Francesco Cavalli (1602-1676)

Ercole amante

(Der verliebte Herkules)

Allgemeine Angaben zur Oper:

Titel: Ercole amante
Titel deutsch: Der verliebte Herkules
Titel englisch: Hercules in Love
Titel französisch: Hercule amoureux
Anlass: Hochzeit von König Louis XIV. mit Maria Teresa, Infantin von Spanien
Entstehungszeit: 1662
Uraufführung: 7. Februar 1662 in Paris (Théâtre des Tuileries)
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 160 Minuten
Bemerkung: Die Urfassung inkl. aller Ballettmusiken Lullys dauerte ca. 6 Stunden.

Zur Oper:

Art: Oper in fünf Akten mit einem Prolog
Libretto: Francesco Buti nach dem Sagenschatz der Griechischen Antike
Sprache: italienisch
Ort: das antike Griechenland in sagenhafter Zeit
Zeit: übertragen auf die Gegenwart des 17. Jahrhunderts

Personen:

Ercole: Abenteurer im Ruhestand (Herkules)
Dejanira: seine Gemahlin
Hyllo: beider Sohn
Jole: von Hyllos und Ercole geliebt
Gionone: Gemahlin des Jupiter, Hüterin der Ehe (Juno)
Venere: Göttin der Liebe (Venus)
Pasitea: Hüterin des Schlafes
Tevere: Meeresgott (Neptun)
Elena: Zankapfel von Troja
Licco: Vertrauter Dejaniras
Weitere: Eutyro (Vater Joles, Auftritt als Schatten), Il Paggio und weitere

Handlung:

Prolog: Die Oper beginnt mit der Verherrlichung des Königs, des Hofes und der europäischen Herrscherhäuser mit dem üblichen Pomp barocker Monumentalausstattung. Der Olymp, angefüllt mit Gottheiten diverser Funktionen, ist im Bild dargestellt. Von reichhaltiger Symbolik unterstützt, wird dem Zuschauer klar gemacht, dass der Sonnenkönig durchaus in der Lage ist, mit den großen Helden der antiken Sage in Augenhöhe zu verkehren. Ob er sich mit dem Herkules dieser Oper - wie vorgesehen – identifizieren möchte, mag angezweifelt werden.
1. Akt: Herkules hat seine Heldentaten hinter sich gebracht und ist jetzt auf Liebesabenteuer aus. Sein jugendliches Aussehen hat er eingebüßt, und deshalb gelingt es ihm auch nicht, das Mädchen Jole für sich zu begeistern. Doch die Göttin Venus, ständig auf Intrigen aus, verspricht dem ehemaligen Helden ihre Hilfe. Die Göttin Juno kann die Venus absolut nicht ausstehen, weil sie ihr damals den Apfel des Paris streitig gemacht hat. Grundsätzlich versucht sie zu durchkreuzen, was die andere durchsetzen möchte. Die Erstgenannte fühlt sich als Hüterin der Sittlichkeit, einer Eigenschaft von der Venus gar nicht weiß, was das ist.

Das Opernpublikum wird als erstes damit konfrontiert, dass Jole - sie möchte nicht Jule gerufen werden - den Hyllos liebt. Dieser hat als Sohn des Herkules beste Chancen, die dem Herrn Vater verwehrt sind, bei der Kleinen anzukommen. Dejanira als treues Eheweib hat es überhaupt nicht verdient, betrogen zu werden. Nichts hat sie sich zuschulden kommen lassen. Herkules macht sich lediglich lächerlich, wenn er dem Mädchen seines Sohnes nachstellt. Außer unvergänglichem Ruhm hat er nicht viel anzubieten.
2. Akt: Damit nun die Handlung endlich in Gang kommt, erzählt der geschwätzige Page dem Licco und dem Opernpublikum, was vorausgegangen ist:

Eutyro, der Vater Joles, hatte dem Herkules die Hand seiner Tochter fest versprochen, ohne mit dieser vorher Rücksprache zu nehmen. Jetzt stellt sich heraus, dass Jole zum Sohn des Erwähnten in Liebe entbrannt ist. Dem König bleibt nichts anderes übrig, als sein Versprechen zurückzuziehen. Herkules, ein Freund einfacher Lösungen, ist erbost. An Heldentaten gewohnt, liquidiert er kurz und bündig den Vater und entführt die Tochter. Dejanira, über das Fehlverhalten des Gatten durch ihren Vertrauten Licco unterrichtet, erbittet die Hilfe der Göttin Juno, die unausgesetzt ihren Status verteidigt, die Beschützerin der Ehe zu sein.

Juno hat die Untat des Herkules mitbekommen und handelt bereits. Sie sucht die Göttin Pasitea auf, deren Aufgabe darin besteht, den Schlaf von Göttern und Lebewesen zu behüten. Von der Freundin erbittet sie die Gefälligkeit, ihr die Gabe, andere in Schlaf versetzen zu können, vorübergehend auszuleihen.
3. Akt: Venus nimmt sich ein Wolkentaxi und schwebt zur Erde hernieder. Die Großzügige setzt den erfreuten Herkules in Kenntnis, dass Jole in aller Kürze sein Lager mit ihm teilen wird. Der Page will an die Zusage nicht glauben, weil er weiß, dass Jole den Sohn des Alten liebt und äußert in aller Offenheit seine Bedenken. Er hat recht, denn Jole findet das Begehren des ranghohen Freiers verabscheuungswürdig und gibt ihm einen Korb.

Die Liebesgöttin hat ihr Söhnchen Cupido beschwatzt, einen Liebespfeil auf die Widerstrebende abzuschießen. Diese verliert ihr seelisches Gleichgewicht, und kann – nunmehr ferngesteuert - für ihr Handeln nicht mehr verantwortlich gemacht werden. Ein Liebesduett mit dem neuen Liebhaber kündet dem Opernbesucher den Wechsel der Gefühle und die Veränderung der Situation. Hyllo ist über den Sinneswandel seiner Liebsten entsetzt, zumal er sich keiner Schuld bewusst ist. Wie soll der um sein Glück Betrogene ahnen, dass auf seinem Rücken zwei Göttinnen ihr Ränkespiel austragen? Der Bestürzte beabsichtigt, sich das Leben zu nehmen, bevor der Vater kurzen Prozess macht und es auslöscht.

In ihrer Weisheit hat Juno den möglichen Ablauf der Dinge einkalkuliert. Die Vorausschauende kommt nun mit dem Schlafpülverchen angerückt, welches ihre Freundin, die Schlafeule Pasitea, ihr ausgehändigt hat, um es unbemerkt über Herkules auszustreuen. Anschließend rät die Besorgte der unentschlossenen Jole, mit ihrem Schatz andere Ufer aufzusuchen. Vorher soll sie aber noch den brutalen Herkules ins Jenseits befördern, damit es Hyllo nicht ans Leder geht.

Den Dolch hat die Unbeholfene bereits gezückt, um dem Schlafenden den Stahl in sein lausiges Fell zu rammen, aber Hyllo kommt unvermutet hinzu und entwendet ihr die Waffe. Von dem Getöse wird Herkules wach, sieht den Dolch in den Händen seines Sohnes und glaubt, den Zusammenhang zu verstehen. Natürlich ist Dejanira schuld, die den Kleinen gegen ihn aufgehetzt hat. Jole nützt es überhaupt nichts, sich als Schuldige zu bekennen. Dem Rasenden macht sie ein Angebot: Wenn er das Leben von Mutter und Sohn schont, kann man sich über Großmut und Zuneigung unterhalten. Das Ekel, nicht abgeneigt, sich zu arrangieren, entschließt sich zu einem Entgegenkommen auf halbem Wege. Dejanira muss das Haus verlassen, und Hyllo wird im Kartoffelkeller eingesperrt.
4. Akt: Das Tosen des Meeres soll Hyllos Herzensqual übertönen. Deshalb hat er sich mit dem Pagen zu einem Strandausflug entschlossen. Hilfreich versucht dieser, seinem Herrn gut zuzureden und bittet ihn, nicht zu verzweifeln. Doch dieser will sich nicht besänftigen lassen und stürzt sich in die Brandung. Juno hat die Verzweifelungstat mitbekommen und ersucht Neptun, darauf zu achten, dass der Kleine nicht zu viel Salzwasser schluckt.

SZENENWECHSEL

Jole ist auf den Friedhof geeilt, um am Grab ihres Vaters Trost und Hilfe zu suchen. Dieser kann im Grabmal keine Ruhe finden und bringt in seiner Unrast das ihn einschließende Gemäuer zum Bersten. Der Geist mahnt die Tochter, auszuharren – kommt Zeit, kommt Rat.

SZENENWECHSEL

Dejanira bleibt auch nicht untätig und plant mit Unterstützung ihres Vertrauten Licco dem treulosen Gatten eins auszuwischen. Der von Herkules besiegte Zentaur Nessus hat Dejanira einst ein Hemd von besonderer Qualität geschenkt. Herkules soll es anziehen, wenn sie glaubt, von dem Helden nicht mehr geliebt zu werden, damit der Verlust der zärtlichen Gefühle sich wieder einstellt. Nur Licco kennt das fürchterliche Geheimnis: Das Kleidungsstück ist mit giftigen Brennnesseln gefüttert. Wer es anzieht, kommt aus dem Textil nicht mehr lebend heraus – eine nachträgliche Rache des Pferdemenschen. Das schreckliche Hemd wird Jole zugespielt, damit Herkules die schmückende Webarbeit zur geplanten Hochzeit trägt.
5. Akt: Der Termin für die Hochzeit zwischen Herkules und Jole steht fest. Der fromme Abt Francesco Buti, der das Libretto verfasst hat, erklärt nicht, ob Dejanira verstoßen wurde oder ob Jole die Position einer Nebenfrau erhält. Der Ahnungslose zieht sich das Hemd über und verendet binnen Minuten auf der Stelle unter grausamen Qualen.
Jedem, was ihm gebührt!

Der Störenfried ist tot. Jetzt können Hyllo und Jole ungestört ihren amourösen Neigungen nachgehen. Der Held in ungezählten Abenteuern soll jedoch nicht leer ausgehen. Er wird ein feierliches Begräbnis bekommen.
Epilog: Herkules fährt in den Himmel auf und erhält von Venus Schadenersatz für die abtrünnige Jole. Er wird mit der Schönheit in Person vermählt und für unsterblich erklärt. Der Opernbesucher macht sich Gedanken, ob das Scheusal eine solche Ehre wirklich verdient.

Wird Ludwig der XIV., diesmal ein französischer Herkules, in der Lage sein, Heldentaten zu vollbringen, wie sein antiker Vorgänger es vorgemacht hat? Der Hof von Versailles hat keine Zweifel! Maria Teresa wird ihn anfeuern!

Beschreibung:

Zur Krönung Ludwigs XIV. mit der spanischen Infantin im Jahre 1660 wurde die Oper nicht rechtzeitig fertig, so dass man sich mit dem Xerse zufrieden stellen musste. Die Architekten des neuen Theaters in den Tuilerien konnten den Bau, der mit allen technischen Finessen ausgestattet werden sollte, nicht pünktlich errichten.

Lullys Bedenken gegen eine Aufführung des „Herkules“ zu dem erwähnten Anlass sind bei gerechter Beurteilung verständlich. Der szenische Ablauf des Librettos wäre kaum geeignet gewesen, die Herrscherqualitäten eines Sonnenkönigs und vor allem sein Bedürfnis, bis zur Selbstaufopferung geliebt zu werden, ins rechte Licht zu rücken.

Lully, zu recht beleidigt, dass man ihm in seiner Eigenschaft als Hofkomponisten untersagte, zum feierlichen Anlass die Festoper zu komponieren, intrigierte was das Zeug hielt. Als es endlich so weit war, das Werk aufzuführen, war der Auftraggeber, Kardinal Mazarin, bereits seit zwei Jahren tot. Die Oper hatte wenig Erfolg. Die Franzosen kamen mit dem italienischen Text nicht zurecht und waren von Lully prinzipiell auf „Ballett“ eingestimmt. Auf dem Gebiet der Tanzkunst war der Italo-Franzose unangefochtener Meister und liebte es, seinen Herrscher im Strahlengewand der Sonne auftreten lassen. Enttäuscht und verbittert kehrte Cavalli, an den Canale Grande zurück.

Die Gepflogenheiten der Barockoper verlangen extremen Aufwand an Dekoration und technischen Tricks. Ein hohes Maß an Feinfühligkeit ist gefordert, zu heutiger Zeit eine Barockoper unter Verzicht auf das Wesentliche wie technische Finessen und monumentale Ausstattung einem interessierten Publikum nahe zu bringen.
Letzte Änderung am 7. April 2018
Beitrag von Engelbert Hellen

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