Lebenslauf von Pauline Viardot-Garcia

Bild von Pauline Viardot-Garcia Pauline Viardot sah sich nicht als Berufskomponistin und war dennoch eine professionelle Komponistin. Als geborene Garcia stammte sie aus einer spanischen Sängerfamilie (Vater: Manuel Garcia père, Mutter: Joachina Sitches, Bruder: Manuel Garcia fils, Schwester: Maria Malibran) und inspirierte durch ihre Darstellungskunst nicht nur Komponisten wie z.B. Frédérick Chopin, Hector Berlioz, Giacomo Meyerbeer, Charles Gounod, Camille Saint-Saens, Franz Liszt, Richard Wagner und Robert Schumann, sondern komponierte auch mit an für sie geschriebenen Rollen, wie z.B. an der Rolle der Fidès im "Propheten" von Meyerbeer. Außerdem führte sie durch ihre ausgedehnte Lehrtätigkeit die Garcia-Methode fort. Ursprünglich als Pianistin (Lehrer: Meysenberg und Franz Liszt) und Komponistin (Lehrer: Anton Reicha) ausgebildet, musste sie nach dem frühen Tod der berühmten Schwester 1836 deren Nachfolgerin werden. Da der Vater bereits 1832 verstorben war, übernahm die Mutter ihren Unterricht. Bereits ein Jahr später, sie war noch keine 16, debütierte sie in Brüssel innerhalb eines Konzertes ihres Schwagers, des belgischen Geigers Charles de Bériot, und erregte durch ihren drei Oktaven umfassenden Stimmumfang und ihre musikalische Vielseitigkeit großes Aufsehen. Während ihrer ersten Konzerttournee, die sie und ihren Schwager 1838 durch Deutschland führte, trat sie mit eigenen Vokalkompositionen auf, zu denen sie sich selber am Klavier begleitete. In Leipzig lernte sie Clara Wieck-Schumann und Robert Schumann kennen. Schumann veröffentlichte eines ihrer Lieder in seiner Neuen Zeitschrift für Musik und widmete ihr später seinen Heine-Liederzyklus op. 24. Ihr Operndebüt gab sie wie ihre Schwester als Desdemona in Rossinis Otello zunächst in London (9. Mai 1839), dann in Paris (8. Oktober 1839) und trat ihr erstes Engagement am Théatre Italien in Paris an, wo sie ihre darstellerische Begabung in den unterschiedlichsten Rossini-Partien unter Beweis stellte. Alfred de Musset ("Sie singt, wie sie atmet"), George Sand, die sie zur Heldin ihres Romans Consuelo (1843) machte, und Hector Berlioz gehörten rasch zu ihren glühendsten Bewunderern. Direktor des théatre italien war der Schriftsteller Louis Viardot, den sie 1840 heiratete. Viardot, 21 Jahre älter als sie, gab seine Stellung auf und begleitete sie auf ihren Konzertreisen, die sie in den folgenden Jahren durch ganz Europa führten. Eine erste Tochter (Louise, geb. 1841) wurde von ihrer Mutter großgezogen. Wichtigste Auftrittsorte waren London, Berlin, Dresden, Wien, St. Petersburg, wo sie von 1843-1846 an der Oper engagiert war und den russischen Schriftsteller Ivan Turgenev kennenlernte. Turgenev verliebte sich in sie und lebte bis zu seinem Tode Tür an Tür mit dem Ehepaar Viardot. In St. Petersburg sang sie neben dem italienischen Repertoire auch Werke von Michael Iwanowitsch Glinka und Alexander Dargomyschsky auf Russisch.

In Paris trat sie selten auf, da sie als Frau von Louis Viardot, der Republikaner und erklärter Gegner Louis Napoléons war, immer wieder Anfeindungen ausgesetzt war. Dennoch war die Uraufführung von Meyerbeers "Propheten" (16. April 1849) und ihre Kreierung der Rolle der Fidès ein einzigartiger Triumph. Pauline Viardot sang die Fidès über 200 Mal auf allen großen europäischen Bühnen. Neben dieser Figur war es vor allem der Glucksche Orpheus, dem sie mit ihrer darstellerischen Kunst dramatische Wahrheit verlieh. Berlioz bearbeitete für sie die ursprünglich für einen Kastraten geschriebene Partie und gewann dadurch die in Vergessenheit geratene Oper der Bühne zurück (18. November 1859). Beethovens Fidelio, Glucks Alceste und Verdis Macbeth waren weitere Meilensteine auf dem Weg dieser Sängerdarstellerin.

1863, also mit 42 Jahren, zog sie sich von der Bühne zurück und verließ Frankreich aus politischen Gründen. Mit ihrem Mann, ihren drei jüngeren Kindern (Claudie, geb. 1852, Marianne, geb. 1854, Paul, geb. 1857) und Ivan Turgenev ließ sie sich in Baden-Baden nieder, unterrichtete Schülerinnen aus aller Welt und ließ sich in ihrem Garten eine Kunstgalerie und ein kleines Opernhaus bauen, wo sie mit ihren Schülerinnen und Kindern Konzerte gab und eigene Bühnenwerke vor der internationalen Baden-Badener Gesellschaft aufführte. Die Libretti schrieb Ivan Turgenev. Eines dieser Stücke Le dernier sorcier (1869) kam auch öffentlich in einer instrumentierten Fassung in Weimar (1869), in Riga und Karlsruhe (1870) zur Aufführung. In die Badener Zeit fällt auch die Uraufführung der Alt-Rhapsodie von Johannes Brahms (3. März 1870). Der deutsch-französische Krieg und der Sturz Napoléons III. brachte Pauline Viardot über London (Privataufführung Le dernier sorcier 11. Februar 1871) nach Paris zurück, wo sie bis zu ihrem Tode im Alter von 89 Jahren weiter unterrichtete und komponierte, vor allem sogenannte Salonoperetten u.a. Le conte de Fées (1879), Cendrillon (1904), und - bis zum Tode ihres Mannes und Turgenevs 1883 - in der Rue de Douai, dann am Boulevard St. Germain einen bedeutenden Musiksalon führte.

Basierend auf der Garcia-Methode gab sie eine eigene Gesangschule heraus, Une heure d'étude, eine Sammlung ausgewählter Lieder und Arien, école classique de chant, mit Kommentaren zur Phrasierung, Akzentuierung, Interpretationshinweisen etc. und eine kritische Ausgabe von 50 Schubert-Liedern. Neben ihren eigenen Kompositionen und Bearbeitungen sind diese Veröffentlichungen heute eine wichtige Quelle für die Aufführungspraxis des 19. Jahrhunderts.

"[...] sie ist die genialste Frau, die mir je vorgekommen." Dieser Meinung war nicht nur Clara Schumann. Viardots sängerisches und pianistisches Können, ihre Intelligenz, ihre selbst für damalige Maßstäbe außergewöhnliche musikalische Vielseitigkeit waren stets unbestritten. Sie sprach nicht nur fließend spanisch, französisch, italienisch, englisch, deutsch und russisch, sondern komponierte auch in verschiedenen nationalen Stilen. Ihre mehr als hundert Lieder und mélodies auf Texte u.a. von Musset, Turgenev, Puschkin, Gautier, Mörike und Goethe, wurden größtenteils zu Lebzeiten publiziert.

Fast noch berühmter als ihre eigenen Lieder wurden ihre Transkriptionen von 12 Mazurken von Chopin, die sie mit Gedichten von Louis Pomey unterlegte und sehr oft in Konzerten sang. Entsprechend bearbeitete sie auch Walzer von Franz Schubert und ungarische Tänze von Johannes Brahms.



[Quelle: Furore-Verlag (http://www.furore-verlag.de)]
Letzte Änderung am 6. Juni 2004