Vincenzo Bellini (1801-1835)

Norma

Allgemeine Angaben zur Oper:

Titel: Norma
Entstehungszeit: spätestens 1831
Uraufführung: 26. Dezember 1831 in Mailand (Teatro alla Scala)
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 150 Minuten
Erstdruck: Mailand: G. Ricordi, ca. 1831
Verlag: Mailand: G. Ricordi, ca. 1870
Leipzig: C. F. Peters, ca. 1870
Wien: Universal Edition, ca. 1900
Köln: Ahn, 1910
Bemerkung: Bellini über die Uraufführung: "Würden Sie es glauben? ... Fiasco! ... Fiasco! ... Ernsthaftes Fiasco!". Trotzdem brachte es Norma in der Saison 1831/32 an der Scala auf 39 Aufführungen.
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Norma (Naxos, ADD/m, 1955)
Vincenzo Bellini (1801-1835)

FonoForum 05/05: "Große Momente hat die Callas in dieserAufnahme vo allem dann, wenn Normasegoistisch-unerbittliche Seite zum Vorscheit kommt. DasTerzett am Ende des ersten Aktes und 'In mia man' sindin ihrer versengenden Intensität einfach atemberaubend."

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Zur Oper:

Art: Tragische Tragödie in zwei Akten
Libretto: Felice Romani nach der Tragödie von Alexandre Soumet
Sprache: italienisch
Ort: Gallien
Zeit: um 50 v. Chr.

Personen:

Norma: Priesterin im Hain der Irminsul (Sopran)
Pollione: römischer Prokonsul in Gallien (Tenor)
Oroveso: Haupt der Druiden (Bass)
Adalgisa  : Priesterin (Mezzosopran)
Clotilde: Normas Vertraute (Sopran)
Flavius  : Polliones Begleiter (Tenor)
Weitere: zwei kleine Söhne Normas und Polliones - stumme Rollen
Druiden, Barden, Tempelwächter, Priesterinnen, Krieger, Kinder und Volk

Handlung:

1. Akt: 1. Szene:

Oroveso, das Oberhaupt der Druiden, fordert die gallischen Krieger auf, durch die dunklen Zweige zu spähen, ob die Mondgöttin ihr bleiches Antlitz noch nicht zeigt. Erst dann, wenn der große Gong ertönt, ist Norma bereit, den heiligen Mistelzweig zu brechen. Die Druiden stimmen Kriegsgesänge an, weil sie es nicht erwarten können, gegen die römischen Unterdrücker losschlagen zu können.

Zu falscher Zeit am falschen Ort zeigt sich Pollione mit seinem Gefährten Flavius. Dieser folgt ihm nur unwillig, denn er vermutet, dass er die Begegnung mit seiner Geliebten Norma sucht. Norma ist Schnee von vorgestern, wird er belehrt. Seine neue Flamme sei die junge Priesterin Adalgisa, die auch im Druidentempel ihr Amt versieht. Und die Mutter seiner beiden Knaben ist ihm nichts mehr wert? Flavius soll ihn nicht mit Vorwürfen quälen, die er nicht verdient. Kann er etwas dafür, wenn Amor mit seinem Bogen auf ihn zielt? Er soll nur hinsehen, wie das Mädchen in seiner Unschuld leuchtet. Sie ist für ihn die strahlende Sonne, die aus dunklen Wolken hervorbricht. In Gedanken malt er sich schon die Hochzeit in Rom mit ihr aus. Fürchtet er nicht die Rache Normas, wenn sie von seiner neuen Neigung erfährt? Genau, sie wird toben wie eine Furie - im Geist sieht er schon, wie sie kommt, deshalb soll er auch leiser sprechen. Der Gong ertönt und Norma nähert sich dem Heiligtum.

Einige Druiden werden unwirsch und fordern die Störenfriede auf zu verschwinden. Flavius ist bereit, aber Pollione will ihrer „Wut höhnen“. Er meint, dass höhere Mächte seine Liebe schützen und er kündet, dass er ihren Altar stürzen und den heiligen Hain verbrennen wird. Alles leere Drohungen! Pollione hat die Meinung des Opernpublikums gegen sich und trollt sich. Was hat der Römer im heiligen Hain der Druiden überhaupt zu suchen?

Der Tempel füllt sich - Norma naht im Kreise ihrer Priesterinnen. In der Hand hält sie die goldene Sichel und ihr Seherblick ist geschärft. Norma maßregelt diejenigen, welche die Flammen des Aufruhrs schüren. Wollen sie die Gottheit etwa zwingen, ihrem Willen zu dienen? Wer darf es wagen, die Zukunft zu künden außer Norma? Wer bestimmt das Los, welches Rom bestimmt ist? Den Göttern steht es zu und nie den Menschen!

Oroveso fragt seine Tochter, wann denn das feindliche Joch von den Galliern endlich abgeschüttelt wird. Sind die heimatlichen Wälder nicht schon genug schändet worden von Roms gefräßigen Adlern? Sollen ihre eigenen Schwerter etwa müßig in ihrer Scheide verrosten? Zur angemessenen Zeit werden sie im Kampf glänzen, aber noch ist der Tag nicht gekommen. Was nutzen Äxte und Speere, wenn die Römer stärker sind? Oroveso will wissen, was die Götter künden. Norma soll reden!

Aus geheimen Zeichen am Himmel liest Norma im Buche des Verderbens das Geschick der Römer. An seinen eigenen Lastern und seinem eigenen Verrat werde das Römervolk verderben. Dann werden die Leiden der Gallier enden, doch jetzt gebietet Norma Frieden. Hoheitsvoll nimmt sie die goldene Sichel und stutzt die Stiele der Mistelzweige, damit sie sich im Krug ebenmäßig anordnen lassen. Dazu singt Norma die berühmte Arie „Casta Diva...“

„Keusche Göttin im Silberglanze,
taue Segen auf die dir geweihte Pflanze.
Zu uns wende dein holdes Antlitz
unverhüllt vom Wolkenflor!

Lass o Gottheit,
lasse allen Hader schweigen,
lass die Herzen sich
in Demut vor dir neigen.
Send' hernieder den heiligen Frieden,
send' hernieder den heiligen Frieden,
der am Himmel deinem Götterschoß entkeimt,
deinem Götterschoß entkeimt.“

Norma verspricht: Wenn es an der Zeit ist, die Feinde zu verderben, nämlich dann, wenn von Druidenstein ihrer Stimme Donnerton erschallt. Oroveso und der Chor vervollständigen, dass kein einziger ihrer Feinde der Gallier Rache entkommen soll und Roms Prokonsul finde als erster den Tod.

Norma verlässt ihren erhöhten Sitz und begibt sich in Volkes Nähe. Gewiss hat sie die Macht, den Frevler zu bestrafen, aber ihr Herz verweigert die Rache. Sie wünscht sich, dass der Geliebte der schönen Tage gedenkt und wiederkommt, damit ihre Leiden endlich aufhören. Oroveso tröstet den Chor, auch wenn es etwas langsamer geht: Der Tag der blutigen Rache wird nahen, denn der Zorn der Götter wird den Feinden den sicheren Tod bringen. Norma fühlt ihr Sehnen und es fließen ihre Tränen, bis der Geliebte das Band der Liebe neu knüpft.

Die Druiden sind fort und still sind die heiligen Haine. Ungesehen von allen anderen kann Adalgisa hier weinen. Hier ist ihr der stolze Römer das erste Mal begegnet und hat ihr den Kopf verdreht. Es zieht sie stets aufs neue an diesen Platz, weil sie hier Frieden findet. Hier raunen alle Zweige und flüstern alle Gräser den geliebten Namen. Irmin soll sich ihrer erbarmen! Vor seinem Stein wirft sie sich nieder, denn Adalgisa kommt sich sehr verloren vor. „Gran Dio abbi pietà, perduta, perduta io son!“

Pollione hat Adalgisa ausgemacht, worauf Flavius sich verzieht. Was sieht er? Hat sie geweint? Nein, gebetet! Ach, sie fleht zu Göttern, die grausam und schrecklich sind und ihren Wünschen abhold. Ach, der Gott, zu dem sie beide beten, heißt Amor! Adalgisa soll sich doch bitte diesen Namen einschärfen. Pollione soll schweigen und aufhören zu lästern. Wohin will sie fliehen? Zu den Tempeln und zu den Altären, denen sie geweiht ist! „Und was ist mit unserer Liebe? „Ach die vergaß ich!“ Pollione fühlt sich beleidigt. Sie soll ruhig grausam sein, und ihn ihren Göttern zum Fraß vorwerfen. Selbst wenn sie ihnen alles gibt, er bleibt ihr doch verfallen. Ihr Mund schwor ihren Göttern, doch ihr Herz gehört ihm. Einzig ihm soll sie gehören und niemals wird er ihr entsagen!

Ach, er kennt nicht ihre Leiden, die sie heimlich um ihn trägt. Dem Altar, den sie beleidigte, nahte sie einst in keuscher Reinheit. All ihr Denken galt den Göttern, ihre Sonne strahlte mild. Heute ist sie mit Schuld beladen und die Beleidigten halten sich bedeckt. Einen klaren Himmel und bessere Götter bietet ihr Rom, wohin er sich begeben wird.

Will er sie etwa verlassen? Zu neuen Taten drängt es ihn und sie soll ihm folgen. Amor ist der Gott der Götter und folgt sie der Liebe, so folgt sie automatisch ihm. Adalgisa fordert ihn auf, nicht weiterzusprechen. Doch er wird sich so lange wiederholen, bis ihr Herz sein Flehen erhört. Dem Verführer gelingt es, Adalgisa die fremde Hauptstadt schmackhaft zu machen. Sie soll dem Ruf ihres Herzens folgen und er gehört ihr für alle Zeit. Adalgisa gibt nach einigem Zögern die Zusage, ihn zu begleiten und Pollione schwört ihr ewig Treue.

2. Szene:

In Normas Herz streiten sich die Gefühle. Bald herrscht die Liebe und wiederum möchte sie ihre Kinder hassen. Jetzt macht ihr Anblick ihr Freude und dann kehrt der Kummer zurück. Clotilde soll die Kinder verstecken, denn es ergreift sie ein Schauder. Das Kindermädchen wird sie nicht verstehen, denn Pollione wird morgen Gallien verlassen. Wird sie ihm folgen? Er hat sie nicht gebeten. Wahrscheinlich will er vor ihr fliehen. Zweifelt sie? Gewissheit wäre ihr lieber, denn sie wäre minder qualvoll. Sie soll die Kinder rasch verstecken, denn sie hört draußen Schritte.

Es ist Adalgisa, welche die mütterliche Freundin besuchen kommt. Da die Besucherin zittert, ahnt Norma, dass sie ihr ein Geheimnis zu entdecken wünscht. Sie sagt, sie wage es nicht, denn ihre Strenge halte sie zurück. Wenn sie sich ihr dagegen gütig neigte, werde sie ihr Geheimnis offenbaren. Adalgisa soll ihr vertrauen und ihr sagen, was sie quält. Die Gütige soll ihr bitte nicht zürnen, aber die Liebe plagt sie. Lange hat sie gestritten, um sie zu besiegen und all ihre Kraft verschwendet. Es war vergebens, doch heute hat sie geschworen, ihm zu entsagen und den heiligen Glauben, dem sie geweiht ist, treu zu bleiben und alle Fluchtpläne aufzugeben.

Das hätte sie nicht tun sollen. Nun ist ihr Stern im Morgenrot ihres Leben schon gesunken. Sie soll doch erzählen, wie die Liebe sie traf. Adalgisa berichtet, dass sie im heiligen Hain vor dem Altar gebetet hatte, als sie ganz in ihrer Nähe einen tiefen Seufzer hörte. Es war eine Männerstimme und sie versank sofort in ungeahnte Wonnen. Ein neuer Himmel war ihr erschlossen. Sie liebte!

Norma sagt, dass es ihr auch so ergangen ist. Sie war wie geblendet, als sie ihren Schatz das erst Mal sah. Hört sie ihr auch zu? Natürlich, sie soll sich nur ergießen. Heimlich zur Nachtzeit hat sie ihn im Hain oft gesehen. In heißer Glut hörte sie ihn ihr seine Liebe gestehen. „Lass mich Geliebte“, so sprach er, „zu deinen Füßen weilen. Auf deines Haares Fülle lasse mich zum Kuss den Mund pressen. Norma erinnert sich, dass solche Worte auch den Weg zu ihrem Herzen fanden. Sanft wie ein Zephir am Rosenhag sprach er von seligen Wonnen. Aus seinem lächelnden Augenpaar erstrahlten tausend Sonnen. „Ich war verloren und bin es noch.“

Sie soll nicht weinen, Norma ist nicht grausam. Findet sie bei ihr Verzeihen? Das Gelübde, welches sie an den Altar bindet, will sie gern lösen. Ach Adalgisa möchte die trostreichen Worte gern noch einmal hören. Als Zeichen der Verzeihung gibt Norma ihr den Schwesterkuss. Sie löst das Gelübde auf und bricht die Ketten. Jetzt ist die Bahn frei - nun lacht das Leben. Doch Adalgisa soll ihr noch sagen, wer der Geliebte ist und ihr seinen Namen nennen. Es ist kein gallischer Krieger, sondern ein Römer. In diesem Moment hört man Schritte von draußen. Welch unerhörter Zufall. Adalgisa lässt sich vernehmen. „Hier kommt er gerade.“

Hört Norma richtig? Pollione ist ihr Geliebter? Ja, aber Adalgisa hatte doch keine Ahnung! Pollione macht ihr nun Vorwürfe. Die Situation ist verfahren. Pollione ist verwirrt, Adalgisa zittert und Norma ist außer sich. Aber Adalgisa nimmt sie in Schutz; sie treffe keine Schuld. Er allein sei der Verräter. Von ihm erwartet Adalgisa nun Aufklärung, doch Pollione hat Sendepause. Welch bitteres Herzeleid traf die junge Priesterin? Wenn er ihr nie begegnet wäre, würde ihr vieles erspart geblieben sein. Grausam wurde sie betrogen, dazu ihr Herz belogen, denn an diesem übte er Verrat. Pollione bittet Norma, die Jungfrau zu schonen.

Adalgisa hat den Durchblick immer noch nicht. Sie erkundigt sich, welches Geheimnis hier walte. Was wird die Zukunft spenden und wie wird ihr Jammer enden, wenn er den Eid ihr brach? Nie soll das reine Engelsbild von der Schande etwas erfahren. Der Himmel mag richten, wer von ihnen beiden mehr verbrach, bringt Pollione treuherzig hervor. Der Schändliche will sich aus dem Staub machen und fasst Adalgisa am Arm in der Erwartung, dass sie mitkommt. Doch ihr gelingt es, sich von ihm freizumachen. Sie wirft im vor, dass er seine Schwüre brach - er setzt dagegen, dass er Norma längst vergessen habe. Der Verräter soll von ihr ablassen, doch der Treulose beteuert, dass nur ihr seine ganze Liebe gelte - für die Andere empfinde er nur noch Hass. Norma kocht vor Wut. Er solle endlich verschwinden und Adalgisa solle ihm folgen. Adalgisa bittet ihn um den Tod, da sie keinen Ausweg aus ihrer Situation sieht. Endlich bricht es aus Norma heraus: „Ziehe hin, der du Deinen Eid und Deine Kinder vergessen hast. Doch mein Fluch soll Dich verfolgen. Bitteres Leid bringe Dir die Liebe!“ Auf den Wellen und mit den Winden wird ihn ihr Hass rastlos verfolgen und ihre Rache ihn ereilen - Tag und Nacht, ohne Unterlass. Pollione jammert: Welches Leid gleicht wohl auf Erden diesen Qualen, die er erduldet? Ewig fluchen will er dem Tag, da er jene zuerst gesehen hat. „Jetzt aber raus!“ Adalgisa gibt ihm noch mit, dass sie durch tiefe Meere und wilde Klüfte von dem Verräter getrennt sein will. Normas Fluch soll ihn verfolgen. Pollione flucht ebenfalls und zwar dem Tag, an dem er Norma und nicht Adalgisa zuerst gesehen habe.

Noch ewig würde der Wortwechsel weitergehen, wenn in diesem Moment im heiligen Hain nicht der erzene Schild ertönen und Norma an ihre Priesterpflicht erinnern würde. Der Chor meldet sich zu Wort:

„Norma, tritt zum Altar!
In dumpfen Dröhnen
grollte dreimal Irmins Stimme
Norma, nah dem heiligen Hain!“
2. Akt: 3. Szene:

Norma irrt nachts durch ihre Wohnung. In einer Hand hält sie eine Öllampe und in der anderen ein riesiges Küchenmesser. Geistig völlig durcheinander verirrt sie sich ins Kinderzimmer - Medea-Allüren sind in ihr geweckt. Die Kinder schlafen beide und ahnen nicht das Schicksal, das sie erwartet. Fern sei ihr Erbarmen, denn sie müssen sterben. In Rom würde ihnen ewige Schande drohen. Sklaven bei einer Stiefmutter - nein, das kommt nicht infrage. Doch als Norma die Tat ausführen will, ist ihre Hand wie gelähmt. Die Kinder töten, ach ihre lieben Kinder, die ihr auf Erden alles bedeuten?

Was ist überhaupt ihr Verbrechen? Nun, ihr Vater ist Pollione. Norma befindet sich im Wechselbad der Gefühle. Für sie sind die Kleinen schon gestorben, nun sollen sie auch für ihn nicht mehr da sein. Wohlan, grausam soll ihn ihre Rache treffen. Sie nähert sich dem Bett, hebt den Dolch, aber der Wille zur Tat setzt aus. Von ihrem Schrei erwachen die Kinder und machen auch Clotilde mobil.

Sie soll Adalgisa herbeirufen. Norma will ihrem Leben ein Ende setzen und ihr vorher ihre Kinder andrehen. Sie soll sie ins Lager der Römer bringen, Pollione heiraten und ihnen Mutter sein. Adalgisa denkt nicht daran, Pollione zu heiraten. Sein Verrat hat ihre Liebe zum Erlöschen gebracht. Die Hochverehrte ist doch schon ihre Mutter und soll es auch bleiben. Wie kann Adalgisa ihr dann ihre beiden Kinder rauben? Hilfsweise will sie zu Pollione gehen und ihn durch ihre Worte bewegen, dass er sich ihr wieder zuwenden soll. Adalgisa gelingt es, Norma in dem Duett „Mira, o Norma, à tuoi ginocchi“ umzustimmen und ihr Schicksal anzunehmen.

4. Szene:

Eigentlich ist diese Szene völlig überflüssig und dient nur dazu, einen Übergang vom Kinderzimmer zum Tempel der Irminsul zu schaffen. Das spärliche Geschehen spielt in einer wüsten Gegend, in der Oroveso seine Gefolgsleute auf die Ernte von Kriegsruhm vertröstet, denn Norma schweigt. Was soll das heißen? Bleibt der Prokonsul etwa in ihren Wäldern? Er wird zum Tiber zurückkehren, erklärt Oroveso. Aber noch schlimmer als Pollione ist der, welcher ihn ablöst. Oroveso ballt ebenfalls die Fäuste, aber seine Tochter will das Signal zum Start noch nicht geben. Da hilft nur abwarten und Met trinken! Sind die Götter ihnen etwa feindlich gesonnen? Die römischen Adler sollen nur Ruhe geben, irgendwann werden sie ihnen kämpfend nahen!

5. Szene:

Auf Adalgisa kann Norma vertrauen. Alles wird er bereuen und um Verzeihung flehen und sie lieben. Schon der Gedanke daran verscheucht die dunklen Wolken, die ihren Sinn umdüstern. Es lacht die Sonne wie am ersten Tag der Liebe, an dem sie so glücklich war. Clotilde rät Norma, rasch zu handeln. Adalgisa habe sich vergeblich bemüht, Pollione für seine alte Liebe zu erwärmen und weint nun über ihren Misserfolg. Und ihr hat sie Vertrauen geschenkt. Adalgisa hat gelogen und an ihren eigenen Vorteil gedacht. Clotilde berichtet weiter, dass Pollione geschworen habe, sich seine Braut zu rauben. Das Maß ist voll. Römisches Blut soll in Strömen fließen! Er verfällt ihrer Rache. Norma tritt zur Irminsul und schlägt dreimal gegen den heiligen Schild, dass es laut widerhallt. Von verschiedenen Seiten strömen Würdenträger und Druiden herbei.

Norma hat gerufen. Irmins heiliges Erz ist erklungen. Was hat die Gottheit Neues zu verkünden? „Rache, Schlachten und Vernichtung“ ist Normas Antwort. „Gebot die Gottheit nicht erst heute durch deinen Mund Frieden?“ „Die Götter zürnen und gebieten nun etwas anders. Das wilde Lied der Rache soll nun erklingen. Kämpfet, Gallier, kämpfet!“

Oroveso und der Chor haben ihre große Stunde. Die gallischen Eichen sollen wie hungrige Raubtiere die Herden anfallen und in die Schlachtenreihen der Römer eindringen.

„Kämpfet, kämpfet. Die gallischen Dolche
sollen triefen vor Blut.
In die Fluten der reißenden Flüsse
fliehen die Feinde vor unserer Wut!
Wehe, wehe! Es naht die Vergeltung!
Keiner wird der Vernichtung entgehen.
Wie die goldene Sichel die Mistel,
werden Roms Kohorten wir mähen.
Jauchzet ihr tapferen Krieger!
Roms Adler die Schwingen verlor!
Um dem Siege der Gallier zu leuchten,
bricht aus Wolken die Sonne hervor.“

Ausgerechnet Clotilde kommt ganz aufgeregt herangestürmt: Der Altar ward durch einen Römer geschändet: Dort im heiligen Haine, wo die Jungfrauen beten, wurde er ergriffen - es ist Pollione. Zornentbrannt tadelt Oroveso den Missetäter, warum er frechen Mutes den heiligen Hain betreten habe. Irmins Zorn hat er heraufbeschworen! Pollione bleibt gelassen. Sie sollen ihn durchbohren, aber keine dummen Fragen stellen. Norma wird von Oroveso aufgefordert, ihres Amtes zu walten und die Gottheit zu rächen, zögert aber und will mit den Gefangenen zuvor allein gelassen werden, um den Angeketteten angeblich nach Mitschuldigen zu befragen. Sie möchte herausbekommen, ob er plante, die Jungfrau zu entführen oder ob sie von dem Frevel wusste.

Mit dem Gefangenen allein gelassen, trumpft Norma höhnisch auf, dass er nun in ihren Händen sei, und nur sie allein es vermag ihn zu retten. Die Bedingung sei, dass er Adalgisa für immer entsage, was Pollione aber verweigert. Eher will er sterben, als Adalgisa aufzugeben - ihr Zorn soll sie ruhig treffen. Wenn er nicht gehorcht, wird sie vergessen, dass sie Mutter ist. Sie soll die Klinge ins Herz des Vaters stoßen und die Kinder bitte verschonen. Wenn sie es nicht hinbekommt ihn zu töten, soll sie ihm das Messer geben, dann besorgt er das selbst.

Adalgisa wird ebenfalls sterben, weil sie ihr Keuschheitsgelübde gebrochen hat. Sie wird es büßen und noch heute in den Flammen sterben, verspricht Norma. Pollione verlegt sich aufs Bitten, sie soll die unschuldige Adalgisa schonen. Doch Norma gibt sich unnachgiebig. Endlich sieht sie die Möglichkeit, ihm kalt lächelnd den Schmerz zu bereiten, den er ihr auch zugefügt hat. Die Unterredung ist beendet und sie ruft die Druiden herbei.

Ein neues Opfer bietet sich Opfer an. Es sei ein Mädchen. Welches einst gelobte, als Priesterin zu dienen. Sie hat die Gottheit und das Vaterland verraten. Welcher Frevel, welche Schmach, entrüsten sich Oroveso und der Opernchor! Sie soll bitte den Namen der Missetäterin nennen. Dann kann der Holzstoß gerichtet werden. Pollione bittet verzweifelt, dass die Priesterin sich erweichen lassen und den Namen nicht nennen soll. „Son io!“ gibt Norma zu Protokoll. „Ich selbst gehe zum Tod!“ Der Chor kann es nicht glauben. Pollione bebt das Herz und Oroveso denkt an die Schmach.

Norma flüchtet sich zur Philosophie und wendet sich an Pollione:

„Was Du verraten, was Du verloren,
soll diese Stunde Dir offenbaren.
Vergebens suchst Du, von mir zu fliehen.
Du falscher Römer. Du bleibst bei mir.
Du kannst dem Schicksal niemals entgehen,
das uns vereint in Tod und Leben.
Die gleiche Flamme wird uns verzehren,
der gleiche Rasen deckt unser Grab.“

Die Szene verläuft melodramatisch, bis Norma sich ihrer Kinder erinnert. Um was sie ihren Vater bittet, ist allerdings eine Zumutung. Zurzeit sind die Kinder bei Clotilde. Der Großvater soll mit ihnen nach Rom umziehen. Das sei unmöglich. Sie soll doch lieber ihr Geständnis widerrufen und erklären, dass sie im Fieber gesprochen habe. Norma fragt, ob vielleicht kindliche Unschuld für die Freveltat der Mutter büßen soll. Sie erinnert ihren Vater daran, dass sie seines Blutes seien. Der Vater ist gerührt, doch der Schmerz ist groß.

Der Chor ist weniger freundlich. Die Druiden reißen Norma das Emblem aus den Haaren, welches sie mit Schande bedeckt hat, und kleiden sie in einen schwarzen Schleier. „Vanne al rogo - Schürt die Flammen!“ „Va infelice!“ verabschiedet sich Oroveso und die letzten Worte Normas sind: „Padre addio!“

Beschreibung:

Giuseppe Verdi und Richard Wagner waren sich darin einig: gleichermaßen bewunderten sie die melodische Kontinuität der 1831 an der Mailänder Scala uraufgeführten Norma, die als einer der Höhepunkte der romantischen italienischen Belcanto-Oper gilt. Aber nicht nur der Melodienreichtum, sondern auch die für die italienische Oper dieser Zeit neuartige Einheit von Wort und Ton sowie der Kontrastreichtum des Affektausdrucks ließen das Werk derartig erfolgreich werden.

In Librettist Felice Romani fand Bellini einen idealen Partner. Denn anders als sein Zeitgenosse Donizetti ließ sich Bellini nicht durch dramatische Konstellationen und Bilder inspirieren, sondern fand zu melodischem Ausdruck und Leidenschaft erst durch die Beschaffenheit der Verse. Es heißt, der reizbare Süditaliener konnte schreien und toben, wenn auch die dritte Überarbeitung der Verse den Funken nicht überspringen ließ. Bei Norma verlief die sechswöchige Zusammenarbeit nahezu reibungslos. Romani verdichtete die verschlungene, literarische Vorlage (Alexandre Soumets Versdrama Norma) auf zwei Konflikte: das Aufeinanderprallen zweier in höchstem Grade unterschiedlicher Kulturen mit eigenen Religionen und Bräuchen sowie eine Dreiecksbeziehung, die von Liebe, Hass und Rache gesteuert wird.
Letzte Änderung am 11. Februar 2018
Beitrag von Engelbert Hellen

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