Lebenslauf von Gertrud Schweizer

Bild von Gertrud Schweizer Gertrud Schweizers biographische Daten, ihre musikalische Ausbildung und Entwicklung sowie ihr kompositorisches Schaffen nebst dessen Rezeption ist bislang noch weitgehend unerforscht.

So findet man in der einschlägigen Fachliteratur nur wenige Informationen zu Leben und Werk dieser heutzutage leider zu Unrecht vergessenen Komponistin und Musikpädagogin.

Nach Aaron I. Cohen (International Encyclopedia of Woman Composers, Vol. 2, Second Edition, revised and enlarged, New York-London 1981, S. 629) wurde Gertrud Schweizer am 5. Mai 1894 in Mannheim geboren.

Später studierte sie in München bei dem Komponisten, Pianisten und damals weit geschätzten Hochschullehrer August Schmid-Lindner (1870-1959) – einem Schüler von Josef Rheinberger (1839-1901) bzw. der Liszt-Schülerin Sophie Menter (1846-1918) sowie eng befreundet mit Max Reger (1873-1916) – und bei dem Komponisten, Dirigenten, Musikschriftsteller und -pädagogen Hermann Wolfgang Sartorius Freiherr von Waltershausen (1882-1954) – einem Schüler von Ludwig Thuille (1861-1907) bzw. August Schmid-Lindner (s. o.) sowie ab 1923 Direktor der Münchener Akademie der Tonkunst. Den größten Einfluss auf Gertrud Schweizers musikalische Entwicklung übte aber sicherlich ihre Begegnung mit dem österreichischen Komponisten / Pianisten Ernst Toch (1887-1964) aus, der von 1913 bis 1928 – nur unterbrochen durch die Kriegsjahre 1914-1918 – eine feste Lehrtätigkeit für Klavier und Komposition an der Mannheimer Musikhochschule innehatte und dort auch seine spätere ‚Melodielehre‘ und einen neuen Stil der Polyphonie entwickelte.

Möglicherweise nahm Gertrud Schweitzer zwischen 1922-1925 [!] bei diesem Unterricht, wobei Tochs neoklassizistische Klangsprache der 1920er Jahre zweifelsohne auch das kompositorische Denken von Gertrud Schweizer stark beeinflusste. Dass diese Verbindung mehr als nur eine ‚reine Unterrichtsbeziehung‘ gewesen sein muss, zeigen – neben einer eigenhändig von Gertrud Schweizer an Ernst Toch geschriebenen Postkarte vom 29. Mai 1923 (s. Musiksammlung ÖNB Wien, Autogr. 950/28-2) – 6 weitere, ebenfalls an Toch adressierte „Gedichte“ der Komponistin, die alle zwischen dem 21. Februar 1922 und dem 12. Dezember 1925 entstanden und in der Musiksammlung der ÖNB Wien (s. Autogr. 950/28-1,3,4,5,6,7) aufbewahrt werden.

Nach einer Mitteilung von Claudia Friedel (Komponierende Frauen im Dritten Reich. Versuch einer Rekonstruktion von Lebensrealität und herrschendem Frauenbild, Münster-Hamburg 1995, S. 1), die sich auf das „Verzeichnis deutscher Komponistinnen 1850-1930“ (in: Eva Rieger [Hrsg.], Frau und Musik, Frankfurt a. M. 1980, S. 253) und einen autographen Zusatz im Manuskript von Philippine Schicks (1893-1970) Vortrag ‚Die Frau als Komponistin‘ von 1943 [Handschriftensammlung der Stadtbibliothek München] beruft, geht hervor, dass Gertrud Schweizer 1942 im Vernichtungslager Auschwitz umkam, ein Schicksal, das sie mit ihren beiden Geschwistern Franz und Antonie teilte.

[Ein weiterer Bruder, Karl, der noch rechtzeitig auswandern konnte, verstarb 1946 im Exil im kolumbianischen Bogotá.

Das musikalische Schaffen von Gertrud Schweizer, das auch heutzutage sicherlich noch lange nicht vollständig eruiert ist, umfasst momentan ca. 50 Kompositionen mit unterschiedlichsten Besetzungen – darunter u. a. Klavierstücke, Kammermusik, Lieder oder Chorwerke –, die aber alle in ungedruckter und somit ausschließlich in handschriftlicher Form vorliegen.



Dieter Michael Backes
Letzte Änderung am 8. August 2020