Lebenslauf von Leopold I.

Bild von Leopold I. Leopold I. hinterließ der Nachwelt etwa 80 geistliche und 160 weltliche Kompositionen. Ist es der Kaisertitel, welcher einer Verbreitung seiner Werke selbst in Österreich in der heutigen Zeit entgegensteht? Zwei seiner Oratorien, „Der verlorene Sohn“ und das Osteroratorium „Die Trauer des Weltalls“ sind als Tondokument greifbar und zeugen von der Meisterschaft des Kaisers als bedeutenden Komponisten seiner Zeit.

Als zweiter Sohn Ferdinands III. und seiner Gemahlin Maria Anna von Spanien, von Jesuiten erzogen, war Leopold zunächst für den geistlichen Stand vorgesehen. Ganz plötzlich – der ältere Bruder, bereits zum König von Böhmen und Ungarn gekrönt, starb an den Blattern und sein Vater, Kaiser Ferdinand III., folgte ihm kurz danach – fiel ihm als nächstem in der Rangfolge der Erbanspruch auf den Thron des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu.

Diesen Titel hätte der französische König auch gern gehabt und Kardinal Mazarin spann seine Intrigen, um dem jungen König Ludwig XIV. diese Ehre zu verschaffen. Durch den Westfälischen Frieden nach dem Dreißigjährigen Krieg war Frankreich den deutschen Fürsten gleichgestellt und konnten ganz legitim jenseits des Rheins Einfluss nehmen und die deutschen Fürsten spalten. Diesen war der französische Einfluss noch mehr verhasst als der habsburgische Absolutismus, so dass der Kardinal keine schnellen Siege davon tragen konnte. Die Kurfürsten von Köln und Brandenburg widersetzten sich regelmäßig.

Österreich musste große Summen an Bestechungsgeldern aufwenden und erhebliche politische Zugeständnisse machen, um sich den Vorrang zu sichern, hatte aber den Papst auf seiner Seite, die Kurfürsten von Köln und Brandenburg ebenfalls. Der härteste Einschnitt und die bitterste Pille waren die absolute politische und militärische Trennung von den spanischen Habsburgern.

Politisch wenig geschult, stützte sich Leopold zunächst auf Berater, um später, sich seiner Erhabenheit voll bewusst, die Regierungsgeschäfte selbst in die Hand zu nehmen. Die Repräsentationsgelüste der Habsburger standen denen der Bourbonen nicht nach. Die Baukunst und die Musik waren geeignete Mittel sich zu präsentieren. Es war das Bestreben beider Herrscherhäuser, die besten Musiker aus Italien an ihre Höfe zu ziehen. In ihrer Liebe zur Musik und in der Meisterschaft, die beide entwickelten, waren Ludwig und Leopold wesensverwandt und hätten sich persönlich gewiss gut verstanden. Bedauerlicherweise machte die Politik beide zu lebenslänglichen Feinden.

Der französische König hat sich Jean Baptiste Lully (1632-1687) an den Hof geholt, der die Festmusiken und Opernballette schuf, in denen der Sonnenkönig als Tänzer den Apollo darstellte. Durch einen Unfall - er stieß sich den Taktstock in den Fuß und starb an den Folgen der Verletzung - beendete Lully frühzeitig seine glänzende Laufbahn. Leopold trat auch gern im Theaterkostüm auf; man erinnere sich an das im Jahre 1667 entstandene berühmte Gemälde von Jan Thomas.

Sein berühmter Hofkomponist war Pietro Antonio Cesti (1623-1669) der für die Hochzeit mit der spanischen Infantin Margarita Teresa die Oper „Der goldene Apfel“ komponierte, ein Spektakel in fünf Akten und siebenundsechzig Szenen - die längste Oper, die jemals komponiert und aufgeführt wurde. Den Preis bekommt diesmal aber nicht die schöne Helena, sondern die frischgebackene österreichische Kaiserin, weil sie die Eigenschaften der drei im Wettstreit liegenden Göttinnen Hera, Pallas Athene und Aphrodite wie Schönheit, Weisheit und der liebenden Gattin in sich vereinigt.

Mit dieser Heirat hatte es zunächst seine Schwierigkeiten. Ursprünglich sollte Ludwig die älteste Tochter des spanischen Philipp bekommen. In einem Friedensvertrag mit Frankreich ging diese jedoch als Zugabe an den französischen Hof, obwohl mit Spanien abgemacht war, dass Leopold die Prinzessin heimführen sollte. Der spanische König beschwichtigte und bot nun mehr als zweite Wahl seine hübsche Jüngste an. Der Geprellte zog seinen Zorn zurück und nahm die Gabe dankbar an. Leopold sollte noch zweimal heiraten: Claudia Felizitas von Tirol und Eleonore Magdalene von Pfalz-Neuburg. Seine dritte Gattin gebar ihm zehn Kinder.

Die Beziehungen zum Heiligen Stuhl waren nicht immer harmonisch. Der Bischofssitz von Trient war vakant geworden. In Abstimmung mit dem Familienrat hatte Leopold an seinen Vetter Sigismund Franz dieses Amt vergeben. Der Vorgeschlagene hatte bereits Platz genommen, seine Person wurde aber vom Vatikan nicht bestätigt. Leopold, als frommer Sohn der Kirche, war zutiefst beleidigt über diese Kränkung aus Rom. Sigismund starb und der jahrelange Streit zwischen weltlicher und geistlicher Macht konnte begraben werden.

Der Musik war Leopold von ganzem Herzen zugeneigt, als Komponist wie auch als Interpret eigener Werke. Das Cembalo spielte er exzellent. Die Hofkapelle war vorzüglich ausgestattet, kostete aber eine Menge Geld, welches meistens nicht vorhanden war. Es gab einen Aufstand der Kastraten, die ohne Bezahlung nicht mehr singen wollten. Des Kaisers liebenswürdige Art konnten sie sich jedoch nicht ignorieren. Vor Strafe wegen Ungehorsam blieben sie verschont, und sie bekamen ihren Lohn.

Nicht nur die Musik, sondern auch die Wissenschaft fand gebührende Beachtung. Die Universitäten von Breslau und Innsbruck entstanden unter der Herrschaft des Drittletzten seiner Dynastie, die im Jahre 1745 von der lothringischen Linie abgelöst wurde. Wien wurde unter Leopold I. mit Barockbauten ausgebaut. Die Hofburg erhielt den Leopoldinischen Flügel. Man begann mit dem Bau von Schönbrunn. Der Kaiser interessierte sich führ die Falknerei und ließ sich unterweisen.

Zwischendurch zwei kleinere Kriege: der Holländische und der Pfälzische. Im letzteren ging es um angebliche Erbansprüche der Schwägerin des Königs, Lieselotte von der Pfalz, die durch ihren derben Briefstil heute noch belustigt.

Die Türken erneut vor Wien. Wie ein Donnerschlag schlägt die Botschaft ein. Die Diplomaten wussten es schon länger, Korrespondenz zwischen Versailles und der Hohen Pforte in Istanbul war abgefangen worden. Absolute Verärgerung beim polnischen König. Bisher ein Freund Frankreichs, wechselt Jan Sobieski das Lager und schließt sich der vom Heiligen Stuhl vermittelten Allianz zwischen Habsburg und Venedig an, denn auch Polen soll von den Türken angegriffen werden. Das glanzvolle Wien, Festung Europas nach Osten, Objekt der Begierde der Osmanen, um den Islam diesmal vom Südostzipfel nach Europa zu tragen, wird belagert. Die Türken heben Gräben aus, um unter der maroden Festung ihre Sprengladungen anzubringen. Ihrem Feuerzauber kann nichts entgegengesetzt werden. Seuchen dezimieren die Einwohner. Wo bleibt die Hilfe von außen?

Zu Tode erschrocken verfrachtet man die kleinen Erzherzöge und Erzherzoginnen auf einen pompösen „Schleppkahn“, und Leopold flüchtet mit ihnen überstürzt in Richtung Passau, um später zur Siegerehrung wieder zur Stelle zu sein. Der Schwiegersohn aus Lothringen im Kollektiv mit Jan Sobieski als oberstem Feldherrn, den Regimentern der deutschen Fürsten und dem Segen von Papst Innozenz XI., wird die Entscheidungsschlacht am Kahlenberg vor Wien gegen eine gewaltige Übermacht gewonnen. Der Sultan ist geschockt, aus dem Topkapi-Palast wird dem Großwesir Kara Mustafa die seidene Schnur zugestellt. Unter Prinz Eugen von Savoyen und dem Karlsruher „Türkenlouis“ werden die Osmanen aus den habsburger Erblanden vertrieben und der Abzug im Friedensvertrag von Karlowitz festgeschrieben.

Im spanischen Erbfolgekrieg versucht Leopold die spanische Linie mit einem seiner Söhne neu zu begründen, hat aber den Bourbonen Philipp von Anjou zum Gegner. Die Sache kann nicht zuende geführt werden, denn Leopold stirbt am 5.5.1705 und wird in der Kapuzinergruft beigesetzt.



Beitrag von Engelbert Hellen
Letzte Änderung am 29. März 2006