Antonín Dvořák (1841-1904)

Dimitrij

(Dimitri)

Allgemeine Angaben zur Oper:

Titel: Dimitrij
Titel deutsch: Dimitri
Entstehungszeit: 1881/82, rev. 1883 und 1885
Uraufführung: 8. Oktober 1882 in Prag (Neues Tschechisches Theater)
Besetzung: Soli, Chor (SATB) und Orchester sowie Bühnenmusiker
Spieldauer: ca. 180 Minuten
Bemerkung: Mit seiner Oper „Dimitrij“ besorgt Antonín Dvořák aus literarischer Sicht die Fortsetzung von Mussorgskis „Boris Godunow“. Die Historie ist in Wirklichkeit weitaus turbulenter als die Oper und lässt zwei falsche Dimitrijs agieren. Schuiski besteigt den Zarenthron und regiert vier Jahre. Er bemüht sich, in „Zeiten der Wirren“ mit schwedischer Hilfe ein passabler Herrscher zu sein und stirbt 1612 in polnischer Gefangenschaft. Das Libretto ist vorzüglich gearbeitet und schafft selbst in der deutschen Nachdichtung noch einen unvergleichlichen Eindruck. Nicht ganz so populär wie die „Rusalka“ hält man den „Dimitrij“ doch für Dvořáks bedeutendstes Bühnenwerk.
Opus: op. 64 (1. Fassung)
B 127

Zur Oper:

Art: Historische Oper in 4 Akten
Libretto: Marie Červinková-Riegrová
Sprache: tschechisch
Ort: Moskau
Zeit: 1605-06

Personen:

Dimitrij Iwanowitsch: angeblicher Sohn Iwan des Schrecklichen (Tenor)
Marfa Iwanowa: Zarin, Iwans Witwe (Alt)
Marina Mischnek von Sandomir: Dimitrijs polnische Gemahlin (Sopran)
Xenia Borisowna: Tochter des Zaren Boris Godunow, in Dimitrij verliebt (Sopran)
Peter Fjodorowitsch Basmanow: Kommandant der Armee des Zaren (Bariton)
Fürst Wassilij Schuiski: Anwärter auf den Zarenthron (Bariton)
Hiob: Patriarch von Moskau (Bass)
Nebowsky: Edler aus Polen (Tenor)
Bischinsky: Edler aus Polen (Bariton)
Weitere: russische und polnische Edelleute und Hofdamen, Popen, Soldaten, Volk

Handlung:

1. Akt: 1. Szene

Der gerechte Gott und Vater soll auf die Tränen von Mütterchen Russland schauen und Zeuge ihrer Not sein, klagt das Volk nach alter Gewohnheit, denn der Zar ist tot. Den Arm des Landesvaters hat der Todeskampf erlahmt und bitterer Harm drückt nun die armen Kinder. Jeder wünscht sich Frieden, doch das Polenheer rückt immer näher. Bald steht es vor Moskaus Toren. Der Erbe aus Iwans Blut soll zu ihrem Schutz herbeieilen. Nur Gottes Auge kann erkennen, ob es kein Scharlatan ist. Wem sollen sie noch trauen? Wer wird die Armen schützen? Gottvater, stark und mild, soll sie ein Wunder schauen lassen.

Der Patriarch von Moskau in Begleitung seiner Priesterschaft tritt in ihre Mitte und ersucht um Gehör.
Die edlen Bojaren haben dem Zaren Boris und seiner Familie Treue geschworen. Jetzt sei es an diesen, den Zarenkindern beizustehen und ihnen ihre Ergebenheit zu beweisen. Die Drachensaat, von der die Unschuld bedroht wird, muss vernichtet werden. Der Priesterchor meint, dass die Edlen nicht ruhen sollen, bevor der Feind nicht ausgelöscht ist.

„Glaubt nicht mehr an Iwans Erben,
wehrt dem Unheil ohne Verzug,
Polen reißt uns ins Verderben,
ächtet diesen frechen Trug!“

Nachdem der Klerus seine Meinung geäußert hat, mach er dem Fürsten Schuiski Platz. Selbst wenn Dimitrijs Behauptung sich bestätigt, ein Nachkomme Iwans zu sein, so besteht seine militärische Macht aus Feinden Russlands, die das Verderben ins Land tragen. Polenblut und Polensitte darf keineswegs im Lande herrschen.

Das Volk ist sich nicht einig, ob die Gnade Gottes nun den kleinen Feodor tatsächlich umschweben soll. Doch Boris war ein Missetäter; von Höllenglut erfasst, trägt er nun an seiner Sünden Last. Keine Gnade für seinen Sohn. Doch den Bojaren ist Dimitrij auch nicht recht. Dem frechen Hohn soll das Volk ein Ende setzen und den Verräter mit Waffengewalt einfangen. Es kommt zu Handgreiflichkeiten, weil jede Gruppe ihre Ansicht, wer auf dem Thron sitzen soll, durchsetzen möchte.

2. Szene

Basmanow hat sich mit seinen Soldaten in den Vordergrund gedrängt. Russland soll auf bessere Zeiten warten und zunächst Dimitrij als Herrscher ehren. Er findet es nicht gut, dass Moskau sich gegen Dimitrij sperrt. Wenn er herrscht, wird er nicht zulassen, dass ein blinder Haufen mit des Landes Zukunft spielt.

„Dimitrij der Krone Segen,
ihn hält seiner Mutter Arm.
Marfa kommt ihm froh entgegen,
fort ist all ihr Schmerz und Harm.“

Das Volk zweifelt. Soll man dem Zeugnis der Zarenmutter glauben? Basmanow besteht darauf, dass Dimitrij der neue Zar wird.

3. Szene

Schuiski sieht es nicht gern, dass man den toten Zaren schmäht. Seine Haltung richtet sich gegen Dimitrij und er beklagt die Uneinsichtigkeit des Volkes. Es soll dem Scharlatan nur huldigen und seinem Schwindel zum Raub fallen. Wo bleibt ihr Stolz? Dem Thronräuber ist ein großer Wurf gelungen und hat sich des Volkes Sinn zum Nachteil der Godunows arglistig zunutze gemacht. Von Hass getrieben wird Boris nach Gutdünken geschmäht. Undank folgt ihm nach, aber allein Gottes Wille lenkt die Welt. Wenn das Volk die falschen Entscheidungen trifft, wird es schon sehen, was es davon hat. Zum besseren Verständnis der Situation sei erklärt, dass Schuiski adeliger Abstammung ist und aus dem Geschlecht der Fürsten von Susdal abstammt. Die Herrschaft des militärisch starken Dimitrij ist das Letzte, was er sich wünscht. Seine greisen Hände werden dessen Macht in Trümmer fallen lassen, prophezeit er.

4. Szene

Die Zarenkinder hatten im Haus Schuiskis eine Zuflucht gefunden. Der Mob hat bei einem Überfall den kleinen Feodor ermordet. Der Himmel hat ein furchtbares Strafgericht gehalten. Xenia weiß den Grund nicht und ihr Gemüt befindet sich in Aufruhr.

„Frech drang der Pöbel bei uns ein,
sein Ziel war Raub und Mord allein.
Der Narrenbrut Verderben,
Feodor der Zar soll sterben.“

Der Bruder und die Mutter sind tot. Hinter der Bühne tönt des Volkes Stimme: „Untergang der ganzen Sippe.“ Schuiski verspricht der verängstigten Xenia, sie mit seinem Schwert zu schützen.

Auf seinen Arm gestützt, verlässt Xenia den Schauplatz.

5. Szene

Des Volkes große Sehnsucht ist die Einkehr von Ruhe und Frieden im ganzen Land. Im goldenen Sonnenglanz soll das Heil kommen. Wenn erst der wahre Erbe sich auf den Thron setzen wird, darf er auf das Vertrauen des Volkes bauen. Die Menschen Russlands hoffen, dass Dimitrij der ersehnte Messias ist. Der Segensspruch der Mutter wird seine Kraft stärken.

Endlich erscheint der heiß Ersehnte in Person. Ehrfürchtig begrüßt er den erhabenen Kreml, in dem die Helden vergangener Zeiten wandelten. Auch er wird nun die Pforte durchschreiten, die ihm den Weg zum Ahnensitz freigibt. Im Volk kommt Rührung auf, denn seine zur Schau gestellte Demut kommt gut an. Demut zeigt die wahre Größe eines Herrschers! Jede Tat, die er vollbringt, soll dem Volk zum Wohl gedeihen, verspricht er. Wenn des Himmels Gnade ihn unterstützt, wird er sein höchstes Ziel erreichen. Der Thronanwärter hat sich geschworen, tapfer zu kämpfen. Er ist bereit, dem Land immer zu dienen. Ganz Moskau soll seinen Eid hören: Den Ruhm Russlands will er vermehren. Falls er träge wird und den Arm sinken lässt, soll Gottes Zorn ihn treffen und sein Name verflucht sein.

Die Zarenmutter erscheint mit ihrem Frauengefolge, um ihn zu legitimieren. An seiner Demut erkennt sie den rechtmäßigen Zarenspross. Die Ahnung sagt ihr, dass es ihr Kind ist, welches sie so lange vermisst hat. Freude durchglüht sie und der Sohn soll ihr willkommen sein. Basmanow erklärt dem Volk, dass der Himmel sich dem Ankömmling zugewandt habe. In seinem Herzen glühe das heilige Gebot, das Vaterland zu retten. Die Leute sollen jetzt verschwinden und den Sohn mit der Mutter allein lassen. „Seht, Marfa traf schon ein!“ „Sie sei mit ihm allein!“

6. Szene

Marfa fühlt sich angeschwindelt. Sie schaut Dimitrij kurz ins Gesicht und stellt fest, dass dieser Mensch unmöglich ihr Sohn sein kann. Der Verschmähte spielt seine Rolle nicht schlecht. Er fällt Marfa zu Füßen und gibt vor, sich zu freuen, das liebe Mutterherz endlich wiedergefunden zu haben. Sie soll ihn in ihre Arme schließen. Marfa kämpft mit ihrer Enttäuschung. Der süßen Hoffnung, ihr Kind jemals wieder zu Gesicht zu bekommen, wird sie nun endgültig abschwören. Ihr totgequältes Herz soll endlich Ruhe finden. Dimitrijs Enttäuschung ist nicht minder groß, denn von Marfas Bereitschaft, ihn als Sohn anzuerkennen, hängt seine Mission ab. Beide kämpfen mit ihren innersten Gefühlen. Dimitrij hat sich tatsächlich in die Vorstellung hineingesteigert, dass die Frau vor ihm seine leibliche Mutter sei. Basmanow versteht es, den Sinn der Zarenmutter zu lenken, und rät, Hass und Enttäuschung zum Schweigen zu bringen. Wenn die Mutter dem Kind sich liebend neigen würde, kehre wieder Ruhe ein. Dem Volk würde es nutzen und die Stimme der Zwietracht zum Schweigen gebracht. Marfa ist zunächst ratlos und entschließt sich dann, Liebe vorzutäuschen und der Vernunft zu folgen. Mutter und Sohn umarmen sich.

Schuiski sieht es mit Wut:

„Recht und Wahrheit sind verbannt,
falscher Sohn wird anerkannt!
Weibertücke Spott und Hohn
sind des leichten Glaubens Lohn!
Trug und Diebstahl drang hier ein,
nimmer soll er Herrscher sein.“

Dimitrij hat sein Ziel erreicht:

„Mutter, Mutter, süßes Wort!
Wonnetaumel zieht mich fort!“
Aller Sehnsucht höchstes Ziel!
Reines Wunder das Gefühl!
Sonnenstrahl zerriss den Trug,
junger Adler, auf zum Flug!“

Marfa ist erleichtert:

„Frohe Regung wärmt mein Blut,
siedend heiß brennt diese Glut!
Mein entzücktes Auge schaut,
träumend neue Welten baut!“

Basmanow hält zu Dimitrij:

„Sie hat ihr Kind nun anerkannt,
sinnlos aller Widerstand!
Er ist Iwans wahrer Sohn,
ihm allein gebührt der Thron!
Russlands Söhne sind bereit
ihm zu folgen alle Zeit!“

Hiob, das Volk, die Priester und die Bojaren fühlen sich in ihrem Streben bestätigt.

„Marfa hat ihn anerkannt,
alle Zweifel sind gebannt
Er ist Iwans wahrer Sohn,
ihm gesichert ist der Thron!
In den Kreml ziehe ein,
unser Herrscher sollst du sein!“

„Marfa hat ihn anerkannt,
heilig ist der Liebe Band!
Marfa hat ihr Kind erkannt,
Iwans Erbe ist im Land
Russlands Söhne sind bereit,
ihm zu folgen alle Zeit!“

Gegensätzliche Empfindungen und Erwartungen vereinen sich zum großartigen Finale des ersten Aktes.
2. Akt: 1. Szene

Im Kreml wird für den Krönungsball alles vorbereitet. Dimitrij ist in Marina unendlich verliebt, was ihn allerdings nicht daran hindert, ihren modischen Auftritt zu kritisieren. Wenn sie auf dem Zarenthron sitzen möchte, darf sie sich nicht wie eine Polin kleiden! Wie sollen ihr die Herzen des Volkes zufliegen, wenn sie sich wie eine Okkupantin aufführt?

Noch hat das Glück die Oberhand und der Tag lacht ihm voller Wonne. Ihrer Schönheit wird er die Zarenkrone aufsetzen. Er erwartet von ihr, dass sie sich stets als sein eigen betrachtet. Ihre Liebe sei ihm wichtiger als der Thron und wenn er ihr in die Augen schaut, sei seine Seele trunken. Sie erscheint ihm wie ein Traum und er hat nur den einen Wunsch, stets in Liebe mit ihr verbunden zu sein.

Allerdings sollte sie sich angewöhnen, sich wie eine Russin zu verhalten. Genau das lehnt Marina ab. Ihr Blut sei von höchstem Adel und auf ihre Herkunft werde sie stets achten, weil alle Polinnen es so machen. Sie soll bitte nicht vergessen, des Volkes Mutter zu sein, mahnt der zukünftige Zar. Beabsichtigt er etwa, sich von der Menge tyrannisieren zu lassen? Des Volkes Grollen findet sie lächerlich. Mit Nachdruck betont sie, dass der Polen Kraft und Mut ihm die Zarenkrone als Geschenk ausgehändigt haben. Dimitrij ist gekränkt. Wenn sie nur Polens Herrlichkeit und ihren eigenen Stolz im Sinn hat, bezweifelt er, dass der Gatte ihr überhaupt etwas bedeutet wird. Marina weicht aus:

„Dem Herrscher bin ich zugesellt,
auf dass sein Weg stets höher führt;
vor Dir soll knien die ganze Welt,
dir huldigen, wie sich's gebührt!“

So wie Dimitrij sich Marinas Liebe vorgestellt hat, trifft sie nicht ein. Macht und Ruhm sind ihre Welt und sein Herz wird kaltgestellt. Die Hochmütige lässt ihn einfach stehen - er empfindet Leere und fühlt sich dem Druck eisiger Kälte ausgesetzt. Wo sind der Liebe Wundergaben? Liebe und Zärtlichkeit sind von Marina nicht zu haben.

2. Szene

Marina ist an einer friedlichen Koexistenz zwischen Russen und Polen überhaupt nicht interessiert. Ihr liegt daran, das russische Reich zu unterwerfen und sie trinkt ihren Landsleuten freudig zu. Einzig der Ruhm Polens ist ihr wichtig und die Interessen des Gemahls sind ihr gleichgültig. „Wohlvertraut tönen Polens Tänze und Weisen; wonnige Erinnerung schenkt ihnen ihr Klang. Das Heimatland möchte sie preisen, wo die Freiheit blüht, der Tanz und der Gesang.“ Die Polen stimmen ein, aber die Russen lassen sich diese Überheblichkeit nicht bieten. Sie schimpfen auf die freche Meute, die ihr Land als Beute sieht. Wollen die Russen etwa Streit anfangen? Endlich kommt Dimitrij, um die Streitenden zu trennen. Er versucht, die Flammen des gegenseitigen Hasses zu löschen, nachdem Marina den Hochzeitsball verlassen hat.

„Dunkle Wolken sind gezogen, alle warten auf den Sonnenschein, freundlich strahlt der Regenbogen und der Mensch will heiter sein!“

3. und 4. Szene

In der Zarengruft hat Dimitrij meditiert, um Frieden zu finden. Er denkt darüber nach, dass Feinde in der Nähe lauern und Verräter versuchen könnten, sich einzuschmeicheln. Die Stille soll seine wunde Seele heilen, denn er fühlt sich ungeliebt, einsam und verlassen. Als er aus der Krypta hochsteigt, trifft er auf Xenia, die am Grab ihres Vaters einen Blumenstrauß deponieren will. Sie befindet sich auf der Flucht und schaut sich furchtsam um. Die Verängstigte befürchtet, dass die grölende Menge die Heiligkeit des Ortes nicht achten und sie vor Gewalt und Grausamkeit nicht sicher sein wird. Dimitrij beobachtet und bewundert sie, denn sie trägt ihr unendliches Leid mit Fassung. Zwei Verfolger sind in den Dom eingedrungen und werben aufdringlich um Xenias Gunst, die sich im Gebet hilfesuchend an den toten Vater wendet. Doch zu ihrer Rettung erscheint Dimitrij, der die beiden zudringlichen Polen in die Flucht schlägt. Der Vatergeist hat sie beschützt. Xenia preist das göttliche Wunder.

5. Szene

Dimitrij verliebt sich sofort in Xenia und spricht zu ihr von seinen hehren Gefühlen. Sie wäre der willkommenen Ersatz für Marina, doch Xenia findet es ungehörig, ihr in der Kirche eine Liebeswerbung vorzutragen. Sie quittiert mit Seligkeit, dass er zur Stelle war, um sie aus arger Bedrängnis zu erlösen. Das Mädchen soll ihm doch bitte sagen, wo er sie finden kann. In Schuiskis Haus habe sie Schutz gefunden. „Ach, Du lieber Gott!“

6. Szene

Schuiski hat sich ausgerechnet die Gruft Iwans des Schrecklichen für eine Zusammenkunft ausgesucht. Er winkt die Verschwörer heran und ahnt nicht, dass Dimitrij in der Nähe lauscht, nachdem Xenia sich verabschiedet hat. Der Fürst plant, Dimitrij beiseite zu räumen, und dabei sollen die Bojaren ihm helfen. Doch diese sind davon nicht begeistert und wollen wissen, wer der rechtmäßige Zar sei und wo er sich aufhalte. Nun berichtet Schuiski davon, was er einst in Uglitsch sah:

„Voller Blut war jene Kammer,
überall nur Furcht und Jammer,
eine Gruseltat geschah!
Wer das Kind war, will ich sagen,
das man dann zum Grab getragen,
des Gewissens Stimme ruft!
Zarewitsch fand dort sein Ende,
fiel den Mördern in die Hände,
schwöre ich in Iwans Gruft.“

Dimitrij kommt in seinen Mantel gehüllt hinter dem Grabmal vor und rät vom Eid ab. Die Verschwörer sind erschrocken und glauben an ein Gespenst. Dimitrij gibt sich als Zar zu erkennen. Schuiski würde ihn am liebsten an Ort und Stelle gleich umbringen lassen, doch seine Begleiter sind sich nicht einig und aus der Bluttat wird nichts. Sie fürchten Gottes Zorn und sind nicht zu bewegen, dem Befehl ihres Anführers zu gehorchen, der sie als Feiglinge beschimpft. Dimitrij kann die Bojaren auf seine Seite ziehen. Eine formelle Entschuldigung schützt sie vor Strafe.
3. Akt: 1. Szene

Die Begegnung mit Xenia an der Gruft ihres Vaters hat auf Dimitrij einen tiefen Eindruck gemacht. Eingedenk der Kälte Marinas suchen seine Gefühle einen neuen Weg und haben sich nun am lieblichen Wesen Xenias entzündet. Er sah sie an und reinste Wonne trank sein Sinn in stiller Seligkeit. Unvergesslich, wie sie vor ihm stand! Ein süßes Feuer war in ihm sogleich entbrannt und ein Blick genügte, dass die Welt vor ihm versank. Er dachte, ihm sei nur Traurigkeit beschieden und nun kommt ein Frühlingshauch nach langer Winterzeit.

Der Opernbesucher ahnt es bereits: Dimitrij hat kein Problem, das Hemd zu wechseln, falls Marina ihm Ärger bereitet.

2. Szene

Unter Bezugnahme auf die Verschwörungsszene in Iwans Gruft bekommt Schuiski nun Verdruss, weil ihm Hochverrat angelastet wird. Basmanow erklärt:

„Jetzt hört, damit ihr alle wisst,
dass Schuiski nun des Todes ist!
Wir wollen einig sein,
dem Zaren Treue halten,
das Unkraut gehe ein,
Gerechtigkeit soll walten.“

Der Klerus und Marfa halten zu Dimitrij. Doch Marina ehrt weder die Bräuche, noch das Land. Die Zarin lässt sich die Messe in lateinischer Sprache lesen, aber der orthodoxe Patriarch erklärt, dass Götzendienst nicht gestattet wird. Im Bedarfsfall erwägt er die Möglichkeit, die Ehe zwischen Dimitrij und Marina auf Wunsch wieder zu lösen.

3. Szene

Der Opernchor bedauert Xenia. Das arme Kind steht ganz allein auf der Welt, wenn Schuiski hingerichtet wird. Verzweifelt wendet sich die Verlassene an Marina und bittet diese um Fürsprache, damit die Hinrichtung ihres Wohltäters, in dessen Haus sie lebt, annuliert wird. Doch Marina bedauert, Gnade und Milde kann nur der Zar spenden, sie möge sich doch bitte an diesen wenden. Nun erkennt Xenia, dass Dimitrij und der Zar ein und dieselbe Person sind. Die Verwirrung auf beiden Seiten ist komplett. Dimitrij und Marina geben ihren Empfindungen Ausdruck: „Wie soll ich den Kampf bestehen, dieses Engels nun gewahr.“ „Zweifel sind ihm anzusehen, sein Verrat wird offenbar.“ Basmanow drängt auf die unverzügliche Hinrichtung Schuiskis. Der Henker mit dem Schwert soll seines Amtes walten. Doch der Zar erfüllt Xenia ihren Wunsch und winkt aus dem Fenster, dass die Hinrichtung Schuiskis ausgesetzt werden soll. Marfa heißt die Entscheidung gut: „Gnade, Gnade seht nur an! Dimitrij hat recht getan.“ Marinas Eifersucht erwacht, denn sie erkennt, dass der Zar sein Verhalten an der Liebe zu Xenia orientiert. Den Polen missfällt die Entscheidung, dass Schuiski frei kommt. Marina und Marfa stehen in Opposition zueinander, Die Polen und die orthodoxe Priesterschaft ebenfalls. Neuer Streit bahnt sich an: Die Anhänger Marinas kritisieren den Zaren und argumentieren:

„Schnöder Verräter du!
Das steht Dir nimmer zu!
Die angetane Schmach
ruft Stolz und Ehre wach!
Gerecht ist unsere Wut,
solch Undank schreit nach Wut!“

4. Szene

Dimitrij trifft nun die endgültige Entscheidung, dass er sich von Marina und den Polen trennen wird. Die Liebe Xenias und der Zuspruch Marfas reichen ihm, seinen Herrschaftsanspruch auf die Zarenkrone zu zementieren.

Marina möchte zunächst das Geständnis erwirken, dass Dimitrij Schuiski frei ließ, um Xenia gefällig zu sein. Doch Dimitrij lehnt es ab, sein Handeln zu rechtfertigen. Marina schimpft ihn einen Verräter. Sie wird wütend und reklamiert seine legitime Herkunft: Der eitle Tor soll seine Väter ruhen lassen, sie hatten mit der Zarenkrone nichts zu tun. Nicht vornehm und ehrwürdig sei sein Haus, sondern er sei ganz einfach nur Grischa Otrepjew! Der wahre Zarewitsch verlor das Leben und lediglich polnischen Ränken verdanke er es, dass er sich aufspielen darf. Dimitrij glaubt ihr nicht. Sie soll schweigen und ihn nicht furchtbar kränken. Kalte Berechnung sei ihr Liebesschwur gewesen. Sie sei eine giftige Schlange voller Größenwahn - ihr glaube sowieso keiner.

Beide machen sich mit ihren Vorwürfen die Stunde zur Hölle. Er fühlt sich nun minderwertig und Marina leidet an ihrer Eifersucht. Selbst wenn er kein Zarenspross sein sollte, wird er sich die Macht erkämpfen, denn das Schicksal sieht er auf seiner Seite. Marina erkennt, dass ihre Enthüllungen ihr keinen Nutzen bringen werden und wechselt die Taktik. Erneut beschwört sie ihre Liebe, bemerkt aber auch, dass er ihr nicht mehr glaubt. Nun backt sie kleinere Brötchen und erklärt, dass er über ihren Hochmut gesiegt habe. Niemals würde sie ihn betrügen. Er solle sie umarmen und ewig ihr gehören.

„Du zögerst, glaubst mir gar nicht mehr?
Du weist mich ab, das kränkt mich schwer!
Lass wissen, was dich überzeugt:
Es ist mein Stolz, der sich gebeugt?
Geopfert sei, was wert auf Erden!
Jetzt höre mich: Ich will Russin werden!“

Doch Dimitrij quittiert Marinas Rückzug mit Gleichgültigkeit und lässt sich nicht betören. Falsche Reue verachte er! Zuwider sei ihm ihre Liebesglut, denn andere Möglichkeiten haben sich ihm erschlossen. Einem Bild, welches himmlisch rein auf ihn herabschaue, gebe er den Vorzug. Marina weiß genau, was er meint und erwidert „Dimitrij, denk nicht allzu hoch! Ein Otrepjew, das bleibst du doch!“
4. Akt: 1. und 2. Szene

Xenia versinkt in Todessehnsucht, denn der Geliebte hat sich nicht mehr gemeldet. Mit sich selbst im Widerstreit, erfasst sie uferlose Traurigkeit. Es quält sie eine Wunde, die nicht heilt, und sie verspürt bitteres Leid, das niemand teilt. Man soll ihr Totenblumen bringen, denn sie steht bereits am Abgrund. Doch Plötzlich steht der Heißersehnte vor ihr und macht Xenia eine Liebeserklärung, die sich hören lassen kann.

„Falsche Bande will ich trennen,
sei es noch so schwer für mich,
endlich werd' ich frei bekennen:
Xenia ich liebe dich.

Dunkle Mächte lass nur wüten,
Dir zu Füßen ist mein Platz,
deine Liebe möcht' ich hüten,
niemand raubt mir diesen Schatz.“

Nach anfänglichem Zögern nimmt die Unentschlossene die Werbung an und es kommt zum Liebesduett. Es naht ein neuer Morgen und in seinen Armen ist sie nun geborgen. Doch plötzlich besinnt Xenia sich anders. An allem Übel, welches über sie gekommen ist, sei Dimitrij schuld und den Tod des kleinen Feodor habe er auf dem Gewissen. Dimitrij erklärt seine Unschuld, doch Xenia lässt sich nicht belehren. Die Toten aus dem Schattenreich wollen ihr Glück nicht und sie bittet Dimitrij, sie zu verlassen. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die Verstörte allein zu lassen.

3. bis 5. Szene

Vermummte Männer erscheinen und töten Xenia mit dem Dolch. Die Anstifterin ist Marina, doch nachdem die Untat geschehen ist, bereut sie, voreilig gehandelt zu haben. Zu Tode getroffen wankt Xenia auf die Bühne. Marina bedeckt sie mit ihrem Schleier und versucht zu fliehen, doch an der Tür läuft sie Schuiski in die Arme. „Todesschreie immer wieder, böse Ahnung lähmt die Glieder!“ Volk strömt zusammen und beklagt Xenias Tod. Dimitrij ist plötzlich auch wieder zur Stelle und sieht die Leiche der toten Geliebten. „Was ist gescheh'n.“ „Ein Mord war es, grauenvoll anzuseh'n!“

6. Szene

Die flüchtende Marina wird von Schuiskis Begleitern im Garten aufgegriffen. Erschreckt erkennt das Volk die Zarin, die sich in ihrer Ausweglosigkeit schuldig bekennt. Dimitrij will sie vor Gericht stellen, doch sie verspricht ihm hasserfüllt, dass er sie in den Tod begleiten werde. Sie enthüllt den Umstehenden das Geheimnis, dass Dimitrij nicht der ersehnte Zar ist, sondern Grischa Otrepjew heißt. Schuiski dominiert die Szene: Zu Ende sei es jetzt mit dem Regieren. Auch die Mörderin soll Rang und Freiheit sogleich verlieren. „Rechenschaft fordert Volk und Reich. Der Polen Günstling stirbt jetzt gleich. Erneut ist Marfa zu befragen, sie soll dem Volk die Wahrheit sagen.“

7. Szene

Marfa erfüllt Schuiskis Begehren nicht und bestätigt angstvoll Dimitrijs Legitimität.

„Hört, sie hat ihn anerkannt.“
„Unsinn, Angst allein hat sie übermannt,
ums junge Leben ist's ihr Leid!
Aufs heilige Kreuz leiste sie den Eid!“

Marfa betet, dass Gott auf ihre Not blicken soll. Alle warten auf ihren Schwur, doch Marfa kann ihre Unsicherheit nicht verbergen. Dimitrij rät ihr selbstlos, vom Schwur abzulassen, selbst wenn es seinen Untergang bedeute. Marfa wird bewusstlos und Schuiski schießt spontan auf Dimitrij, der tot zu Boden sinkt. „Des Volkes Weg verdüstert sich, wo edler Geist der Machtgier wich.“ Der himmlische Vater soll sich erbarmen.
Letzte Änderung am 13. Oktober 2010
Beitrag von Engelbert Hellen

Suche bei den Klassika-Partnern:
Benutzerdefinierte Suche
jpc Über 1,5 Mio. Produkte
CDs, DVDs und Bücher.
Go
Suchbegriffe:
In Partnerschaft mit Amazon.de