Lebenslauf von Edwin Geist

Bild von Edwin Geist Der Komponist wurde am 31. Juli 1902 in Berlin geboren und lebte dort, bis er wegen des Naziregimes 1939 nach Litauen ging. Am 10. Dezember 1942 wurde er von der Gestapo in Kaunas (Ghetto) erschossen.

Edwin Geist war von der Idee besessen, mit einem neuartigen „Musikschauspiel“, in dem der Text gleichberechtigt neben der Melodie stehen soll, die Oper zu erneuern.

In den zwanziger Jahren hatte er temporäre Posten als Korrepetitor in Stettin und als Kapellmeister in Zürich inne; daneben kleinere Kompositionen und musiktheoretische Abhandlungen - bis 1937 die Reichsmusikkammer dem „Halbjuden“ jede weitere Betätigung in seinem Beruf untersagte. Wenig später setzte er sich in das damals unabhängige Litauen ab und heiratete im Jahr darauf die litauische Pianistin Lyda Bagriansky. Ein Requiem entstand, Tanzpantomimen, Musikschauspiele, Lieder. Dass sein letztes Werk, ein Trio, das Datum des 9. Juni 1941 trägt, ist kein Zufall. Denn wenige Tage später brach mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht am 22. Juni 1941 der Schrecken in Litauen ein.

In kaum einem ordentlichen Musiklexikon ist der Komponist verzeichnet. Nur im infamen „Lexikon der Juden in der Musik“ findet man den Namen des „halbjüdischen“ Berliner Komponisten Edwin Geist.

Der Autor Reinhard Kaiser ging auf Spurensuche. In seinem Buch „Unerhörte Rettung“ (erschienen 2004 im Schöffling Verlag) hat er die abenteuerliche Geschichte des Musikers aufgeschrieben. Das Buch fand breite Resonanz bei Presse und Radiosendern, nur Geists Musik blieb weiter unbekannt. Außerdem erschien bereits 2002 beim litauischen Verlag Baltos Lankos „Für Lyda“, das Tagebuch, welches Edwin Geist für seine Frau, die im jüdischen Ghetto in Kaunas gefangen war, geschrieben hatte.

Veröffentlichte Schriften:
  • „Rundfunk-Film-Schallplatte. Bedeutung und Aufgabe der elektrischen Musikinstrumente“, in: Melos 12. Jg., 1932
  • „Die künstlerischen Aufgaben elektrischer Muiskinstrumente“, in: Funk. Die Wochenschrift des Funkwesens, 1932
  • „Verzögerungssituation in Wagners Werken. Ein Beitrag zur dramatischen und epischen Oper“, in: Signale für die musikalische Welt, Berlin 1934
  • „Die Bedeutung des Volksliedes“, in: Signale für die musikalische Welt, Berlin 1934
  • „Form und Stil. Alban Bergs Wozzeck“, in: Signale für die musikalische Welt, Berlin 1935
  • „Vom litauischen Volkslied“, in: Schweizerische Musikzeitung, Zürich 1939
  • „Opernkrise?“, in: Schweizerische Musikzeitung, Zürich 1939
  • „Die Volksoper“, in: Muzikos Barai, Kaunas 1939
  • „Über das lettische Volkslied“, in: Lietuvos Aidas, Kaunas 1939
  • Antikes und Modernes im litauischen Volkslied, Kaunas: Pribacis 1940
  • Für Lyda. Tagebuch 1942. Hrsg. Von Jokubas Skliutauskas, Vilnius: Baltos Lankos 2002


Schon in den 1970er Jahren hat sich der litauische Dirigent Juozas Domarkas, bis heute künstlerischer Leiter der Philharmonie in Vilnius, der die Notenmanuskripte Geists aufbewahrte, darum bemüht, die Musik dieses interessanten Komponisten in Litauen bekannt zu machen. Zuletzt realisierte er eine Aufführung des Musikschauspiels „Die Heimkehr des Dionysos“ (in litauischer Übersetzung der Sprechszenen) in Vilnius zum 100. Geburtstag des Komponisten im Jahr 2002. In Deutschland ebenso wie in anderen Ländern außerhalb Litauens ist die Musik Edwin Geists bisher leider völlig unbekannt geblieben.

Im Herbst 2005 händigte Juozas Domarkas der Berliner Sängerin Verena Rein einige Notenmanuskripte aus; in der Berliner Staatsbibliothek fanden sich weitere Manuskripte, so dass im Mai 2006 das erste Konzert mit Werken Edwin Geists im Konzerthaus Berlin aufgeführt werden konnte.

Im Juli 2006 folgte eine CD-Einspielung als litauisch-deutsches Gemeinschaftsprojekt , initiiert durch das Deutsche Kulturforum östliches Europa. Die CD (ISBN-10: 3936168458, Amazon: Edwin Geist (19021942) Der Musiker: Kammermusik und Lieder) ist am 30. Juni 2007 erschienen.



Beitrag von Verena Rein
Letzte Änderung am 23. Juli 2007