Joseph Bodin de Boismortier (1689-1755)

Don Quichotte chez la Duchessa

(Don Quichote und die Herzogin)

Allgemeine Angaben zum Ballett:

Titel: Don Quichotte chez la Duchessa
Titel deutsch: Don Quichote und die Herzogin
Titel englisch: Don Quixote at the Duchess'
Uraufführung: 12. Februar 1743 an der Académie royale de musique in Paris
Opus: op. 97

Zum Ballett:

Art: Ballet comique in drei Akten
Libretto: Charles Simon Favart (1710-1792)

Personen:

Altisidore: Herzogin
Don Quichote: Der Ritter mit der traurigen Miene
Sancho Pansa: sein Diener
Der Herzog: verkleidet als Merlin
Montesinos: Herr einer Zauberhöhle
Ein Bauernmädchen: angeblich Dulcinea

Handlung:

Prolog: Die Lieblingslektüre des herzoglichen Paares sind die Schriften des berühmten spanischen Romanautors Miguel de Cervantes. Er beschreibt nicht die Götter und Helden der Griechen und Römer, sondern Menschen seiner Zeit. Diese sind aus Fleisch und Blut, und jedermann kennt sie. Die Herzogin hat in Erfahrung gebracht, dass Don Quichote mit seinem Diener wieder durch die Lande reist, um Abenteuer zu bestehen. Geplagt wird der Ritter mit der traurigen Miene von Liebesschmerz, denn seine Herzensdame, die unvergleichliche Dulcinea weigert sich, ihren Anbeter zu erhören.

Die Herzogin wird dem edlen Ritter beides bieten können. Wenn das große Abenteuer bestanden ist, wird sie seine Dulcinea sein. Die Dienerschaft, die Nachbarn, die Gäste, die ganze Welt wird ihren Spaß haben, wie der ehrenwerte Ritter aus allen Bedrängnissen als Sieger hervorgeht. Man wird sich ein Intrigenspiel ganz nach ritterlicher Manier ausdenken und die kleine Theaterbühne, auf dem die Aktion stattfinden soll, muss passend dekoriert werden. Der edle Don Quichote und sein unbeholfener Diener sollen glauben, sie befänden sich im verwunschenen Wald des Zauberers Aspharador.

Das erste Abenteuer, welches zu bestehen ist, besteht darin, dass die verkleidete Altisidore wie Andromeda an einen Baum gekettet ist und wehklagt. Ein Ungeheuer wird dem Ort einen Besuch abstatten, und wenn sie nicht rechtzeitig befreit wird, ihm zum Fraße dienen. Bestimmt wird Don Quichote seinen Edelmut unter Beweis stellen und das Ungeheuer – zwei verkleidete Diener unter einer Decke – zur Strecke bringen. Als Belohnung bekommt er das befreite Mädchen, wie es leibt und lebt. Bis die Vorstellung zu Ende ist, will die Herzogin ihr Ziel erreicht haben, das Herz Don Quichotes in Besitz zu nehmen.
1. Akt: Der Spaß kann beginnen. Das Monster wirkt wenig gefährlich, eher wunderlich. Doch Sancho Pansa hat furchtbare Angst und lamentiert wie Tamino in der Zauberflöte: Zur Hilfe! zur Hilfe! Ein furchtbares Ungeheuer sucht seine Tage zu beenden. Vor seinem furchtbaren Zorn muss er fliehen. Hilfe, zur Hilfe! Er kann es erkennen. Sein Blut rinnt kalt durch seine Adern. O Himmel, wohin soll er fliehen, der unglückliche Sancho? Sein Ende ist nah. Aber Don Quichotte weiß, wie mit Monstern zu verfahren ist. Er hat sich vorgenommen, die ganze Erde von Drachen und Lindwürmern zu befreien. Ohne die angekettete Altisidora eines Blickes gewürdigt zu haben, kann das verletzte Untier in den tiefen Wald entweichen. Das befreite Mädchen gratuliert ihrem Beschützer und macht Anstalten zärtlich zu werden. Doch der große Ritter will keinen Lohn. Aus Edelmut hat er gehandelt und jetzt möchte er sofort wieder abreisen.

Das muss in jedem Fall verhindert werden, denn Altisidora möchte nicht diejenige sein, die ausgelacht wird. Kann es wahr sein, dass der glorreiche Ritter diesen gastlichen Ort verlassen will? Tatsächlich, die Aufgabe seines Lebens ist es, nirgendwo zu verweilen und von Sieg zu Sieg zu eilen. Zudem wartet Dulcinea auf ihn. Er hat seine Pflicht getan und ist einer bedrängten Dame zur Hilfe geeilt. Auf Belohnung jeglicher Art wird großzügig verzichtet.

Die Herzogin muss das Notprogramm in Gang setzen. Seltene Vögel, Satyrn und Dryaden tauchen auf, um den Ritter an der Abreise zu hindern. Der ungläubige Theaterbesucher sollte nicht vergessen, dass wir uns in einem Zauberwald befinden. Auch Sancho Pansa möchte nicht abreisen. Die aufgetischten Speisen und Getränke waren zu köstlich. Er will das Schlaraffenland nicht verlassen und hat eine Idee.

Flink greift er sich eine Kammerzofe der Herzogin und gibt sie als Dulcinea aus. Wenn sein Herr sie nicht erkennt, liegt es daran, dass sie das Opfer eines Zaubers ist, der ihr Gesicht unkenntlich gemacht hat. Besonders gut ist die Idee allerdings nicht, denn das Mädchen ist nicht besonders talentiert und will nicht mitspielen. Sancho droht die Prügelstrafe.

Endlich kommt auch der Herzog zum Zuge. Er hat sich als Zauberer Merlin verkleidet und lässt seinen Gast wissen, dass er die geliebte Dulcinea in der Höhle des Montesinios wiederfinden könne. Dort sind - wie jeder weiß - eine Vielzahl der berühmten Liebenden, die Opfer des Zauberers sind, gefangen gehalten. Der edle Don Quichote soll sich trotz der Gefahren, die dieses Abenteuer in sich birgt, dorthin begeben. um dem Zauber, der seiner Geliebten die Züge einer Bäuerin verleiht ein Ende zu bereiten.
2. Akt: Don Quichote gelangt zum Eingang der Höhle und beteuert seine Entschlossenheit, den lauernden Gefahren, welcher Natur sie auch immer sein mögen, zu trotzen. Altisidora, die sich zu ihm begibt, versucht ihn davon abzubringen und gibt sich als Königin von Japan aus, die in ihn über alle Maßen verliebt ist. Der Ritter lehnt vornehm ab. Die Herzogin ist missmutig, weil die gesponnenen Fäden der Intrige reißen. Der gewünschten Effekt stellt sich nicht ein. Um das gestartete Programm zu füllen, lässt man Don Quichote gegen einen Riesen und einen Giftzwerg kämpfen. Der Sehbehinderte erkennt nicht, dass es sich nur um Marionetten handelt.

Montesinos, der Höhlenbesitzer empfängt den unerwarteten Besucher wider alle Erwartung leutselig. Er erlaubt ihm, die Liebenden aus ihrem Zauberschlaf zu wecken. Alle erhalten ihre wahre Gestalt zurück und verspüren nach langen Zeiten der Abstinenz eine große Tanzlust, die ausgetobt sein will. Doch wo befindet sich Dulcinea?

Sie ist sehr wohl zugegen, doch noch immer mit den Gesichtszügen einer Bäuerin ausgestattet. Die Entzauberung hat nicht vollends funktioniert, weil an Sancho Pansa die Prügelstrafe für unerlaubten Schabernack noch nicht vollzogen wurde. Erneut greift Herzog Merlin ein und befiehlt zwei Teufeln, das Versäumte nachzuholen. Sie tun es mit Vergnügen.

Doch welche Verblüffung: Die Stockschläge verändern nicht im geringsten das Aussehen Dulcineas. Altisidora trifft ein und hat sich das Aussehen einer Königin von Japan gegeben. Japanische Königinnen sind selbstverständlich der Hexerei kundig. Sie denkt allerdings nicht daran, dem Zauber ein Ende zu bereiten. Um ihrer Macht und ihrem Grimm Ausdruck zu verleihen, befiehlt sie den Teufeln, Dulcinea nach Japan zu entführen. Anschließend verwandelt sie Don Quichote in einen Bären und Sancho Pansa in einen Menschenaffen.
3. Akt: Die Gäste verhalten sich so, als hielten sie Sancho Pansa für einen dressierten Affen. Doch alle entfliehen mit Schrecken, als sie das schwer zu ertragende Wehklagen des Bären Don Quichotes vernehmen. Allein zurückgelassen beklagen die beiden ihr furchtbares Schicksal.

Altisidora, die dem Ritter immer noch nicht die kleinste Liebeserklärung entlocken kann, setzt alles auf eine Karte. Sie prophezeit ihm seinen Tod, sollte er sich ihr weiterhin nachdrücklich verweigern. Der Ritter nimmt die Nötigung mit Gleichmut auf. Jetzt droht sie ihm mit dem Tod Dulcineas. Don Quichote bleibt fest.

Altisidora sieht ein, dass sie ihre Wette verloren hat. Der Herzog hat keinen Spaß mehr an dem Spiel und erklärt die Farce für beendet. Korrekterweise erklärt er, dass der Ritter jeden mit seinem Stolz und seiner Beharrlichkeit in Erstaunen versetzt habe. Mit ihren eigenen Waffen geschlagen gibt Altisidora auf, und man erweist dem Ritter mit der traurigen Miene gebührende Ehre. Er wird zum König von Japan gekrönt und seiner holden Dulcinea darf er weiterhin unangefochten die Treue halten.

Beschreibung:

Um sich mit dem Inhalt dieser Komödie anfreunden zu können, muss man sich in das Zeitalter des Spätbarocks versetzen. Der gelangweilte Adel lebte auf seinen Schlössern und frönte der Sucht nach Zerstreuung. Man sann auf Intrigen und suchte nach Belustigungen, die meist auf Kosten anderer gingen. Die Musik erlebte eine Hochblüte, die sich aber den Belangen des höfischen Lebens unterzuordnen hatte.

Joseph Bodin de Boismortier gilt als ein typischer Vertreter dieser Generation, und seine Komödien, in denen ausgiebig getanzt wird, entsprechen in vollem Umfange dem Geschmack ihrer Zeit. Geschickt inszeniert und auf historischen Instrumenten gespielt, kann die Musik auch heute noch in ihren Bann ziehen. Das Libretto nimmt man mit Wohlwollen und Schmunzeln zur Kenntnis.

Von Miguel Cervantes waren seine Literaturhelden als Parodie auf die Ritterromane gedacht, die den Markt damals überfluteten. Der spanische Caballero, sein Diener Sancho Pansa und seine unsterbliche Geliebte Dulcinea erfahren bei Bodin de Boismortier eine ganz neue Variante. Allerdings unterziehen sie sich einer Zeitreise und landen auf ihrer Wanderschaft in Frankreich, als der Rokoko seine Blüten trieb.
Letzte Änderung am 24. Februar 2007
Beitrag von Engelbert Hellen

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