Osvaldo Golijov (geb. 1960)

Ainadamar

(Brunnen der Tränen)

Allgemeine Angaben zur Oper:

Titel: Ainadamar
Titel deutsch: Brunnen der Tränen
Titel englisch: Fountain of Tears
Anlass: Auftrag des Boston Symphony Orchestra
Widmung: To Sue Knussen (In Memoriam) and Anthony Fogg
Entstehungszeit: 2003, rev. 2005
Uraufführung: 10. August 2003 in Tanglewood (Tanglewood Festival of Contemporary Music)
30. Juli 2005 in Santa Fe (Santa Fe Opera - revidierte Fassung)
Besetzung: Soli und Orchester
Spieldauer: ca. 80 Minuten
Erstdruck: Brooklyn, NY: Bill Holab Music, s.a.
Bemerkung: Golijovs Stück erhellt die Episode des tragischen Todes des im Jahre 1936 während der Wirren des Spanischen Bürgerkriegs hingerichteten Dichters Federico García Lorca. Als Schauplatz für die Bluttat wählt er die „Fontäne der Tränen“, einen historischen Brunnen in der Nähe von Granada - der Nachwelt unter dem arabischen Namen „Ainadamar“ geläufig. In der Rückerinnerung der katalanischen Schauspielerin Margarita Xirgu wird das tragische Geschehen ans Licht geholt. Ihr war es während der Franco-Zeit verboten, in Spanien aufzutreten, so dass sie gezwungen war, das Lebenswerk des geliebten Mannes in Lateinamerika zu publizieren.

Osvaldo Golijov, ein Argentinier jüdischer Abstammung und Jahrgang 1960, ist Amerikas große Hoffnung. Abseits der Tradition des Belcanto bereitet er einen Mix aus Tanztheater, Folklore und Spektakel, der erst dann als Oper zu identifizieren ist, wenn man es gesagt bekommt. Was immer man von dem Stück auch halten mag, der große Erfolg pflanzt sich in Europa fort. In der Einspielung auf Tonträger mit dem Atlanta Symphony Orchestra leiht Down Upshaw der Schauspielerin Margarita Xirgu ihre kostbare Stimme.

Zur Oper:

Art: Oper in einem Akt und drei Bildern
Libretto: David Henry Hwang
Sprache: spanisch von Osvaldo Golijov
Ort: im geografischen Bezug zu Uruguay, Havanna und Granada

Personen:

Federico García Lorca: spanischer Dichter
Margarita Xirgu: seine Geliebte und seine Muse
Nuria: ihre Schülerin
Ruiz Alonso: Befehlshaber
José Tripaldi: Bewacher
Weitere: ein inhaftierter Lehrer, ein inhaftierter Torero sowie Mariana Pineda (eine Freiheitskämpferin, in Person nicht präsent)

Handlung:

Präludium: WASSER UND PFERD

Erstes Bild: MARIANA

1. Ballade
2. Mariana, deine Augen
3. Bar Albor in Madrid
4. Aus meinem Fenster (Arie für die Statue Marianas)
5. Tod auf dem Pferd

Schulmädchen singen die düstere Ballade von „Mariana Pineda“ aus dem gleichnamigen Theaterstück von Federico García Lorca. Es war ein trauriger Tag für Granada, der die Steine zum Weinen brachte. Mariana bestieg das Schafott und musste für die Revolution sterben, weil sie im Verhör den Namen des Geliebten nicht verraten wollte. Die Glocken läuteten und läuteten!

Eine Vision entführt das Publikum in das Theatro Solis nach Montevideo. Dort agiert Margarita Xirgu, Geliebte und Muse Federicos - ihre Lieblingsschülerin Nuria an ihrer Seite. In den Kulissen wartet die Gefeierte darauf, noch einmal Mariana Pineda sein zu dürfen. Die Mädchen wiederholen die Ballade und versuchen, ihre Sehnsucht zu verstärken. Schmerz schüttelte ihren Leib an jenem Tag, als sie seine Hand nahm. Die Schauspielerin fühlt gleichzeitig als Mutter und als Geliebte.

Alt zu werden war Federico nicht vergönnt. Ströme von Tränen hat sie für ihn vergossen, denn sie spielte Nacht für Nacht die Frauen in seinen Stücken. Als sie „Mariana“ das erste Mal aufführten, war die Republik noch ein Traum. Sie selbst war damals noch jung, vielleicht zwanzig Jahre alt. Nuria meint, sie müsse etwa dreißig gewesen sein.

„Marina Pineda, deine Augen glänzen wie Sterne.“ Sie wird die Mutter eines neuen freien Volkes sein. Die Republik war ein schöner Traum. Freiheit sollte sie dem Volk bringen. Doch welche Tragödie passierte? Junges Fleisch wurde zerfetzt und ein Schwall warmen Blutes quoll hervor. Warum war ausgerechnet ihm dieses Schicksal bestimmt, anstatt in einem Spanien zu leben, wie er und Mariana es sich erträumten? Er wurde massakriert und verscharrt.

Nuria versucht, Margarita auf andere Gedanken zu bringen. Sie soll ihr von der ersten Begegnung in der Bar Albor in Madrid erzählen.

Nun ist es endlich so weit, dass Lorca in Person auftritt. Seine Poesie wirkt ein bisschen fragwürdig, denn er sagt: „Margarita Xirgu, proletarische Königin des spanischen Theaters. Prost!“ Margarita antwortet: „Verdammter Mist, Federico! Dieser Whisky schmeckt wie Benzin!“

Margarita hat nicht nur Lorca-Rollen gespielt. Sie war auch Elektra, Salome, wütende Antigone und Lady Macbeth. Die Ophelia hat ihr nicht gelegen – sie hat den Hamlet vorgezogen. Ab jetzt wird sie nur noch Mariana Pineda spielen, die großartige Frau, die vor hundert Jahren umgebracht wurde. Ihre Botschaft brachte reine Luft und solche Freiheit, die das Volk heute atmen soll. Lorca dementiert. Er will kein politisches Stück bringen. Warum hat er es denn geschrieben?

Aus seinem Fenster hat er in schlaflosen Nächten die Statur Marianas oftmals betrachtet. Sie war das reine Symbol der Revolution. Für ihn war sie Licht und Wärme vor allem aber Liebe. Süß spürte er ihren Atem, dann gab es einen Kuss auf den Mund und danach schlief er ein.

Mariana starb für die Revolution, aber die Revolution hat sie verraten. Vielleicht ahnt Federico in seiner Dichterseele schon, dass ihre beiden Schicksale ein und dasselbe sein werden.

Nun hat Margarita die Vision von der Festnahme Lorcas durch Ruiz Alonso. „Ay, ay! den Cabezón sollen sie ihm übergeben“, befiehlt er mit höhnender Baritonstimme.


Zweites Bild: FEDERICO

6. Ballade
7. Ich möchte mir die Augen herausreißen
8. Nach Havanna
9. Ich möchte inmitten der Explosionen singen
10. Festnahme
11. Die Quelle der Tränen
12. Beichte
13. Interludium: Gewehrschüsse und Klage über Federicos Tod

Erneut erklingt die Ballade „Ay, qué dia tan triste en Granada“, wird aber kurz und bündig von Radio Falange übertönt, denn die Jugend muss bereit sein, ihr edles Blut für die heilige Sache Spaniens zu vergießen. Margarita möchte sich die Augen ausreißen, um den Geliebten nicht leiden zu sehen. Nach Kuba wollte sie ihn bringen, um ihm eine Krone aufzusetzen, doch sie konnte es nicht. Nuria hört solche Sprüche nicht gern, sie ermahnt ihre Lehrerin, dass sie das gleiche Feuer, wie es Federico besaß, in Leben verwandeln soll. Nuria wird aufgeklärt, dass sein Tod der Grund sei, weshalb sie überhaupt noch unterrichte. Was hätte sie nicht dafür gegeben, wenn sie sein Schicksal hätte abwenden können. Es ist ihr nicht gelungen, ihn zu überreden, nach Havanna mitzukommen. Sie erinnert sich, was Lorca sagte. „Den Schädel offen in der Sonne, Sand mit Rumgeschmack und der Wind sein Hirte.“ Nein, nach Havanna wird er nicht gehen! Schwarze, nackte Engel und das Lachen eines geteilten Pfirsichs sind für ihn keine Verlockung. O weh!

Er möchte ein gewaltiges Lied singen inmitten der Explosionen, denn Spanien ist ein Stier, der lebend verbrennt. Spanien sei ein Fluss von Klagen in einen schwarzen Umhang gehüllt. Vergleiche zur aktuellen Situation finden er in Fülle. Margarita möchte nicht, dass er leidet und seine Tränen auch nicht sehen, doch alles Flehen hilft nichts. Federico wird bei den Toten bleiben und sein gewaltiges Lied singen.

Ruiz Alonso fordert, dass man ihm den Dickschädel endlich herausgeben soll. Die Frauen im Hause Rosales, in dem Lorca sich versteckt hält, wollen von ihm wissen, was er verbrochen haben soll. Mit seiner Feder habe er mehr Schaden angerichtet, als andere mit ihren Waffen. Ruiz Alonso besteht auf seiner Herausgabe. Federico ahnt seinen Tod und möchte keiner der Klagenden einen Abschiedskuss geben. Er sei ein Liebchen Russlands, behaupten seine Gegner, aber Margarita setzt dagegen, dass er die Freiheit, die Poesie und Rafael liebe.

Die Quelle von Ainadamar ist die Fontäne der Tränen. Zusammen mit einem Lehrer und einem Stierkämpfer wird der Gefangene an diesen Ort geführt. Das Ritual sieht noch eine Beichte vor, und jeder der Gefesselten darf sich letztmalig äußern. Lorca bittet den Himmel um die Vergebung der Sünden, die er nicht begangen hat, fühlt sich aber zum Sterben nicht bereit. Der Torero bestreitet die Existenz Gottes im Prinzip, denn er glaubt nur an den Stier. „Die Kinder können schon lesen und werden Fragen stellen“, sind die letzten mahnenden Worte des Lehrers. Dann nimmt das verhängnisvolle Schicksal seinen Lauf.

Eine Salve von Gewehrschüssen wird vom Tonband abgespielt und erschreckt das anwesende Publikum in tiefster Seele. In die Collage wird das „Lamente por la Muerte de Federico“ eingebaut.


Drittes Bild: MARGARITA

14. Ballade
15. Aus meiner Quelle tauchst du auf
16. Nehmen Sie ihre Hand
17. Rauschhafte Dämmerung
18. Mein Blut
19. Ich bin die Freiheit

Wie erwartet erklingt wieder die Ballade. Die Mädchen singen von dem traurigen Tag, der über Granada hereinbrach. Nuria sieht ihrer Lehrerin an, dass es ihr gesundheitlich nicht gut geht und rät ihr, nicht aufzutreten, sondern sich auszuruhen. Davon will die Katalanin aber nichts wissen und die Schülerin muss wiederholen, was ihr beigebracht wurde. Schauspielerinnen seien wie Blumen, die sich nur einen Moment öffnen. Wenn ihre Stimmen schweigen, verschwinden sie, und wenn die Leute um sie herum sterben, sterben sie auch. Lorca taucht aus dem Dunkel der Vergangenheit auf und spricht tröstend auf die Trauernde ein. Er stellt fest, dass sie sich in das Licht seiner Poesie eingehüllt hat. Ihr Geist sei auch in den Schülerinnen vertreten. Nuria nimmt die Lehrerin bei der Hand und sichert ihr zu, dass sie ihren Schritten folgen wird. Mariana erklärt dem toten Geliebten, dass sie nie mehr nach Spanien zurückgekehrt sei, sein Werk aber in Lateinamerika fortlebe. Sie halte ihn am Leben, denn er lebe in ihr.

Die Mädchen schwärmen von Marianas schwarzen Augen, der historischen Vorgängerin, die ihr Leben auf dem Schafott ließ. Margarita spricht von ihrer Todessehnsucht. Inmitten der Stimmen, die sie immer geliebt habe und auch solcher, die noch nicht geboren sind, will sie vom Leben scheiden. Lebe wohl, geliebtes Granada! „Ach, welch trauriger Tag, der die Steine zum weinen brachte...“

Letzte Änderung am 28. Dezember 2016
Beitrag von Engelbert Hellen

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