Johann Rudolf Zumsteeg (1760-1802)

Des Pfarrers Tochter von Taubenhain

Allgemeine Angaben zum Werk:

Titel: Des Pfarrers Tochter von Taubenhain
Entstehungszeit: 1796 ?
Besetzung: Singstimme und Klavier
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Erstdruck: Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1797 ?
Verlag: Mainz: Verlag B. Schott's Söhne, 1970
Bemerkung: Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts reagierte auf abweichendes moralisches Verhalten junger
Mädchen mit Abscheu, und die Justiz sanktionierte den Kriminalfall mit oft tödlicher Härte. Die Mädchen waren nicht immer schuld, wurden verführt oder standen unter dem Druck ihres Dienstherrn. Auf den Guthöfen mag es wegen des „Rechtes der ersten Nacht“ wesentlich milder zugegangen sein. Der Gutsherr hatte neben einigen ehelichen Nachkommen auch eine ganze Reihe „natürlicher“ Söhne und Töchter, die vielleicht nicht die gleichen Privilegien hatten, aber doch unbehelligt leben konnten. Die heutige Zeit kann mit Biedermeierkostümen und schmucken Fachwerkhäuschen die vielen Gretchen-Tragödien nicht in Einklang bringen und reagiert mit Entsetzen. Die Babyklappe war noch nicht erfunden.

Gottfried August Bürgers glasklare Sprache bringt das Geschehen in eine gedrängte dichterische Form von höchster Ausdruckskraft. Er steht über den Dingen und analysiert die Zustände verstehend aber schonungslos.

Text:

Textdichter: Gottfried August Bürger
Sprache: deutsch
Handlung: Der Pfarrer von Taubenhain hat eine schmucke Tochter, lieblich und fein, dazu noch unbescholten. Offenbar Mangelware, denn die jungen Burschen im heiratsfähigen Alter scheuen weite Wege nicht, um ihre Chancen zwecks dauerhafter Zweisamkeit zu überprüfen. Doch eigentlich steht Rosettchen der Sinn nach Höherem. Sie möchte in eine bessere Gesellschaftsklasse aufsteigen. Die Möglichkeit, Frau Gräfin im Schloss, welches vom jenseitigen Hügel auf das kleine Dorf herabblickt, zu werden, kann sie nicht grundsätzlich ausschließen. Dem Dummchen lacht das Herz, wenn der Junker in funkelnder Jägeruniform, das Hütchen mit der Eichelhäherfeder auf dem Kopf, vorbeireitet. Sein Interesse an der Pfarrerstochter scheint echt zu sein, denn auf Seidenpapier mit goldenen Kanten hat er ihr schon ein Brieflein geschrieben. Sein Bildnis, welches so hold von oben herablächelt hat er in einer Herzchen-Schachtel versteckt und einen diamantenbesetzten Ring beigefügt. Rosettchen ist hochgemut, sich selbst erachtet sie des Ritters wert, und die anderen Burschen aus den umliegenden Landen sollen sich zum Teufel scheren. Heimlich lässt der Junker von Falkenstein ihr die Botschaft übermitteln, er habe ein gut Wörtchen zu kosen mit ihr. Wie wäre es mit einem Stelldichein um Mitternacht? Sie soll sich mutig zeigen und sich nicht grausen. Im Weizenfeld hinter dem Garten, wo die Nachtigallenmännchen die Braut locken, möchte er sie treffen, aber sie soll ihn nicht warten lassen. Tatsächlich kommt er in Mantel und Kappe vermummt und schleicht so leise wie der Nebel umher. Bewaffnet ist er und Futter hat er dabei, um kläffende Hunde zu beschwichtigen. Rosettchen hatte sich an die Weisung gehalten, pünktlich zu sein.

Er wusste sein Wörtchen so traurig und süß
ins Ohr und ins Herz ihr zu girren.
Ach, liebender Glaube ist willig und zahm;
Er sparte kein Locken, die schüchterne Scham
zu seinem Gelüste zu kirren.

Er zog sie zur Laube so düster und still
von blühenden Bohnen umduftet.
Da pocht ihr das Herzchen!
Da schwoll ihr die Brust;
da wurde vom glühenden Hauche der Lust
die Unschuld zum Tode vergiftet.

Einige Zeit später verblühten auf duftendem Bohnenbeet die Blüten. Dem Mädchen wurde übel und weh und die rosigen Wangen bleichten zu Schnee. Die blühenden Bohnen hatten sich zu Schoten entwickelt, Erdbeeren und Kirschen schwollen rot an. Gottfried August Bürger erzählt nun, dass auch dem Mädchen das Brüstchen voll und das Röckchen enger wurde. Als der Herbstwind über die Flur strich und die Ernte eingefahren wurde, fing es in ihrem Bäuchlein an, sich zu regen und zu strecken. Rosettchen konnte ihren Zustand nicht länger verstecken.

Der Vater ist ein harter und zorniger Mann, dazu noch Theologe mit hohen moralischen Ansprüchen.

Er schlang ihr fliegendes Haar um die Faust;
er hieb sie mit knotigen Riemen.
Er hieb, das schallte so schrecklich und laut,
er hieb ihr die samtene Lilienhaut
voll schwellender blutiger Striemen.

Dann weist er die Tochter aus dem Haus und sagt ihr, sie soll nach dem Mann Ausschau halten, von dem sie das Kind hat. Er stieß sie hinaus bei finsterer Nacht, bei eisigem Regen und Wind. Rosettchen klimmt am dornigen Felsen empor bis an Falkensteins Tor, um dem Liebsten ihr Leid zu verkünden. Sie findet es nicht gut, dass er sie zur Mutter gemacht hat, aber die festliche Hochzeit auf sich warten lässt. Der Vater hat sie verdroschen und mit Jammer und Hohn trägt sie nun schmerzlichen Lohn am zerschundenen Leibe. Sie wirft sich dem Liebsten an den Hals und schluchzt. Nun soll er wieder gutmachen, was er ihr Übles angetan hat. So wie er sie in Schande gebracht, soll er sie auch wieder zu Ehren bringen. Das arme Närrchen tut ihm so leid. Sie soll sich jetzt erst einmal beruhigen und hier bei ihm ihre Niederkunft abwarten. Den Alten, der sie geschunden hat, wird er sich vorknöpfen und alles Weitere wird man dann besprechen. Eigentlich reagiert der Junker anständig, aber Rosettchen stellt Ansprüche! Von Schadensbegrenzung will sie nichts wissen! Pflege und Ruh’ bringt sie nicht wieder zu Ehren. Der Braut hat er ewige Liebe geschworen. Vor Priester und Zeugen soll er vor dem Altar den Schwur laut wiederholen!

Ho Närrchen, so habe ich es nimmer gemeint,
wie kann ich zum Weibe dich nehmen?
Ich bin ja entsprossen aus adligem Blut.
Nur Gleiches zu Gleichem gesellt sich gut;
Sonst müsste mein Stamm sich ja schämen.

Der Junker von Falkenstein macht einen brauchbaren Alternativvorschlag. Sein Liebchen wird sie immer bleiben. Er hat einen wackeren Jägersmann, zum Ehebunde mit Rosettchen ließe er sich bewegen. Allerdings würde ihn das eine Stange Geld kosten. Aber sie beide könnten es dann auch ferner noch treiben. Rosettchen entrüstet sich und wünscht ihm nichts Gutes. Das Blättchen soll sich schrecklich wenden. Er mag ein adeliges Weib nur nehmen. Sie würde ihm gönnen, dass der niedrigste seiner Knechte das adelige Bett schänden wird. Dann kann er selbst fühlen wie es ist, wenn man an Ehre und Glück verzweifelt. Die schändliche Stirn soll er gegen die Mauer stoßen und sich eine Kugel fluchend ins Hirn jagen und dann zum Teufel fahren.

Das Mädchen rennt verzweifelt davon. Wohin soll Rosette sich wenden? Zur heimatlichen Gartenlaube, in der alles begann, führt sie ihr Schritt. Ihre Stunde ist gekommen.

Es wand sich ein Knäblein ihr weinend vom Schoß
bei wildem unsäglichen Schmerze.
Und als das Knäblein geboren war,
da riss sie die silberne Nadel vom Haar
und stieß sie dem Knaben ins Herze.

Nach vollendeter Tat wird der Kindesmörderin bewusst, was sie gemacht hat. Mit den Händen schaufelt sie ein kleines Grab. Da ruht nun das arme Knäblein in Gott, geborgen auf immer vor Elend und Spott.

Da ist das Flämmchen am Unkenteich,
es flimmert und flammert so traurig.
Da ist das Plätzchen, da wächst kein Gras;
Das wird vom Tau und vom Regen nicht nass.
Da wehen die Lüftchen so schaurig.

Zum Schluss erwähnt der Balladendichter, dass Rosette von der Justiz für ihre Tat gerädert wurde.
Letzte Änderung am 14. April 2010
Beitrag von Engelbert Hellen

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