Lebenslauf von Anny Roth-Dalbert

Bild von Anny Roth-Dalbert “Ich bin ein glücklicher Mensch.”
“Die Musik bringt einem Zufriedenheit und Zuversicht!”
“Ich habe mit Freude meine Begabung angenommen und erfüllt!”
“Das Notenschreiben kann man sich nicht abgewöhnen!”
“Wenn die Musik nicht wär’...!”
“Ich habe nie mit dem Komponieren aufgehört.”
“Vielleicht komponiere ich noch im Paradies.”

5 Monate vor ihrem 104ten Geburtstag verstarb die Schweizer Komponistin Anny Roth-Dalbert im rätoromanischen Scoul (Unterengadin). Beerdigt wurde sie am 21. Mai 2004 auf dem Friedhof Somplaz in St. Moritz.

Am 12. Oktober 1900 wurde sie in Bern als jüngstes von 5 Kindern geboren. Ihr Vater – ein Laienmusiker und Fabrikant – entdeckte und förderte schon früh ihr musikalisches Talent. ’Ich war ein verwöhntes Kind, das sich vor häuslichen Verpflichtungen gedrückt und nur der Musik gelebt hat’ (Zitat Anny Roth-Dalbert).

Ihr Patenonkel (Götti) war Theodor Tobler, den die Nachwelt noch heute mit der gleichnamigen Schokolade verbindet. Viele Familienmitglieder waren MusikerInnen, so auch Tante Minna, die u.a. mit Johannes Brahms in Baden Baden und Hamburg konzertierte.

Schon mit 16 Jahren schrieb die junge Anny nach katholischen Texten Lieder für Kinderchor und kam ein Jahr später 1917 ans Konservatorium in Zürich, wo sie die erste weibliche Studentin war. Sie erhielt dort Klavierunterricht bei Czeslaw Marek und Frederico Busoni. ‚Bei Marek habe ich den schönen Anschlag gelernt und Busoni hat mir die Gestaltung beigebracht’ (Zitat Anny Roth-Dalbert bei ihrem letzten Interview im Oktober 2003). Sie studierte außerdem noch Gesang, Kontrapunkt und Dirigieren.1924 heiratete sie den Dolmetscher Christian Dalbert, von dem sie die beiden Töchter Ursina und Annemarie bekam. Die Familie siedelte ins Engadin über. Nach ihrer Scheidung musste sie alleine den Unterhalt der Familie bestreiten und die beiden kleinen Töchter großziehen. Sie zog nach St. Moritz, wo sie lange Zeit als Organistin, Dirigentin und Klavierlehrerin tätig und auch am Aufbau der dortigen Musikschule wesentlich beteiligt war. Da sie selbst noch kein Klavier hatte, ging sie zum Unterrichten der 39 SchülerInnen zu diesen nach Hause, was sehr beschwerlich und mühsam war. Oft musste sie 4 AnfängerInnen gleichzeitig – begabte und unbegabte – zusammen unterrichten.(‚Von Einigen hoffte ich, dass sie aufhören mögen’, Zitat Anny Roth-Dalbert). Neben ihrer Unterrichtstätigkeit prägten noch zahlreiche anderen musikalischen Aktivitäten (Dirigentin mehrerer Chöre, Organistin und Pianistin) ihr Berufsleben. Nach einem der vielen Gottesdienste, die sie musikalisch gestaltet hatte, fragte sie ein interessierte Herr bezüglich des Zwischenspiels, das sie gespielt hatte, ob man die Noten kaufen könnte. Ihre Antwort lautete: ‚Das war von mir, das gibt es nicht auf Papier, das ist in meinem Kopf.’ Das Improvisieren war ihre große Begabung. ‚Marek gab uns 3 Töne und sagte, macht was daraus... Ich habe es gekonnt, die anderen nicht’ (Zitat Anny Roth-Dalbert). Oft war in dieser Zeit so wenig Geld da, dass sie noch zusätzlich als Aushilfskraft in einer Buchhandlung arbeite musste, um das Geld, das die dreiköpfige Familie zum Überleben brauchte, zu verdienen.1945 heiratete sie den Architekten und Schriftsteller Hermann Roth, den sie beim Vierhändigspielen kennen und lieben lernte. Zeitlebens unterstützte und förderte dieser ihr kompositorisches Schaffen.

Im September 1970 wurde ihr vom Gemeinderat St. Moritz der Ehrenbürgerstatus verliehen. 1985 bekam sie vom Kanton Graubünden den Anerkennungspreis. Anny Roth-Dalbert lebte bis zu ihrem 94ten Lebensjahr in St. Moritz und zog dann zu ihrer Tochter Ursina und deren Mann nach Sent. Im August 2000 wurde von Anny Roth-Dalbert die ‚Ode an das Engadin’ uraufgeführt, ein Auftragswerk des Schweizer Tonkünstlervereins. Ihren 100ten Geburtstag feierte sie in St. Moritz, wo ihr der erste Kulturpreis der Stadt überreicht wurde.

Im Oktober 2003 erlebte sie zum letzten Mal ein Konzert in Malans, in dem auch Werke von ihr gespielt wurden. An diesem Abend improvisierte Anny Roth-Dalbert das letzte Mal öffentlich.

In einem Fernsehinterview sagte sie: ’Es gibt sehr viele gute Komponisten, aber es gibt auch Komponisten, da denkt man, die haben mit dem Rechenschieber komponiert. Ich habe gerne moderne Musik, aber es muss etwas beinhalten! Nicht einfach nur, dass man etwas macht!’

Der Nachlass von Anny Roth-Dalbert wurde der Zentralbibliothek in Zürich übergeben.



Beitrag von Isolde Weiermüller-Backes
Letzte Änderung am 24. März 2011