibt Bericht. Dicke Äste hat er zu Boden gebrochen, Kiefern und Fichten zu Spänen zerbrochen. Als Sturm der Meere raste und jagte er dahin. Die Kämme der Wellen zerstob er zu Dampf. Iwan ist wieder zu sich gekommen. Ein kalter Wind blies ihm ins Gesicht. Der Verstand ist jetzt wieder klar. Die Brandung des Meeres ist des Sturmwindes Lied. Die Tochter Kaschtschejs sei gegrüßt. Der Vater schickt ihn her. Vorsorglich bittet er sich anständige Behandlung aus. Zur falschen Zeit kommt der unruhige Gast angeflogen! Was will er? Der Angeredete wiederholt die Botschaft, die ihm aufgetragen wurde. „Mit dem ziehenden Vogel und dem umherschweifenden Wind sende mir eine Nachricht von ihr. Denkt der wunderbare Bräutigam an seine Geliebte? Sehnt er sich nach ihr in der Zeit der Trennung?“ Die Kaschtschejewna merkt sofort, dass das nicht die Worte des Vaters gewesen sein können. Die Laute hat der ungestüme Geselle sich gemerkt, aber den Sinn nicht verstanden. Die Bedeutung der Worte zerreißt Iwan Korolewitsch das Herz. Er muss schnell zu ihr. Wütend wird der Dummkopf von Sturmwind gemaßregelt. Er soll sofort still sein. Was schwatzt er da für einen Unsinn? Was sprach der Vater über seine Gesundheit? Recke Sturmwind kann in seinem Kopf keine Ordnung schaffen. Unrast ist sein Antriebsmotor. Der Vater soll gesagt haben: „Herzliebster Bräutigam! Iwan Königssohn, ich vergehe vor Sehnsucht im Reich Kaschtschejs. Bleich sind meine Wangen und die Augen erloschen von den Tränen, die in endlosen Strömen fließen“. Wirr ist die Rede des leichtfertigen Boten. Er soll schweigen. „Zarewna, meine Braut, verzeih, Geliebte! Ich eile mit dem Wind zu Kaschtschej“ reflektiert Iwan. Nun erinnert sich der Schalk: Der Vater befahl ihm in Erfahrung zu bringen, ob seine Tochter wie früher seinen Tod bewacht. Zum Königssohn sagt der Sturmwind, dass Kaschtschej es nicht erwarten kann, seinen Kopf auf die Zaunlatte zu stecken. Nun, wenn sich das so verhält, dann soll er ihn doch zu Kaschtschej bringen. Als Transportmittel schafft der Sturmwind in aller Eile einen fliegenden Teppich herbei. Bald werden sie am Ziel sein. Fliegen, wie herrlich! Jedenfalls besser als zu Fuß laufen! Das Wiedersehen mit seiner Zarewna ist nahe. Die herzliebste Schöne wartet. Auf geht's!

Die Kaschtschejewna startet einen Umstimmungsversuch. Der Recke soll bleiben und die Zarewna vergessen. Der Zauber ihrer Schönheit ist machtlos. Wie betrüblich. Der dumme, leichtfertige Wind soll verflucht sein. Die Tochter Kaschtschejs muss erkennen, dass fauler Zauber nur vorübergehend Wirkung zeigt.

Drittes Bild:

Auch ohne ihren Prinzen ist die Zarewna nicht völlig schutzlos. Der alte Herr, bei dem sie kostenlos Mahlzeiten und Unterkunft bekommt, möchte nichts anderes, als dass sie ihm ihre Aufmerksamkeit schenkt und ein bisschen nett zu ihm ist. Aber das Mädchen möchte am liebsten rund um die Uhr von ihrem Prinzen geliebt werden und hat für nichts anderes Verständnis. In dem kleinen Wohnturm fällt doch auch Hausarbeit an, die sie verrichten könnte. Wie lange ist es her, dass die Schädel auf den Zaunlatten von Spinnengeweben befreit wurden. „Böses Wiegenlied der Zarewna“ heißt es formell im Libretto, wenn das Mädchen ansetzt, den Turmherrn psychisch unter Druck zu setzen.

Baju baj, greiser Kaschtschej!
Baju baj, unsterblicher Unhold!
Baju baj, Baju baj!
Möge dich, böser Zauberer,
der Hausgeist quälen und würgen!
Schlafe, schlaf ein und wach nicht mehr auf,
träume vom schrecklichen Tod!
Baju baj, greiser Kaschtschej!
Baju baj, unsterblicher Unhold!
Baju baj, Baju baj!
Möge dich bei meinen Tränen stets
die Gicht in den Gliedern reißen,
und du an deinem ganzen Körper
zittern und vertrocknen!
Baju baj, greiser Kaschtschej!
Baju baj, unsterblicher Unhold!
Baju baj, baju baj!
Schlafe, bleib liegen und steh nicht mehr auf!
Schlafe Zauberer, schlaf für immer ein,
der schreckliche Tod soll dich holen!

Recke Sturmwind und Iwan Korolewitsch erscheinen. Zur Begrüßung ist niemand zur Stelle. Offensichtlich schläft der unsterbliche Faulpelz. Ein bisschen will der Sturmwind noch in der Welt umherziehen. Die Zarewna schlummert jedenfalls nicht. Sie hat die Ankömmlinge gehört und die Wiedersehensfreude ist groß. Die Zeit der Trennung ist vorbei, der Geliebte ist bei ihr. Ihnen strahlt das Lied des Glücks. Seligkeit erfüllt das Herz. Zerstreut ist die Finsternis der furchtbaren Nacht, hell ist das Rot der Morgendämmerung. Dies war nur ein schlimmer Traum, die Zeit des Erwachens ist da. Ihre Stimmen klingen zusammen: „Die lange Zeit der Trennung ist vorüber, erneut erstrahlt das Licht des Glücks, Seligkeit erfüllt das Herz. Wieder sieht er den Glanz ihrer Augen, wieder sieht er das liebe Lächeln und ihre wunderschöne Stimme erklingt, erklingt ihm wie ein süßer Traum“. Die Worte gehen ihnen aus, und deshalb wird das vorangegangene mehrfach wiederholt.

Auf den Flügeln des Windes ist Iwan Korolewitsch herbeigeeilt, um sie zu befreien, Sie soll sich nicht fürchten. Den Tod Kaschtschejs hat er nicht gefunden. Aber sein Schwert wird ihm einen Weg bahnen. Vorwärts! Mutig voran! Die Kaschtschejewna ist den Spuren von Recke Sturmwind gefolgt. Nun versperrt sie den Liebenden den Weg. Der Recke soll einhalten. Vergeblich versucht er zu fliehen. Aus diesem Reich gibt es kein Entkommen, keine Rettung aus der Gefangenschaft. Zarewna hat Angst und will wissen, wer die fremde Frau ist. Die Tochter Kaschtschejs steht vor ihnen, klärt Iwan auf. Diese fordert den Königssohn gebieterisch auf, dass er die Zarewna verlassen soll. Ist sie nicht besser? Sind ihre Augen nicht schöner? Sind ihre Zöpfe nicht länger? Sind ihre Umarmungen nicht leidenschaftlicher? Nun verhält sich Iwan Korolewitsch sehr ungalant. Hat sie ihn nicht zur nächtlichen Stunde in ihren geheimnisvollen Garten gelockt? Hat sie ihm nicht einen Zaubertrank gegeben, damit er seine Braut vergisst? Seinem Herzen ist sie verhasst. Mit seinem Schwert wird er jetzt Rache nehmen an ihr. Sie soll sich mit ihm schlagen! Für einen edlen Ritter, der zuerst die Ehre und dann das Vergnügen hatte, eine merkwürdige Reaktion. Die Kaschtschejewna lässt sich nicht ohne weiteres abschütteln. Der geliebte Held soll bei ihr bleiben. Gemeinsam will sie mit ihm in ein herrliches Land fliegen. In ihren heißen Umarmungen wird der Recke glücklich sein. Der Zarewna wird sie kein Leid antun. Sie darf unbeschadet das Reich Kaschtschejs verlassen. Die Zarentochter ist mit dieser Lösung nicht einverstanden. Es gibt kein Glück und keine Freude mehr für sie, wenn sie auf ewig von dem Geliebten getrennt ist! Sie braucht die Freiheit nicht, nicht allein, sie wird den Liebsten nicht verlassen! Allein der Tod wird sie trennen! Kaschtschejs Stimme ertönt missmutig aus dem Turm: „Sie lärmt und lärmt, die nichtswürdige Zarewna. Keine Ruhe hat der alte Mann. Ihre Streiche ist er endlich leid.“ Der Alte erscheint in der Tür und nimmt auch die beiden Ankömmlinge wahr. Was hat das verrückte Mädchen nur im Kopf? Nun rügt der Ungehaltene auch die Tochter. „Bewacht sie auch aufmerksam seinen Feind, den Tod, welcher in ihrer Träne gefangen ist? Wehe ihr, wenn sie kullert!“ Die patzige Antwort erhält der Aufgebrachte auf der Stelle: „Was geht sie sein Tod an?“ Die geliebte Zarewna fürchtet den Tod nicht. Ein letztes Mal möchte sie den Prinzen anschauen und umarmen. Doch Iwan Königssohn glaubt nicht, dass der Tod so nah ist. „Die böse Macht ist es, die sterben muss“. Kaschtschej ahnt seinen Tod. Es verschlägt ihm den Atem, in den Knochen beginnt es zu reißen, und die Hände beginnen zu zittern. Alles hängt nun davon ab, dass die Kaschtschejewna nicht weich wird und aus Liebe eine Träne vergießt. All ihre Schönheit fesselte viele Recken. Er allein würdigt sie keines Blicks mehr. Weshalb hat dies unbekannte Gefühl sich so tief in ihre Seele geschlichen? Die Augen glühen, das Herz seufzt. Sie schmachtet, sie liebt, sie leidet!

Von Mitgefühl bewegt geht die Zarewna plötzlich auf die Kaschtschejewna zu, überwindet ihre Rivalität und küsst sie. Der emotional Angenommenen ist so süß und so weh ums Herz! Was geschieht mit ihr? Zum ersten Mal weinen ihre Augen! Wie der Tau die duftenden Blüten, beleben die Tränen ihr Herz. Die strahlende Zarewna soll wohl leben und der schöne prachtvolle Recke auch! Ewig wird sie lieben und ewig wird sie weinen! Die Kaschtschejewna nimmt Abschied und transformiert in eine wunderschöne Trauerweide. Um den Kaschtschej ist es nun geschehen. Er lamentiert noch ein bisschen und haucht sein ruchloses Leben aus. Zum krönenden Finale singt der Chor einen Hymnus auf die Freiheit, den Frühling und die Liebe.

Letzte Änderung am 30. Dezember 2016
Beitrag von Engelbert Hellen

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