Lebenslauf von Michael William Balfe

Bild von Michael William Balfe Der Sohn des Ballettmeisters William Balfe (1782-1823) zeigte schon frühzeitig musikalische Fähigkeiten. Schon im Alter von fünf Jahren erhielt er Violinunterricht und trat bereits im Jahre 1917 in Dublin in den "Rundhauskonzerträumen" öffentlich auf.

Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1823 übersiedelte Michael William zunächst nach London, um dort am Musikleben teilzunehmen. Am 19. März 1823 gab er sein Debüt als Geiger. Der Erfolg war mäßig, aber er konnte die Jugend mitreißen. Der Impresario der Veranstaltung war der französische Harfenist Nicholas Charles Bochsa (1789-1856). Die Chronik vermeldet, dass der Entertainer in Norwich unter der Leitung seines Landsmannes Tom Cooke (1782-1848) in Webers Freischütz gesungen haben soll.

Zu jener Zeit war Paris das Reiseziel junger Talente. Er lernte Fernando Paër (1771-1839) kennen und wurde von Luigi Cherubini (1760-1842) in die Pariser Gesellschaft eingeführt.

Kurzer Aufenthalt in Italien. Er studierte bei Filippo Galli (1783-1853) Gesang und bei Vincenzo Federici (1764-1827) Harmonie und Kontrapunkt. Zurück in Paris gewann er das musikalische und persönliche Interesse von Gioacchino Rossini (1792-1868), der ihn unter seine Fittiche nahm. Balfe erhielt Engagements im Téàtro Italien und sang hier auch den "Barbier" im Duett mit Henriette Sonntag.

Bald zog es ihn wieder nach Italien. Als Bariton hatte er sich bereits einen Namen gemacht. In Mailand lernte er Giuditta Pasta (1797-1865) kennen und sang mit ihr in einem Konzert, welches vom Kleingärtnerverein Mailand gefördert wurde.

Den großen Durchbruch erlebte er in Bologna, wo Michael William von seinem Freund Gioacchino Rossini, wenn er dort weilte, als Gast zum Essen eingeladen war.

Ein leuchtender Stern ging zu jener Zeit am Opernhimmel auf: Giulia Grisi. Sie 18 Jahre alt, er 21 fanden sofort Sympathie füreinander. Diese Freundschaft dauerte ein Leben lang - bis zum tragischen Tod der großen Sängerin im Jahre 1868 in Berlin. Zuvor hatte sie zahlreiche Bühnenwerke aller namhaften italienischen Komponisten aus der Taufe gehoben.

In Bologna begann auch Balfes Karriere als Komponist, zunächst eine Sinfonie (1829) und dann eine Kantate für die Grisi. Die Accademia Filharmonica di Bologna hatte sein Talent erkannt und machte "Michele Guglielmo Balfe, di Dublino" zu ihrem Ehrenmitglied.

Ein kleiner Zwischenaufenthalt in Sizilien. Im Tetro Carolino musste eine vertragliche Verpflichtung erfüllt werden. In Bellinis "La Straniera" war Guglielmo die Partie des Valdenburgo anvertraut worden.

Seine eigene erste Oper "I Rivale di Stessi" (Die zerstrittenen Rivalen) wurde 1830 in Palermo uraufgeführt. Es folgten zwei weitere Opern: "Un Avvertimento di Gelosi" (Eine Warnung an die Eifersüchtigen) 1831 in Pavia und "Enrico IV passo della Marne" (Heinrich der VI überquert die Marne) 1833 in Mailand.

Im Jahre 1831 heiratete Michael William Balfe in Bergamo die ungarische Sängerin österreichischer Abstammung Lina Roser. Der Ehe entstammen zwei Söhne und zwei Töchter. Der Erstgeborene starb bereits im Kindesalter, und die jüngste Tochter Viktoria startete eine erfolgreiche Karriere als Sängerin.

Zu dieser Zeit warfen die großen Favoriten der Epoche - Gaetano Donizetti, Vincenzo Bellini, Giuseppe Saverio Mercadante und Giovanni Pacini - vertraglichen Verpflichtungen gehorchend ihre Werke wie Fallobst auf den Markt. In das Kollektiv prominenter Gesangstars am Himmel der Musik war Lina Roser-Balfe mit eingebunden. Der Terminkalender führten Mann und Frau an alle musikalischen Plätze Italiens.

Maria Felicia Garcia Malibran war neben der Grisi eine weitere beste Freundin im bewegten Leben des Komponisten. Ein historisches Theaterplakat der Mailänder Skala bezeugt, dass Guglielmo Balfe und Maria Malibran im Rossini-Otello aufeinandertrafen. In Venedig war er erneut Partner von der Malibran in Bellinis "La Sonnambula", wo er die Partie des Rodolfo sang. Anerkennend nannte sie ihn den "Englischen Rossini".

Nun, Vorschusslorbeeren verpflichten! Es war Zeit, seiner angestammten Heimat einen Besuch abzustatten. Seine vierte Oper "The Siege of Rochelle" (Die Belagerung von Rochelle) bildete den Grundstein englischen Opernschaffens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Premiere am Theatre Royal Drury Lane am 27.10.1835 war ein großer Erfolg, der sich kurz darauf am 27.05.1836 mit "The Maid of Artois" (Das Mädchen von Artois) am gleichen Theater wiederholte. Es handelt sich um die erste Verarbeitung des Prevost-Romans Manon Lescaut, der später die Vertonungen von François Auber (1782-1871), Jules Massenet (1842-1912), Giacomo Puccini (1858-1924) und Hans Werner Henze (Boulevard Solitude) folgen sollten.

Eine Ehrung ganz besonderer Art wartete auf den Heimkehrer. Er durfte die Krönungsmusik für Königin Victoria und Prinz Albert komponieren. Das Volk war begeistert, die Majestäten waren es ebenfalls.

Nun komponierte Balfe eine Oper nach der anderen, darunter eine "Johanna von Orleans" und eine "Verschleierte Dame". Der große Wurf war dann im Jahre 1938 der "Falstaff", welcher auf dem Shakespeare-Drama "Die lustigen Weiber von Windsor" basiert und später auch von Antonio Salieri (1750-1825), Giuseppe Verdi (1813-1901), Otto Nicolai (1810-1849) und Ralph Vaughan Williams (1872-1958) vertont wurde. Luigi Lablache kreierte die Titelrolle und die Grisi, Herr Rubini und Herr Tamburini waren mit von der Partie; schon deshalb stellte der Erfolg sich zwangsläufig ein.

Zu den Primadonnen, die Balfes Werke aufführten, gehörte Pauline Viardot-Garcia, Adele Crescini, Fanny Salvini-Donatelli, Marietta Piccolomini und, nicht zu vergessen, die erste große Sängerin Irlands, Catherine Hayes.

Eine Oper "Ildegonda nel Carcere" (Hildegunde im Kerker) sucht der Interessierte im Opernverzeichnis Balfes vergebens! Es ist das Opus seines Freundes Marco Aurelio Marliani, für das Balfe eine Einlage komponierte, weil die Altistin Adele Crescini sich über fehlende Bravourarien beklagt hatte. Nun, Guglielmo war galant und schuf Abhilfe. "Sventurata Ildegonda" musste nicht länger unglücklich sein!

Nach 16-jähriger Abwesenheit kehrte der verlorene Sohn in seine Heimat Irland zurück. Es gab einen Galaempfang im "Morrison's Hotel" in der Dawson Street in Dublin. Aufgetragen wurde für etwa einhundert handverlesene Gäste aus Wirtschaft und Politik. Balfe, nun nicht mehr Guglielmo, sondern wieder Michael William, trug mit einem Recital aus eigenen Opern zur festlichen Stimmung bei.

Die Queen war interessiert, einen festen Opernbetrieb in London zu etablieren und versuchte den erfolgreichen Balfe als Theatermanager für die Position eines Impresarios zu begeistern. Der Entertainer war angehalten, neue Opern zu komponieren, tat aber nichts. Nach sechs Monaten war der Verein vom Konkurs bedroht, ein Schicksal, welches auch dem Komponisten Giuseppe Persiani (1799-1869) widerfuhr. Management war nichts für ihn; er kehrte zurück nach Paris und komponierte dort im Jahre 1843 die komische Oper "Le Puits d'Amour" (Die Brunnen der Liebe), von der er im gleichen Jahre auch eine englische Version unter dem Titel "Geraldine, The Lovers Well" schuf.

Am 27. November 1843 fand im Theatre Royal Drury Lane die Premiere jener Oper statt, die bis heute in den Opernführern der Welt Balfes Nachruhm begründet. "The Bohemian Girl" lautet der englische Titel, die deutsche Übersetzung "Die Zigeunerin" oder "Das Zigeunermädchen", die italiensiche Version: "La Zingara", die französische "La Bohemienne". Es erzählt die Liebesgeschichte eines polnischen Adeligen zu einem Mädchen, das als Kind von Zigeunern geraubt wurde. Wegen einer Diebstahlsangelegenheit muss die Verdächtigte vor Gericht und der Gouverneur von Pressburg erkennt in der Diebin seine verloren geglaubte Tochter wieder. In heutiger Zeit kaum zu fassen, dass ein derart simples Thema eine solche Resonanz auslösen konnte. Die Oper eilte um die Welt, insbesondere im englischsprachigen Raum war der Erfolg sensationell. 1844 in New York, Dublin, Philadelphia, 1845 in Madrid, 1846 in Sidney und Wien (deutschsprachig), 1847 in Prag, Stockholm 1849, in Berlin 1850. In einem Zeitraum von vierzig Jahren folgten die Opernhäuser von Triest, Brescia, Bologna, Verona, Zürich, Amsterdam, Rouen, Gothenburg, Paris, Totonto, Mexico, Wellington, Kapstadt usw. Die Erfolgssträhne der "Multi-Lingua-Oper" nahm kein Ende.

Eigens für Paris komponierte Balfe die Oper "Étoile de Seville" (Der Stern von Sevilla). Es folgten 15 Aufführungen nacheinander. Es sangen die Damen Rosine Stoltz und Maria Nau. In der Eröffnungsnacht war Giacomo Meyerbeer (1791-1864), der zu der Zeit erfolgreichste Komponist, in der Metropole zugegen. Frédéric Chopin (1810-1849) notierte das Ereignis in seinen Schriften. Für Wien wurde eine deutschsprachige Fassung hergestellt.

Ab 1846-1852 war Balfe erster Dirigent an der Italian Opera Ihrer Majestät und der Maestro leitete die englischen Premieren ausländischer Komponisten, insbesondere wenn die "Schwedische Nachtigall" Jenny Lind (1820-1887) auftrat. Zu Premieren in London gehörten "Nabucco" und "I Masniaderi" und einige andere; Giuseppe Verdi war zugegen.

Nach dem "Stern von Sevilla" komponierte der Vielschreiber in den nächsten 30 Jahren noch 15 weitere Opern, hauptsächlich in englischer Sprache, darunter: "Der Waffenschmied", "Die sizilianische Braut", "Der Teufel steckt drin", "Santanella", "Der Galan von Nantes", "Die Rose von Kastilien", "Die Tochter des Puritaners"“ und "Blanche de Nevers". Seine letzte Oper "Il Talismano" konnte er nicht mehr vollenden. Sein Freund Michael Costa besorgte die Fertigstellung und kümmerte sich um die Aufführung. Befreundet war Balfe mit dem weitaus jüngeren James Joyce, der ihn in seinen Schriften ehrte.

Am Theatre Royal Drury Lane in London steht seit 1874 zur Erinnerung an den ersten großen irischen Komponisten der Musikgeschichte in einer Rotunde die lebensgroße Marmor-Statue von Michael Wilhelm Balfe.

Bekannt ist auch das Medaillon-Portrait im Westminster-Abbey, welches seit dem Jahre 1882 die Besucher an den Schöpfer der ersten englischsprachigen Opern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erinnert. In der St. Patrick's Cathedral of Dublin zeugt ein Glasfenster von Irlands berühmten Sohn.



Beitrag von Engelbert Hellen
Letzte Änderung am 1. August 2005