Lebenslauf von William Wallace

Bild von William Wallace William Wallace wurde am 3. Juli 1860 im schottischen Greenock, der Heimatstadt des Erfinders James Watt (1736-1800) und des Komponisten Hamish MacCunn (1868-1916), geboren. Sein Vater, James Wallace, war ein bekannter Chirurg - und das sollte sein Sohn William auch werden. Doch er wurde viel mehr als das: William Wallace war ein Dichter und Dramatiker, ein Doktor der Medizin, Magister der Chirurgie und Spezialist für Augenkrankheiten, ein Maler, ein Autor von Schriften über Musik und Musiker und er war nicht zuletzt ein äußerst begabter Komponist.

Sein Hang zur Kunst behagte seinem Vater, wie dies so oft der Fall ist, also nicht. Zunächst sah es auch nicht so aus, dass William Komponist werden sollte. Er war Schüler am Fettes College in Edinburgh, dann Student an der Universität Glasgow. Hier machte er 1885 seinen Bakkalaureus in Medizin sowie seinen Magister in Chirurgie. Er entwickelte sich also durchaus im Sinne seines Vaters. William studierte in den folgenden Jahren in Wien, Paris und Moorfields - nun war sein Fach die Augenheilkunde. Nachdem er aber 1888 den Grad des Doktors der Medizin erwarb, ging er nach London, um dort an der Royal Academy of Music zu studieren, was das Verhältnis zu seinem Vater noch verschlechtert haben dürfte. Nun ging William Wallace, er war zu dieser Zeit 28 Jahre alt, seinen eigenen Weg. Jedoch hielt er es auch an der Royal Academy of Music nur zwei Trimester lang aus, da der Konservativismus sich nicht mit seinen Vorstellungen deckte. Für Wallace war dies aber kein Grund zur Resignation. Er ging zum Selbststudium über und veröffentlichte ab 1893 zusammen mit Granville Bantock "The New Quarterly Musical Review", eine vierteljährlich erscheinende Zeitschrift, die leider nur drei Jahre lang erscheinen konnte. Genau wie Wallace kritisierte auch Bantock (der ebenfalls der Sohn eines schottischen Chirurgen war) einen Konservativismus, der neuen Entwicklungen in der Musik den Weg versperrte.

Trotz seines Engagements für die Musik, entwickelte sich Wallace nie zu einem einseitigen Menschen. Der erste Weltkrieg zwang ihn dazu, die Musik zurückzustellen. Er arbeitete in dieser Zeit fast ununterbrochen für das Ärztekorps des britischen Heeres. Dies muss ihn physisch und psychisch sehr beansprucht haben, denn er hat in den vier Kriegsjahren rund 19.000 Krankengeschichten über Patienten verfasst.

Man kann vermuten, dass seine Familie ihm die Kraft gab, auch nach den schrecklichen Erfahrungen, die einen jeder Krieg machen lässt, wieder zur Kunst zurückzufinden. Wallaces Frau, Ottilie Helen MacLaren, war selbst eine Künstlerin, die oft in der Royal Academy ihre Werke ausstellte. Sie war eine angesehene Bildhauerin, eine Schülerin Rodins. Wallace selbst wurde später Professor für Harmonie und Komposition an der Royal Academy of Music (nebenbei war er auch für die Bibliothek zuständig), u.z. zur selben Zeit als auch John Blackwood McEwen, ein weiterer Schotte, dort Rektor war.

William Wallace starb am 16. Dezember 1940 in Malmesbury. Er war ein bescheidener und gleichzeitig selbstbewusster Mann. Seine eigene Rolle in der Musikgeschichte beschrieb er wie folgt: "Und eines Tages wird meine Arbeit in der des Königs, der da kommt, vergessen. Aber trotzdem wird ein winzigkleines Stück von mir in seiner Arbeit leben, genau wie ich in meinen eigenen schwachen Wegen andere, die da vor mir waren, aufgesaugt habe, und das Gefühl hatte, daß wenn sie nicht gewesen wären, wo wäre ich dann?"

William Wallace war ein Schotte und ein Romantiker, zwei Attribute, die sich hervorragend ergänzen. Leidenschaft und Nachdenklichkeit, Stolz und Verzweiflung, Tradition und Revolution sind seine Themen. In seinen Symphonischen Gedichten, den ersten, die auf den britischen Inseln je entstanden, finden wir alle diese Merkmale. Wallace schrieb sechs Symphonische Gedichte ("Passing of Beatrice" [#1], "Amboss oder Hammer" [#2] (nach Goethe), "Sister Helen" [#3], "Greeting to the New Century" [#4], "Sir William Wallace" [#5] und "Villon" [#6]).

Neben diesen und seinen Symphonischen Gedichten sind vor allem die "Pelléas et Mélisande Suite" (sie wurde am 19.August 1900 unter der Leitung des Komponisten im New Brighton Tower uraufgeführt), "The Massacre of the McPhersons", "The Divine Surrender", die "4 Orchestral Suites" sowie die "Creation Symphony" zu nennen. Hierbei ist es interessant festzustellen, dass Wallaces "Pelléas et Mélisande Suite" sowohl vor Debussys gleichnamiger Oper [1902] als auch vor Sibelius' "Pelléas et Mélisande Suite" [1905] fertiggestellt und uraufgeführt wurde.

Mit der Komposition der "Creation Symphony" begann Wallace 1896. Wie der Titel schon sagt, beschreibt sie die Schöpfung der Welt. Sie beginnt mit der Beschreibung des Chaos und endet mit der Schöpfung des Menschen am sechsten Tage. Wallace selbst schrieb an Ottilie Helen MacLaren, seine spätere Frau: "Ich habe mit einer Sinfonie über die Schöpfung begonnen - erster Satz Chaos - nicht mit der Idee des Lärms, sondern tief, sehr mysteriös und seltsam - düster - dann kommt 'der Geist Gottes auf dem Wasser', die Evolution des Kosmos aus dem Chaos, dann erdenkt Gott den Menschen, nur angedeutet und erst vollkommen, wenn er im Satz des sechsten Tages auftaucht; und am Ende 'Es werde Licht' - sehr hohe strahlende Trompeten. Dieser Satz ist eine Skizze, und ich bin außer mir vor Freude!"



Dieses Zitat zeigt zwei Seiten von Wallaces Charakter. Da ist einerseits der logisch planende Wallace, der Systematiker - ein Charakterzug, der ihm in seinem Beruf als Arzt von Nutzen war. Andererseits spiegelt sich in diesem Zitat seine fast schon kindliche Begeisterungsfähigkeit, seine Kreativität, seine Offenheit für alles Neue. Das mag widersprüchlich erscheinen, doch letztendlich besteht Wallaces wahre Kunst darin, diesen Widerspruch aufzulösen.
Letzte Änderung am 1. Mai 2004