Lebenslauf von Arthur Sullivan

Bild von Arthur Sullivan Die englische Operette von Gilbert und Sullivan - auch „Savoy-Oper“ genannt - unterscheidet sich von der französischen Offenbachiade durch einen völlig anders gearteten Stil. Während es Jacques Offenbach darum zu tun war, politische und gesellschaftliche Zustände seiner Zeit zu verulken, schossen Gilbert und Sullivan ihre Kanonenkugeln aus dem Winkel der Groteske. Ins Visier der beiden geriet alles, was eine Spitze bot. Es lag in der Natur des Antipoden Offenbach die frivolen Komponente, die sein zeitliches und geographisches Umfeld ihm zutrugen, in den Vordergrund zu stellen. Arthur Sullivan, vor allem sein Librettist Gilbert, setzten dagegen auf schwarzen Humor. Vierzehn Operetten schufen sie gemeinsam, die wegen ihrer Situationskomik und geschliffenen englischen Witz die musikalische Welt erheiterten. Der Impresario Richard D'Oyly Carte, dem das Savoy Theatre gehörte, hatte die beiden zusammengeführt, damit sie für ihn arbeiten sollten.

Das Zugpferd des humorvollen Gespanns war William Schwenck Gilbert (1836-1911), dessen Libretti bereits voll ausgearbeitet waren, bevor Sullivan auch nur eine Note komponierte. Der Erstgenannte setzte das Stück in Szene und bestimmte die Rollenverteilung. Deshalb kam es auch öfters zum Zerwürfnis, denn Gilbert wollte keine Zugeständnis machen, wenn Sullivan kompositionsspezifische Einwände vortrug. Schließlich kam es zum Bruch der Freundschaft, die keinem zum Vorteil gereichte und sich auf ihre weitere Karriere verhängnisvoll auswirkte, so dass der Choleriker am Ende wehklagte: „Ein Gilbert nützt nichts ohne einen Sullivan - und ich kann einfach keinen finden.“ Gemeinsam hatten sie mit ihren Stücken einen Wahnsinnserfolg, der ein Vermögen einbrachte. Von diesem Geld konnte Richard D'Oyly Carte das Savoy Theatre instandhalten, welches ausnahmslos auf die Stücke von Gilbert und Sullivan fixiert war. Arthur Sullivan machte des Freude, den Kontinent zu bereisen. Wenn er sich in Paris aufhielt, versäumte er nie, Rossini einen Besuch abzustatten. Mit der „Schwedischen Nachtigall“ Jenny Lind war er befreundet.

Immer wieder sei betont, dass es Gilbert war, der den Schwung in der Zusammenarbeit auslöste. Schon die Kindheit verlief turbulent. Als Zweijähriger wurde er von einer italienischen Straßenbande gekidnappt, die nett zu ihm war und ihn gegen Lösegeld wieder frei ließ. Das Ende seines Lebens beschloss er bei dem Versuch, eine Frau vor dem Ertrinken zu retten. Das Wasser war für den Retter zu kalt und er erlitt einen Herzinfarkt.

Der Lebenslauf des Aristokraten verlief dagegen ohne große Turbulenzen in gemäßigten Bahnen. Musikalisch vorbelastet durch den Vater, der eine Militärkapelle leitete und Klarinette spielte, begann der gebürtige Londoner irischer Abstammung als Chorknabe der Chapel Royal. Solistische Aufgaben waren keine Seltenheit. Im Jahre 1856 begann er ein ordentliches Studium an der Royal Academie of Music in London bei John Goss. Ein Stipendium veranlasste ihn, die Insel zu verlassen, um in Old Germany sein Studium fortzusetzen. In Leipzig nahmen Ignaz Moscheles und Carl Reinecke sich seiner an, unterwiesen ihn ihn im Orgel- und Klavierspiel und brachten ihm Dirigieren und Harmonielehre bei. Louis Spohr, dem eine seiner Kompositionen besonders gefiel, war ihm gewogen.

Nach Ende der Barockära herrschte an nationalen Komponisten - Händel war ja nur eine Leihgabe - eine große Flaute. Der Heimkehrer setzte den Anfang einer Kette, der sich Edvard Elgar, Frederick Delius, Ralph Vaughan-Williams und Gustav Holst als kostbare Perlen anfügten. Doch wenn man von Sidney Jones einmal absieht, blieb Sullivan in seiner Unnachahmlichkeit der Einzige, der sich der leichten Muse zuwandte und das nationale Bedürfnis erfüllte.

An Huldigungen fehlte es nicht. Im Jahr 1876 trug man ihm den Direktorposten am Royal College of Music an. Ehrendoktorwürden ließen nicht lange auf sich warten, es meldeten sich Cambridge und Oxford. Den Ritterschlag versetzte ihm 1883 Königin Victoria. Damit zog er sich die Missgunst von Parry und Stanford zu. Es harrte seiner eine neue ehrenvolle Aufgabe. Achtzehn Jahre lang leitete er das Musikfestival von Leeds. Der Unermüdliche übersprang die Schwelle ins zwanzigste Jahrhundert und konnte der neuen Zeit noch eine knappes Lebensjahr abtrotzen. Seine ewige Ruhe fand er in St. Paul's Cathedral. Eine wunderschöne Grabplatte ehrt sein Andenken.

Der Kernpunkt seines Schaffens bilden die 14 Savoy-Opern, deren Text und Inszenierung von William Gilbert stammten. Sullivan veredelte diese durch seine Musik und setzte dem dichterischen Schwung des Freundes die Krone auf. Hinter den Operetten verblassen die übrigen Kompositionen, die alle Gebiete der musikalischen Landschaft einschließen. Sie reichen von der Schauspielmusik zu Shakespeare-Dramen bis zu einer Ballettmusik über das historische England und alles was daneben und dazwischen liegt. Selbst die Oper „Ivanhoe“ konnte keine internationale Popularität erringen.

In der Gegenwart nimmt die weltbekannte Oper von Sydney sich des Lebenswerks der beiden Engländer an und hat bereits etliche ihrer Stücke inszeniert. Ihre extravaganten Operetten bilden eine eigene Welt im Bereich der Musikgeschichte, die eine Betrachtung wert ist. Den größeren Nutzen zieht der Zuschauer, welcher dem Sprachwitz folgen kann, doch dem unnachahmlichen Humor in Mimik und Gestik kann sich auch der Sprachunkundige nicht entziehen.



Engelbert Hellen
Letzte Änderung am 24. August 2009