Lebenslauf von Harald Banter

Bild von Harald Banter Als Sohn des künstlerischen Leiters der Schallplattenfirma Lindström-Odeon in Berlin 1930 geboren, war Gerd von Wysocki, denn so lautet sein Geburtsname, die Musik quasi mit in die Wiege gelegt worden. Zunächst durch die musikalische Mutter, wie er in seiner Autobiografie Ton-Folgen – Ein Leben mit richtigen und falschen Noten – beschreibt:

"Und Abend für Abend lauschte ich der glockenreinen, warmen Stimme meiner Mutter, die mich nach dem Nachtgebet an meinem Bett mit den schönsten Abendliedern in den Schlaf sang."

Durch die musikalische Tätigkeit seines Vaters durfte er bereits als kleiner Junge weltberühmte Sänger und Sängerinnen während ihrer Plattenaufnahmen beobachten, wie zum Beispiel die Tenöre Richard Tauber und Jan Kiepura oder die Sopranistinnen Lotte Lehmann und Marthe Eggerth. Die auch als Filmstars berühmten Sänger hatte das Verhandlungsgeschick Georg von Wysockis mit Exklusiv-Verträgen an die Firma Lindström-Odeon gebunden.

Durch die fast alltägliche Berührung mit Musik und interessanten Künstlern war schon frühzeitig im jungen Gerd von Wysocki der Wunsch entstanden, selbst Musiker zu werden. Seit seinem 6. Lebensjahr erhielt er Klavierunterricht und gleich nach Kriegsende, 1946, begann er die Ausbildung zum Tonmeister beim Berliner Rundfunk in der Charlottenburger Masurenallee, dem heutigen RBB. Parallel dazu erhielt er Kompositionsunterricht bei dem Filmkomponisten Georg Haentzschel, berühmt unter anderem durch den Hans-Albers-Film Münchhausen.

Berlin war damals in vier Besatzungssektoren aufgeteilt, und die Tatsache, dass die sowjetische Militäradministration den Rundfunksender Masurenallee im britischen Sektor auf ihre recht eigene, diktatorische Art verwaltete, veranlasste Gerd von Wysocki 1950, seine Geburtsstadt zu verlassen. Im selben Jahr begann er sein später so facettenreiches Berufsleben als Programmgestalter beim damaligen NWDR in der ältesten deutschen Stadtmetropole, in der Domstadt Köln.

Doch bald befriedigte ihn diese Arbeit allein nicht mehr. Das eine Veränderung seiner gerade erst begonnenen Laufbahn auslösende Hörerlebnis beschreibt von Wysocki im Folgenden:

"Es war eine Sendung mit dem damals noch einigermaßen unbekannten, später weltberühmten Georg Shearing Quintett. Der bis dahin nie gehörte, legendäre Sound aus Block-Akkorden von Vibraphon, Klavier und elektrischer Gitarre riss mich derart mit, dass die Begeisterung ausschlaggebend für meinen ganzen weiteren beruflichen Werdegang werden sollte. ... Der Gedanke, so etwas auch machen zu wollen, ließ mir fortan keine Ruhe, und ich beschloss: Ich gründe ein Ensemble!" In den frühen 50er Jahren entstand nach einigen Besetzungsexperimenten das Harald Banter-Ensemble als eine Small-Bigband mit zum Teil damals in Deutschland noch jazzfremden Instrumenten wie Waldhorn, Fagott und Flöte. Die Namensmetamorphose des blutjungen Bandleaders Gerd von Wysocki in Harald Banter erklärt sich nicht nur aus der gelegentlichen Verwechslung mit dem immer noch musikalisch aktiven Vater, sondern eher mit der schwierigen Aussprache des aus dem Polnischen stammenden Namen Wysocki, sprich Wiesotzki.

"Ich blätterte in einem englischen Wörterbuch und stieß auf banter = Spielastik, to banter = spielen, tänzeln – das Wort gefiel mir. Der Vorname musste dazu phonetisch passen, möglichst also mit dem Vokal a. Auf Harald zu kommen war nicht schwer. Harald Banter war geboren."

Nach einiger Zeit nannte sich das noch taufrischen Harald Banter-Ensemble Media Band, und der NWDR-Köln emanzipierte sich bald darauf zum Westdeutschen Rundfunk Köln, der finanzstärksten Medienanstalt der Bundesrepublik bis heute.

Dort war Harald Banters Media-Band mit festen Sendeplätzen installiert und spielte bald in der rheinischen Jazzszene eine wesentliche Rolle. 1956 fand in dem ausschließlich auf klassische Konzerte ausgerichteten Kölner Gürzenich-Saal das erste Jazzkonzert statt, konservative Kreise hatten diese Veranstaltung nicht verhindern können. Es wurde ein großer Erfolg, die Media-Band mit ihrem Gastsolisten Albert Mangelsdorff von der Presse heftig umjubelt und – in liebenswerter rheinischer Übertreibung – Parallelen zu dem berühmten Carnegie Hall Konzert Benny Goodmans 1938 in New York gezogen.

Im selben Jahr brachte die Media-Band bei der Woche der Leichten Musik in Stuttgart gemeinsam mit dem Modern Jazz-Quartett die Gunther Schuller 12-Ton-Partitur Twelve by eleven unter dem Dirigat von Harald Banter erfolgreich zur Uraufführung. Ein Jahr später fand die Uraufführung des Henze-Balletts Marathona di danza mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester und der Media Band unter der Leitung von Hans Rosbaud im Großen Sendesaal des Kölner Funkhauses statt. Die Jazzparts dieser Komposition hatte nach den Vorgaben Hans Werner Henzes Harald Banter geschrieben. Die Presse urteilte: " ... eine farbige, gestisch wirksame Musik, deren spontaner Publikumserfolg die virtuosen Combo-Künste der Harald-Banter-Band entschieden".

Als so genannter fester, freier Mitarbeiter war Harald Banter an den WDR gebunden, später schließlich auch als Festangestellter, alles in allem fast fünf Jahrzehnte lang. 1974 erhielt er seine Ernennung zum Leiter der Programmgruppe Unterhaltende Musik und zum stellvertretenden Programmbereichsleiter Musik beim WDR. So wurden der Collage seiner Berufe immer mal wieder neue hinzugefügt: zum Tonmeister, Programmgestalter, Bandleader, Komponisten und Bearbeiter kam jetzt noch der Produzent und später auch der Hochschuldozent, Honorarprofessor und Buchautor hinzu.

Zwischen all diesen Tätigkeiten gelang es dem Komponisten Harald Banter, trotz der dominanten und zeitintensiven Rundfunkarbeit, immer wieder mit eigenen neuen Werken auf sich aufmerksam zu machen. Als Kompositionsschüler von Bernd Alois Zimmermann hatte er neben der damals als avantgardistisch geltenden Zwölftontechnik auch die größeren Formenzusammenhänge der zeitgenössischen Musik studiert. Die Früchte dieser Arbeit zeigten sich dann bereits 1958 bei der Uraufführung seiner Kantate 58 im Kölner Gürzenich, ebenso bei der Balletturaufführung Diana Sorpresa im Münchener Gärtnerplatztheater.

1960 wurde Harald Banter die Leitung einer Jazzklasse am Duisburger Konservatorium anvertraut. Im selben Jahr nahm er an den Internationalen Meisterkursen für Komposition auf Schloss Brühl bei Bonn unter der Leitung von Hans Werner Henze teil. Die Media-Band erhielt inzwischen einen festen Produktionsvertrag beim WDR, u.a. auch für Schulmusik, Hörspiele und Fernsehfilme, wo das Kompositionstalent ihres jugendlichen Leiters ebenfalls gefordert wurde.

Harald Banters ehrenamtliche Tätigkeit bei der GEMA begann 1962, zunächst als Mitglied der Bearbeiter-Schätzungskommission. Aber bereits 1965 wählten ihn die Mitglieder bei der Jahreshauptversammlung in den GEMA-Aufsichtsrat, gleichzeitig wurde er Mitglied des Programm-Ausschusses und Vorsitzender der GEMA-Verteilungsplan-Kommission. 1972 schließlich erhielt er einen Sitz im Vorstand des Deutschen Komponistenverbandes, der im Jahr 2004 von einer überwältigenden Mehrheit der Mitglieder erneut bestätigt wurde.

Banters Komposition Prolog 2000 führte das Kölner Gürzenich-Orchester unter Wolfgang von der Nahmers Leitung 1972 erstmalig auf. Der Kompositionsauftrag hierfür war zum 100-jährigen Jubiläum des TÜV-Rheinland vergeben worden, dessen Festvortrag das Thema "Mensch und Technik im Jahr 2000" hatte. Für sein Werk kombinierte Banter themengerecht eine Synthese aus traditionellen Orchesterfarben (Mensch) und elektronischen Klängen und Geräuschen (Technik).

Letztere wurden mit einem Sinusgenerator erzeugt – Synthesizer gab es noch nicht und das Ergebnis wurde als Zuspielband bei der Aufführung mit dem Orchester synchronisiert. Das eher traditionell eingestimmte Gürzenich Publikum nahm diese gelegentlich an Stockhausen gemahnenden Klänge mit Wohlwollen auf.

1977 berief die Kölner Musikhochschule Harald Banter als Lehrbeauftragten für das Fach Komposition und Arrangement-Jazz, sowie für das Seminar Musikmarkt-Analyse. Außerdem arbeitete Banter weiterhin als Produzent und Dirigent beim WDR. Einige seiner Produktionen erreichten als CDs den öffentlichen Markt, wie z.B. die Werke Kurt Weills oder die Wiederentdeckungen verschollener Operetten von Franz von Suppé, Johann Strauß jun., Millöcker und Offenbach. Aber auch öffentliche Konzerte mit Portraits großer deutscher Komponisten zum Teil mit musik-dramatischen Werken der Gegenwart wurden veranstaltet, z.B. mit Hans Werner Henze, B. A. Zimmermann und Paul Hindemith. Als Kontrast dazu bekamen dann die hierfür dankbaren Hörer und Zuschauer ein Konzert mit den drei großen deutschen Filmkomponisten Michael Jary, Werner Eisbrenner und Norbert Schultze geboten. Die drei Meister brillierten an drei Flügeln mit ihren populären Tonfilm-Schlagererfolgen, begleitet vom großen WDR-Unterhaltungsorchester unter der Leitung von Georg Haentzschel, Banters erstem Kompositionslehrer. Der Komponist Harald Banter trat natürlich weiterhin regelmäßig mit eigenen Werken an die Öffentlichkeit, so 1980 mit der Uraufführung seines Konzert für Sopransaxophon und Jazzorchester und ein Jahr später mit den vertonten Liebeselegien des römischen Dichters Ovid unter dem Titel Amores für Tenor, Sprecher, Chor und Jazzorchester.

1995, anlässlich seines 65. Geburtstages, wurde seinem musikalischen Schaffen ein ganzer Abend in der Kölner Philharmonie gewidmet: beginnend mit dem bereits 1948 entstandenen Frühwerk Rhapsodisches Intermezzo für Klavier und Orchester, über die mit großem Orchester besetzte Märchenbilder Suite aus dem Jahr 1961, dem Prolog 2000, Ausschnitten aus dem Ballett Diana Sorpresa, Kompositionen für die Media-Band bis zur abschließenden Uraufführung des Cello-Konzertes Phädra, gespielt von der großartigen Virtuosin Maria Kriegel. Die stilistische Vielfalt dieses Abends ergänzten CD-Produktionen aus den vergangenen Jahren, wie Harald Banters 4 plus 6 und Sound-Variationen und vervollständigten so das musikalische Bild dieses vielseitigen Komponisten.

Bereits 1986 konnte Harald Banter für seine zwanzigjährige verdienstvolle Arbeit im Aufsichtsrat den GEMA-Ehrenring entgegennehmen. Zehn Jahre später wurde er für seinen unermüdlichen Einsatz um die Urheberrechte mit der GEMA-Ehrenmitgliedschaft gewürdigt. Diese hohe Auszeichnung erhielten nur wenige, außerordentliche Persönlichkeiten im Verlaufe der GEMA-Geschichte. Die Deutsche Dramatiker-Union verlieh Harald Banter 1993 ihr Silbernes Blatt, und für seine Verdienste um die deutsche Musik ehrte ihn der Deutsche Komponistenverband im selben Jahr mit seiner Silber-Medaille.

Der lang gehegte Plan für eine abendfüllende Oper begann sich 1996 endlich zu realisieren. Als Libretto-Vorlage diente aus der Sammlung französischer Feenmärchen von Marie-Cathrin d'Aulnoy (1650-1705) die zauberhafte Geschichte Der blaue Vogel. Über die stilistischen Vorbilder seiner Musik führte Harald Banter aus:

"Als Schüler von Bernd Aloys Zimmermann und Hans Werner Henze, als Verehrer und Bewunderer von Ravel, Poulenc, Satie, Skrjabin, Strawinsky und Prokofjew, aber nicht minder von Jazz-Größen wie George Shearing, Count Basie und Stan Kenton, strömten Einflüsse unterschiedlichster Provenienz in mein musikalisches Denken und Empfinden ein. Der künstlerischen Persönlichkeit obliegt es, aus den Elementen vorbestehender oder noch zu entwickelnder Techniken und Stilarten in eigenschöpferischer Kreativität sein Werk in unabhängiger Entscheidungsfreiheit zu schaffen. Nach dieser Vorgabe versuchte ich, die Musik zu meiner Oper zu gestalten. ... Nach 564 Partiturseiten konnte ich den Schlußstrich ziehen." 1999 fand die Uraufführung im Theater der Stadt Hagen erfolgreich statt, auch bestätigt von den Presseberichten. Vor allem große Fachzeitungen wie die Opernwelt und Die Deutsche Bühne, widmeten ihre Titelseiten dem Blauen Vogel mit jeweils hervorragenden Berichten.

In das selbe Jahr fällt noch eine andere große Uraufführung, ein Auftragswerk des Deutschen Sängerbundes. Hierfür hatte Banter aus Baudelaires Die Blumen des Bösen den Zyklus Der Tod gewählt und daraus das Gedicht Die Reise vertont, für gemischten Chor, Sprecher und Orchester. In dem Gedicht wird unter anderem von der rastlosen Suche der Menschen nach neuen "Wunderfrüchten" berichtet, und dass nach der Erfolglosigkeit dieser Jagd letztlich nur noch ein wirklich lohnendes Ziel bleibt, das Sicherheit verbürgt – der Tod. Harald Banter und das Publikum erlebten mit dem Kölner Rundfunk-Chor und -Orchester eine wunderbare Aufführung.

2005 wurde auf seine Initiative das Deutsche Komponistenarchiv mit Sitz am Europäischen Zentrum in Hellerau gegründet, dessen Beiratsvorsitzender er ist.



Karl-Heinz Wahren
Letzte Änderung am 25. April 2006