Georg Wilhelm Rauchenecker (1844-1906)

Die letzten Tage von Thule

Allgemeine Angaben zur Oper:

Titel: Die letzten Tage von Thule
Titel englisch: Last Days of Thule
Titel französisch: Les Derniers jours de Thulé
Entstehungszeit: 1889
Uraufführung: 2. April 1889 in Wuppertal-Elberfeld
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Erstdruck: Leipzig: J. Schuberth, 1893
Zusatzinformationen: Pressemeldung zur Uraufführung (General-Anzeiger Elberfeld, 3. April 1889)
Eintrag bei WorldCat

Zur Oper:

Art: Große romantische Oper in vier Akten
Libretto: Otto Schönebeck und Louis Gallet
Sprache: deutsch
Ort: im nordischen Thule
Zeit: 500 n. Chr.

Personen:

Hermida: Meeresgöttin (Sopran)
Puck: Oberster Führer der Nixen (Alt)
Der Skalde: (Bass)
Blondel: ein Fischer (Tenor)
Der Hofnarr: (Bariton)
Helda: Hofdame und Geliebte des Königs (Mezzosopran)
Floki: Thronfolger (Bariton)
Der Haushofmeister: (Bariton)
Der Schatzmeister: (Tenor)
Ein Herold: (Bass)
Weitere: Hofdamen und Höflinge, Pagen und Diener, Fischerjungen und Fischermädchen, Nixen

Handlung:

1. Akt: 1. Szene

In alten Zeiten kam es hin und wieder vor, dass Menschen und Wasserwesen sich zu einander hingezogen
fühlten - aber langfristig hielten die Beziehungen meistens nicht. Die erotische Anziehung reichte nur kurzfristig und dann kam das große Herzeleid. Die körperliche Bewegungsfreiheit war zu differenziert und
das Bildungsniveau ebenfalls.

Neugier war genügend vorhanden und die Nixen auf dem Eiland Thule im hohen Norden wurden sogar von ihrer Meeresgöttin Hermida angehalten, sich an einen jungen Fischer heranzumachen, in den die Hoheitsvolle sich verliebt hatte. Puck, eine Anleihe bei Shakespeares „Sommernachtstraum“, wurde engagiert und sollte ihre Werbung vortragen. Blondel hatte sich zu einem Nickerchen ans Gestade gelegt, nahm den Reigen der Nixen aber überhaupt nicht wahr. Der Wicht regte den jungen Fischer an, hinfort sein Leben in Schaffen und Streben Hermida zu weihen. In Freude und Schmerz soll sein Herz erglühen, welches in den eisigen Fluten von der Meeresgöttin wieder gekühlt wird. Die Nixen bestätigen, dass seinem Geschick ewiges Glück beschieden sei.

2. Szene

Blondel erwacht allmählich aus seinem Schlaf und hat von dem Auftritt, der ihm gegolten hat, nichts mitbekommen. Sein Traum gaukelte ihm eine Königstochter vor und er beklagt, dass ihr Bildnis nun entschwunden ist. Die süßen Traumstunden mit Helda bringt das Tageslicht nicht wieder zurück. Er sieht sich als Pechvogel, weil er mittellos ist, wird es ihm wohl nie gelingen, die Hand Heldas zu erringen, so sehr er sich auch anstrengt. In Gedanken versunken blickt er auf den Boden, gewahrt plötzlich eine große Perle und hebt sie auf. Er hält sie ans Auge und ist von ihrer Schönheit fasziniert.

Geendet ist nun alle Not und Pein, denn er wird reich und glücklich sein. Einst hat er eine Mär vernommen, dass Hermida alle hundert Jahre aus den klaren Fluten auftaucht und nach einem Herzen ausschaut hält, welches qualvolle Wunden davongetragen hat, obwohl es frei von Schuld ist. Der Unschuldsengel bekommt eine wundervolle Gabe von ihr. Ihm klopft das Herz. Könnte er nicht diesmal der Begünstigte und die Perle für ihn sein? Sicherheitshalber ruft Blondel seinen heißen Dank auf das Meer hinaus, da er in der Meeresgöttin die edle Spenderin vermutet.

Er steckt die Perle ein. Von den Höhen steigen Fischerknaben und Mädchen von einem greisen Skalden geführt zum Ufer hinab. Blondel begrüßt alle aufs Herzlichste und lauscht dann den Worten des ehrwürdigen Skalden.

3. Szene

Die Versammelten wollen den Tag, an dem das Sonnenlicht am längsten scheint, nach alten Brauch fröhlich begehen und ihn mit Sang und Klang begleiten. Man feiert das Fest der Sommersonnenwende. Was darunter zu verstehen ist, kleidet der weise Skalde in treffliche Verse.

„Wenn über Berg und Tal vom hohen Norden
der grause Winter kam und schonungslos
die Erde rings in starre Fesseln legte,
und schmerzlich trauernd sich die Sonne barg
tief in des weiten Meeres nasse Fluten,
da saßen bangend wir beim Feuerschein
und stilles Sehnen zog durch unsere Brust
nach fernem Glück, das uns verloren schien.
Doch als am sternbesäten Himmelszelte
ein heller Streifen uns den nahen Morgen wies,
da quoll hervor aus triefen Trauerklängen
ein lieblich wunderbarer Himmelston.
Erst leise, still, aus fernen Sphären kommend
drang zittern er durchs öde Schneegefild.
Da schmolz das Eis und die Bächlein tauten auf.
Der Keim, der eben noch von Frühlingswonne träumte,
erschloss sein Innerstes und lauschte bebend,
wie durch die Zweige rings ein Flüstern, Rauschen ging,
und immer voller schwoll es an zum wilden Brausen.
Hell läuteten die Frühlingsboten
und Biene und Käfer summten fröhlich vor sich hin.
Einstimmig auch die Schar der munteren Vögel,
und alles, alles sang dasselbe Frühlingslied.
Da schwoll auch uns das Herz
und drinnen in der Hütte
ward es uns zu eng, wir zogen aus ins Freie,
um hier am Herzen der Natur
das Frühlingsfest zu feiern.“

Darum soll heute alles fröhlich und der Tag der Freude geweiht sein. Es wird gesungen und getanzt. Ein Singen und Klingen, ein Jubeln und Springen verweht alle Qual! Es hallt und schallt durch Berg und Wald. Herein, herein, du Sonnenschein!

Der Skalde mahnt die Göttin, die tief unter im Meer wohnt, nicht zu vergessen. Blondel ist freudig bewegt
und würde ihr am liebsten einen Besuch abstatten. Will er etwas von ihr? Er soll sagen, was sein Herz bewegt! Es sei nichts, doch die Landsleute lassen sich nicht abspeisen, weshalb er so verzückt in die Welt
schaut. Nun erzählt seinen Traum:

„Am Strand, der Welt entzogen,
lag ich in tiefer Ruh
und sah dem Wallen der Wogen
des weiten Meeres zu.
Die Blätter an dem Bäumen,
sie rauschten sanft mich ein,
zu schlummern und zu träumen
in lichter Nixen Reih'n.“

Blondel holt eine Perle aus der Tasche, die er im Anschluss an seinen Traum soeben gefunden hat. Er setzt den Fund mit der Meeresgöttin in Verbindung und bildet sich ein, dass Hermida in außerordentlicher Bevorzugung ihm diesen zugespielt habe.

Die Perle wandert von Hand zu Hand und alle drücken ihr Erstaunen aus. Endlich gelangt sie zum Skalden, der sie misstrauisch prüft und schließlich sein Entsetzen ausdrückt. Er erklärt ihm, dass es sich um eine Schicksalsperle handelt, die dem Finder den plötzlichen Tod bringt. Alle sind bestürzt und prallen vor Blondel zurück, Thules Untergang ist vom Schicksal beschlossen. Alle scharen sich um den Skalden, der ernst und feierlich verkündet, was die alten Runen erzählen. Zeichen und Wunder werden vorher geschehen:

„Versinken in die Wellen wird der Becher,
der Thules Hort und Heil so lange war
und eine kostbar blutig rote Perle,
bescheint den Tag, da Thule untergeht.
Doch wehe, wehe wer die Perle findet,
er sinkt hinab ins nasse Geisterreich
und mit sich reißt er alle ins Verderben.“

Alle Blicke richten sich entsetzt auf Blondel, der vor Wut bebt. Die Brüder sollen seinen Lügen nicht glauben, denn der Neid spricht aus ihm. Doch allgemein ist man der Ansicht, dass des Skalden Worte nicht erlogen sind. Der Weise befielt, dass Blondel dem Meer die rote Perle zurückgeben soll. Er denkt nicht daran, weil er sich von der Perle Heil, Segen und Glück verspricht „Wirf sie ins Meer!“ „Nein, nimmermehr!“ Es kommt zu einer Rauferei, die der Skalde abblockt, indem er darauf hinweist, dass dieser Tag Göttern und Menschen hehr und heilig ist und nicht durch Blut entweiht werden sollte. Er schlägt vor, dass man nach altem Brauch verfährt und eine Femegericht urteilen lässt.

Schnell sind der Platz abgesteckt und die Richter ausgelost, die ihre Häupter entblößen und einen Eid leisten müssen.

„Wir schwören all bei Wotans Schwert,
bei Hertas ewig heiligem Herd,
nichts soll den Sinn uns trüben!
Gott Balder, der du alles weißt,
verleih uns deinen heiligen Geist,
Gerechtigkeit zu üben.“

Der Skalde erhebt Anklage und fragt, was mit dem Mann geschehen soll, der dem Geschick frech zu trotzen wagt. Der Wahrheit der heiligen Runen stellt er sich entgegen und schwört Tod und Verderben auf die Gemeinschaft herab. Er wird in Acht und Bann getan, lautet einstimmig der Urteilsspruch.

„Verstoßen sollst du sein aus unserem Lande,
getrennt sind zwischen uns die alten Bande,
die uns umschlungen hielten lange Zeit.
Nicht Hütt' und Haus soll Obdach dir gewähren.
Ein jeder soll dir Speis und Trank verwehren.
Die Stätte, wo du weilst, sie sei entweiht.“

So geht das - alles im Galopp. Widerspruch wird nicht geduldet und Blondel ist zerknirscht. Verstoßen, verlassen für alle Zeit. Ein grausames Schicksal erwartet den Verfluchten. Die Schmach erträgt er nicht und er denkt darüber nach, ob der Tod für ihn kein besseres Schicksal sein würde. Wie zieht es ihn hinab
mit unsichtbaren Händen, drunten im Meer all sein Leid zu enden.

Hermida taucht aus den Wogen auf, um ihren Schützling in Empfang zu nehmen, doch Blondel ist noch nicht so weit.

4. Szene

Blondel setzt seine Hoffnung in die leichtlebige Mätresse des Königs, deren Bekanntschaft er vor längerer Zeit machen durfte. Was er aber nicht weiß, ist, dass die Holde inzwischen den König mit dem Kronprinzen betrügt.

Hermida stellt ihre eigenen Gefühle zurück und warnt ihn, dass er keine Ahnung hat, was das Leben ihm an Verdruss bieten wird. Die Welt hält ihre Versprechungen nicht, und er findet keinen Frieden. Er soll sein Glück ruhig versuchen, aber eines Tages wird er sich ihrer erinnern. Reine, treue Liebe wird ihn dann an sie binden.
2. Akt: Wo Thule genau gelegen ist, darüber sind sich die die Wissenschaftler nicht einig. Vermutlich war es eine Insel am Rande der Zivilisation, ein Vorposten von Grönland. Aber dass es dort einen König gab, das wusste schon Fausts Gretchen. Vorgetragen wird Goethes Ballade

„Es war einst ein König in Thule,
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
einen goldnen Becher gab. ... “

jedoch meistens von einem Chor oder einer Männerstimme. Ein wertvoller Becher gehörte auch zum Kronschatz, allerdings ist es in dieser Oper kein Geschenk seiner Buhle, sondern stammt von der Meeresgöttin.

1. Szene

Auf dem Schlossplatz unterhalten sich drei Höflinge zynisch über den Gesundheitszustand des Königs, der sehr bedenklich ist. Der erste erkundigt sich nach seinem Befinden und bekommt zur Antwort: Ob gut oder schlecht - man weiß es nicht, ihm sei kaum noch zu helfen. O doch, der dritte weiß sehr wohl, wer es kann. „Wer könnte es denn wohl sein?“ „Nun, Helda doch allein!“ „Ganz recht, sie ist sein ganzes Leben!“ „Nein, nein, ihr irrt Euch, sie ist sein Tod.“ „Die Liebe tötet ihn also.“ „Jawohl, so ist es!“

2. Szene

Der Herold tritt aus dem Schloss und gebietet Schweigen. Der Gesundheitszustand de Königs habe sich verschlechtert. Von ferne schon winkt ihm der bleiche Tod. Darum lasst uns alle zu den Göttern beten, dass sie ihm in der Todesnot beistehen und dem Unglück wehren sollen.

3. Szene

Der Narr lacht unbändig. Das haben die Herrschaften wirklich gut gemacht, noch nie hat er so laut gelacht! Ist der Komiker verrückt geworden? Aber das sind doch alle Narren!

„Sehr gut gemeint, ihr meine Damen,
sehr schön gebetet, edle Herren!
Von ganzem Herzen sag ich Amen,
denn Heuchelei liegt Euch ja fern!
Wer wagt es, da voll Hohn zu sagen,
ein Höfling hab ein Herz von Stein?
Er soll nur hier in Thule fragen,
bald wird er anderer Meinung sein.“

Der Haushofmeister fordert ihn auf, das verfluchte Lachen zu lassen, da niemandem danach zumute sei. Er bekommt zur Antwort dass man ihn dafür bezahle, deswegen sei es ihm verwehrt, Trübsal zu blasen. So hört, des Königs Leben geht zu Ende! Dem Schatzmeister kommt es gelegen, dann braucht er nicht mehr Rechenschaft abzulegen. Der Narr klopft ihm auf die Schulter. Das sei nicht allzu schwer, das Säckel sei doch immer leer. Der verwünschte Narr soll seine Zunge halten. Ein Page kommt und flüstert mit dem Haushofmeister. Dieser schickt die Leute nach Hause, weil sie zu viel Lärm machen und der König der Ruhe bedarf.

4. Szene

Der Narr bleibt allein zurück und philosophiert trübsinnig vor sich hin:

„Ach, armer König, was ist dir geblieben?
Von alle dem, was jüngst sein Eigen war!
Das Leben nur, das letzte aller Güter!
O, Schmach! Sobald der königliche Mantel
die Falten zeigt des schwarzen Leichentuchs,
dann flieht die Nacht ihm und der großen Liebe!
Ein König stirbt, als Gott erscheint der andere,
vor dem im Staub sich beugt die ganze Welt.
Verruchtes Weib, wird Dir Dein Herz erzittern
und klagen, wenn sein treues Auge bricht.
Nein, nein, Du hast kein fühlend Herz im Busen.
Die Lust hat jedes Mitgefühl erstickt.
Nur einer, Herr, wird um Dich weinen,
wenn du von hier geschieden bist.
Ein Herz wird treu es mit Dir meinen.
Dein Narr ist's, der Dich nie vergisst.“

5. Szene

Plötzlich erblickt der Narr einen fremden Besucher, der leise und verstohlen umherschleicht und den Blick kreisen lässt. Der Kleidung nach ist es ein Fischer, der ausspäht, ob Gefahr im Anzug ist. Der Narr ruft ihn zurück: „Hollah, Hollah, wohin mein guter Freund? Was treibt ihn denn, den Hof hier aufzusuchen? Will er hier eine Netz auslegen, wie er es sonst am Uferrand auch macht?“

Wenn er es täte, so ginge es ihn gar nichts an. Er soll schnell wieder heim gehen. Für die Fische hier bei Hofe habe der Ärmste nicht den passenden Köder. Meint er etwa, was er mitgebracht habe, sei zu gering?
Er zeigt die Perle vor und fragt ihn, ob er weiß, wo Helda sich im Moment aufhalte. Ah, hat der Feuerblick des verwünschten Weibes es ihm angetan? Er soll hinaus aufs Meer gehen und alle Segel setzen, um einem jähen Schiffbruch zu entrinnen. Das hülfe ihm auch nicht, denn das Schicksal würde ihn zwingen, die Segel nach dem Wind zu drehen. Dann soll er zu Helda gehen und sie fragen, ob sie ihm Liebe schenken mag. Auslachen wird sie den überspannten Schwärmer und spöttisch höhnen. Eher gelinge ihm, im Ozean Fische zu fangen, als Heldas kaltes Herz zu erweichen. Der Narrheit wird der Blödsinn doch wohl glauben.

Blondel besinnt sich zunächst, gibt dem Narren die Hand und bedankt sich für die Warnung vor einem schrecklichen Abgrund. Doch dann besinnt er sich anders, zögert und kehrt wieder um:

„Nein! Nein, ich kann es nicht, mir fehlt die Willenskraft!
Die Leidenschaft umnachtet den Verstand
und willenlos gehorcht der träge Leib
der Übermacht, die mich gefangen hält.
Ach, sollt ich von ihr scheiden,
sie nie mehr wiederseh'n,
der Sehnsucht bittr'es Leiden
ließ mich vor Schmerz vergeh'n.
Und soll ich gleich verderben,
droht Tod und Hölle mir.
Mit Wonne würd' ich sterben
zu ihren Füßen hier.“

Der Narr flucht der Teufelin, denn jetzt wird er sie doppelt hassen, ob dieser Liebe, die sie aussät. Der Narr ist betroffen, weil er seine eigenen Machtgelüste nicht platzieren kann.

6. Szene

Das Bühnenbild hat gewechselt und sich in den Garten des königlichen Schlosses verwandelt. Die Abendröte senkt sich hernieder und später steigt der Mond aus den Meeresfluten auf. Floki und Helda
diskutieren erregt miteinander.

Floki verwünscht die Zeit, in der er sich wider Willen gezwungen sieht, eine Maske tiefer Trauer anzulegen, obwohl es seine Contenance ist, freudig und froh aufzutreten. Dann kommt die Kunde, dass der König immer kränker wird und er sieht sich gezwungen, das Gesicht in tiefe Falten zu legen und den feuchten Blick stumm zu senken. In Wirklichkeit klopft sein Herz vor Freude schneller und er hat Mühe, den Jubel zu unterdrücken, der sich ungestüm Bahn zu brechen droht. Nur noch kurze Zeit hat er zu warten, dann wird die Wolke tiefen Schattens auf seiner Stirn sich verflüchtigen und sein Herz jubeln. Sie gäbe ihr höchstes Gut, könnte sie ihm den Quell der Freude etwas schneller erschließen. Er soll ihr den Grund seiner Sorge nennen.

In letzter Nacht sah er im Traum den Glanz von Rittern und Vasallen, deren Glanz ihn umstrahlte und er erfreute sich an dem heiteren Glück, welches ihm an ihrer Seite nun erblühen soll. Helda freut sich genauso, doch gibt es eine Ursache, die ihr Glück trübt. Als die Schar der edlen Gäste sich von heiterem Tanz und Spiel zurückzog, saß er im Bewusstsein seiner Macht und seines Glücks immer noch schweigend da. Doch ein leises Hämmern und stilles Pochen an dem Thron, auf dem er saß, schreckte ihn aus seinen Sinnen. Es war der Wurm, der unablässig pochte und klopfte und uns ermahnt, dass wir dem Tod verfallen sind. Mit scharfem Zahn zernagte er das morsche Holz, auf dem er fest zu sitzen glaubte. Der Thron brach jäh zusammen und er stürzte jählings in die Tiefe. Floki gerät in Aufregung, denn er sah den Narren, wie er höhnisch grinsend triumphierte.

Helda verspricht: „Wehe ihm, er soll es büßen, beugt er sich nicht vor unserer Macht sei er verdammt, sein Leben zu beschließen im dumpfen Kerker tiefer Grabesnacht.“

7. Szene

Helda und Floki verlassen den Söller, steigen herab und begeben sich in den Garten, der sich mit Herren und Damen gefüllt hat. Unter ihnen befindet sich der Fischer, der bis zu Helda vorgedrungen ist. Sie ist leutselig zu ihm und fragt ihn, was sein Begehr sei. Hat er ein neues Wunder im Meer gefangen? Die schöne Perle fand er am Strand und überreicht sie ihr voller Befangenheit. Wunderbar blitzt sie in der Hand und sie zeigt das Kleinod Floki, der es auch schön findet. Die Perle soll ihr als Geschenk gehören, aber Helda will den Preis wissen. Blondel erwartet lediglich, dass sie als Schmuck in ihrem Krondiadem erstrahlt. Helda bedankt sich, damit ist für sie die Sache erledigt und sie wendet sich Floki zu.

8. Szene

Seht, der Narr kommt, er hat den Becher aus dem Kronschatz dabei. Tot ist der König. Thules Hort hat er ihm anvertraut! Soll er etwa auch die Krone sein eigen nennen? Das Volk verneigt sich vor ihm. Treibt das Volk etwa Spott, dass es Narren so viel Ehre entgegenbringt, argwöhnt Floki?

„Ha, ha, ha, ha!
Ei, Ei, das lasse ich mir gefallen.
Es krümmt den Rücken groß und klein,
die Katze zeigt nicht mehr die Krallen,
kein Räuber will der Wolf mehr sein.
Des Bären starke Kraft muss weichen,
Der Affe ist der allergrößte Held.
Ha, ha, es hat nicht seines Gleichen!
O Dummheit, Du regierst die Welt!“

Floki reagiert: Was soll dem verrückten Narren der Becher? Alle Gewalt gehört ihm! Stimmt nicht, lässt der Narr sich vernehmen, der Becher bahnt den Weg zum Thron! Irrtum, das Schwert allein erkämpft die Kron'; dem Ding da spreche ich Hohn! Wehe Dir, die Göttin hält Gericht. Floki äußert sich verächtlich über die Göttin, dass er die Buhle nicht achtet. Wehe dem, der den Becher nicht ehrt! Floki springt erbost auf den Narren zu, entreißt ihm den Becher und wirft ihn im hohen Bogen ins Meer. „Fort mit dem Tand, er ist nichts wert.“ Jetzt ist der Becher futsch.

In der Meerestiefe gärt es, ein Sturm erhebt sich. Ist Floki verrückt geworden, den Becher fortzuwerfen? Helda verspricht in der Aufregung demjenigen ihre Hand, der ihr den Becher zurückbringt. Blondel eilt auf den Söller und schaut abwägend auf das Meer.

„Dumpf brodeln und brausen
die Quellen im Meer.
Es jagen und brausen
die Winde daher.
Mir beben die Glieder
Wild reißt es mich fort.
Leb' wohl, ich kehr wieder
Geliebte, halt Wort!“

Der Narr ruft ihm zu, dass er der Schlange nicht trauen soll, die hat noch nie gehalten, was sie versprochen hat. Der Fischer soll tauchen und Heldas Glück mitnehmen, soll aber wiederkehren und den Becher mitbringen. „O Helda, Dir ergeben, wird stets mein Herze sein, im Tode und im Leben, bis Du Geliebte mein!“

Blondel wird von mehreren Leuten zurückgehalten, kann sich aber entwinden und stürzt sich in die Fluten.
3. Akt: 1. Szene

Ohne große Abwechslung, aber leicht und locker gestaltet sich das Leben der Meermädchen an den Gestaden von Thule. Hören wir, wie sie ihren Tagesablauf verbringen:

„Wir wallen und weben
in lieblichen Reih'n
Wir singen und schweben
beim nächtlichen Schein.
Die Fluten erbeben
in Liebe und Lust
wenn Kühlung sie geben
der lechzenden Brust.
Von unseren Lippen
tönt süßer Gesang
durch Felsen und Klippen
die Ufer entlang.
Wir wallen und Weben
in nächtlichen Reih'n
Wir singen und weben
beim nächtlichen Schein.“

2. Szene

Hermida schickt die Wassernixen an die Arbeit, lässt aber das Opernpublikum im Unklaren, was es in Nachtschicht zu bewerkstelligen gibt: „Geht, geht! Schon ist verschwunden des Tages goldene Pracht. Es ziehen hinauf die Stunden der stillen trauten Nacht. Des Mondes blasser Schimmer erhellt den weiten Plan und mit dem Sterngeflimmer geht eure Arbeit an.“

3. Szene

Die Meereskönigin befindet sich in der Begleitung ihres Faktotums und lässt sich von ihm bedauern. Puck bittet Hermida, ihm ihren Schmerz anzuvertrauen, nachdem ihn ein tiefer Seufzer, der bang aus ihrem zarten Busen dringt, vermuten lässt, dass ein tiefsitzender Kummer sie bedrückt. Geteilter Schmerz erträgt sich leichter, tröstet der muntere Geselle. Die Bedauernswerte lässt sich erschöpft auf eine Bank nieder und legt los:

„Ein Vöglein flog hernieder,
zog mir ins Herze ein
und sang dort seine Lieder
von Lust und süßer Pein!
Und immer hört ich's klingen,
es sang mir traulich zu.
Da rief ich: Lass dein Singen,
Du raubst mir meine Ruh!
Bald war es fort geflogen,
es singt und kling nicht mehr.
Des Schmerzes wilde Wogen
die brausen nun daher.
Lieb Vöglein kehre wieder
hier in mein Herze ein
und singe deine Lieder
von Lust und süßer Pein.“

Fürwahr, es sei ein unglückliches Los, so reich und doch so arm zu sein, lässt Puck sich vernehmen. Er tadelt einige Nixen, die vorzeitig zurückkehren, weil ihnen das Meer zu unruhig geworden ist.

4. Szene

Eine Nixe hält einen kostbaren Becher aus Zinn oder Bronze in der Hand, den die Brandung wieder hochgespült hat. „Königin, schau, wie perlender Tau glitzert dies Pfand in unserer Hand“, übertreibt sie. Ist es Strandgut? Nein, Hermida erkennt das Gefäß wieder. „Ha! Seht, das ist der Becher, den ich dem Ahnherrn Thules gab; Fluch dem, der in die Wellen das Kleinod frevelnd warf hinab.“ Andere Nixen erscheinen aus der Ferne und berichten, dass ein Mensch mit den Fluten kämpft. Die Meerjungfrauen bitten ihre Herrin um Weisung, ob er gerettet werden soll. Ihr pochendes Herz verrät Hermida, dass es der Geliebte ist. Eile tut Not! Sie springt auf und hebt gebietend ihre Flosse: „Ihr zürnenden Wellen beruhigt Euch, ihr Ströme und Schnellen, versieget sogleich. Du Ozean füge dich meinem Wort: Zerfließe und wiege Dich still hinfort!“

„Holder Knabe, steig nieder!
Komm zu mir, sei ewig mein.
Komm, mein Atem haucht dir wieder
Lust zu neuem Leben ein!
Lass die Welt und ihr Getriebe,
Wirf das Joch des Lebens hin,
hier genießt Du reine Liebe,
reines Glück ist Dein Gewinn!“

5. Szene

Man weiß nicht genau, ob sich der Palast der Meereskönigin in einer Lustblase auf dem Meeresgrund befindet oder in einer Felsgrotte am Ufer versteckt liegt. Möglicherweise ist das Bauwerk mehrgeschossig und erstreckt sich oberhalb und unterhalb der Meeresoberfläche. Es hängt alles davon ab, wie der Bühnenbildner entschieden hat, jedenfalls möbliert wurde nur sparsam.

Blondel wird von mehreren Meerjungfrauen herangeschleppt. Ob er Klamotten anhat, hängt davon ab, wie er ins Wasser gesprungen ist. Hat er sich Zeit genommen, vor seinem Tauchgang seine Oberbekleidung abzulegen?

Blondel befindet sich in höchster Erregung:

„Ihr Götter, steht mit bei, wo mag ich sein?
Wie blendet mich der Hölle Zauberschein?
Umhüllte mich nicht eben dunkle Nacht?
Weh! Weh! Zu welchem Los bin ich erwacht!
Weit hinter mir blieb Stadt und Land.
Weit, weit, der Heimat grüner Strand.
Weit, Helda, meine Sonne.“

Er sieht sich erstaunt um. Ha, welche Pracht! Ein Gott wohnt sicher hier. Mit Seerosen und Wasserlilien ist der Raum dekoriert. Blondel macht sich Sorgen, wie es ihm wohl ergehen wird. Hermida stellt sich persönlich vor und tröstet ihn, dass ihre Macht ihn schützt. Der Überraschte bedankt sich bei ihr und den unsichtbaren Mächten, dass sie seinen Schritt hierher gelenkt haben. Sofort gewahrt er den Becher in der Hand einer Schönen. Hermida fordert ihn auf, sich an ihre Seite zu legen und den Tanzkünsten der holden Schwester zuzuschauen.

BALLETT

Reges Interesse hat Blondel nicht, denn er fixiert immerzu den Becher - er möchte ihn nicht aus den Augen verlieren. Hat der Fischer einen Wunsch? Hermida will ihn gern gewähren. Sie denkt dabei vermutlich an ein Schäferstündchen. Ist Blondel nun taktlos oder gar unverschämt. Er hat nur Helda im Kopf und zeigt auf den Becher. „O Königin, die Liebe eines Weibes ist dieses Bechers Preis! Ach, gib ihn mir! Dein Blick lehrt mich, Du weißt was Liebe ist!“ Hermida lacht. Jawohl, sie kennt diese Liebe! Die Liebe gleicht den Meereswellen, die steil zum Himmel aufbrausen. Es folgt ein kühnes Wachsen, Überschwellen, und dann geht es in raschen Lauf bergab. Die Welle, die sich erhoben, erstirbt auf steiler Höhe in Schaum und die Liebe verfließt wie jeder Jugendtraum. Jetzt weiß Blondel Bescheid, aber er ist gegenteiliger Ansicht. Bei ihm schwindet die Liebe zu Helda nie, zudem gab sie ihm ihren Schwur. Hermida rät, dem Schwur des Weibes nie zu trauen, denn er sei wie Spreu, die der Wind verweht. Die Göttin baut exklusiv für Blondel eine Vision auf. Der Mond spiegelt sich auf der Oberfläche des Meeres und man hört Heldas wohlklingende Stimme „Die Schätze im Leben entfliehen, entschweben. Ein flüchtiges Glück! Doch was wir empfinden in seligen Stunden, das bleibt uns zurück.“ Blondel ist in großen Erstaunen: Sie ist es. Er hört ihre Stimme! Jetzt wird er das saubere Pärchen auch optisch gewahr. In seinem Nachen kommen Floki und Helda näher. Er soll aufmerksam sein und schauen, fordert Hermida ihn auf.

6. Szene

Floki lässt eine Liebeserklärung vom Stapel, später wechseln die beiden sich im Text ab:

„In deinem Auge, dem blauen,
lass all mein Glück mich schauen!
Geliebte, Du bist mein!
O seliges Entzücken,
Dich fest ans Herz zu drücken,
von Dir geliebt zu sein!“

„Im Wachen und Träumen
das Leben soll schäumen.
Es währet nicht lang!
Von rosigen Lippen,
lasst selig uns nippen
berauschenden Trank.“

Blondel reicht es bis zum Abwinken. Ihr Götter, weh! Was muss er schauen? Soll er auf ihren Schwur noch bauen? Die Erscheinung ist verschwunden. Blondel ist traurig und niedergeschlagen.

7. Szene

Hermida spricht beschwörend auf Blondel ein:

„O bleibe, banne diese Liebe,
die Dir das Herz vor Kummer bricht.
Weit liegt die Welt, weit ihr Getriebe,
wo alles gilt, nur Treue nicht!
Dein Liebstes hat man Dir genommen,
gebrochen ist der Liebe Schwur.
Dir tönt kein herzliches Willkommen
entgegen auf der trauten Flur!“

Doch Hermida hat sich verrechnet. Blondel hält alles für Lug und Trug. Schattenbilder der Nacht sind es, die wie Nebel zerrinnen müssen, damit heller Sonnenschein ihm lacht. Blondel springt auf. Ha, diese Zweifel erträgt er länger nicht. Fort, fort von hier! Gewissheit will er und Licht in die Sache bringen. Hermida ist mutlos und startet einen letzten Versuch, den Geliebten umzustimmen.

„Umsonst ist all mein Flehen,
vergeblich mein Bemüh'n
Nein, nein! Du darfst nicht gehen
Ich lasse Dich nicht zieh'n!
Dort in dem Weltgetriebe
herrscht die Vergänglichkeit;
hier ewig reine Liebe
und die Unsterblichkeit!“

Selbst wenn er der Liebe Qualen mit dem Tod bezahlen muss - er stürbe gern. Hier unten hält ihn nichts länger. Er fordert Hermida auf, ihn ziehen zu lassen. Hermida bleibt hartnäckig und sucht unter Körpereinsatz ihn festzuhalten „O bleibe, geh' nicht fort. Nein, nie lass ich Dich ziehen. Ich fleh' auf meinen Knien: O bleibe, geh' nicht fort.“ Blondel rudert sich frei und versucht Hermida fortzustoßen. „Nein, nein, hinweg. Hier bleibe ich nicht länger!“ Niedergeschlagen gibt Hermida auf.

„Nun denn, so geh'! Nimm diesen Becher,
er bringt Dir nicht, was du von ihm gehofft.
Doch bist Du dort des Lebens satt und müde
und ist Dein Herz wie leichtes Schilf gebrochen,
so trinke dreimal aus dem Zauberbecher
und rufe dreimal meinen Namen laut.
Dann werd' ich kommen, Dich und mich zu rächen!“

Blondel bedankt sich. Er wird nie vergessen, was sie heute für ihn getan hat. Wohlan, nun soll sie ihn ziehen lassen. Hermida entlässt ihn durch eine Handbewegung und stimmt das Schlussduett an:

„Wehmut schleicht ins Herz mir ein, lässt die Augen stumm mich senken,
denn nie werd' ich glücklich sein, muss ich Blondel, Dein, gedenken.“

„Freude dringt ins Herz mir ein, dankbar will ich Dein gedenken,
Ach, wie werd' ich glücklich sein, wird sie mir ihre Liebe schenken!“

„Hermida, Leb' wohl!“ „Auf wiederseh'n!“ Von Schmerz überwältigt sinkt Hermida nieder!
4. Akt: 1. Szene

Floki und Helda feiern ihr Hochzeits- und Krönungsfest und sind dem Anlass entsprechend festlich gekleidet. Die „Blutperle“, die Blondel gehört, wurde gefunden und schmückt nun die Krone Heldas.

„Jubelt und singet dem bräutlichen Paar,
kommt und bringet Huldigungen dar.
Lasset die Sorgen verflossener Nacht,
seht wie der Morgen so heiter uns lacht!
Was wir empfunden in trauriger Zeit
ist überwunden, all Kummer und Leid!
Heut ziehet wieder Freude hier ein,
lustige Lieder beim Spiele und Wein.
Öffnet die Herzen der Liebe und Lust.
Lachen und Scherzen beseele die Brust!
Jubelt und singet dem bräutlichen Paar,
Kommt und bringet die Huldigungen dar!“

Während der Chor singt, treten die Gäste nach Paaren sortiert vor und verneigen sich.

Floki hält eine Ansprache: Bestimmt haben die Gäste noch in Erinnerung, dass der Ahnherr von Thule seine Buhle hochhielt und die Genüsse, die das Leben bot, schätzte:

„Der Liebe heiße Flammen
löscht ihm der kühle Wein,
doch mit dem Trank zusammen
sog neue Glut er ein.
So will auch ich es üben,
die Sinnenlust, der Wein,
ein Lied vom heißen Lieben
soll meine Losung sein.“

Der Chor stimmt überein, dass er es genau so halte. Zwei Pagen holen den Skalden herbei, damit er mit seinem stimmungsvollen Gesang das Fest würze.

2. Szene

Er soll in das Gold seiner Saiten greifen, und seinen Vortrag so gestalten, wie das Herz ihm gebietet, fordert Floki ihn auf. Doch dem greisen Skalden ist nicht nach Frohsinn zumute, denn er hat die Bilder der nahen Zukunft vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen sehen. Sein Seherblick kündet, dass der Nordwind durch die welken Bäume braust und das Laub vor Schmerz und Weh erbebt. Er selbst wird in Eis und Schnee erstarren. Der Winter zieht ins Tal hinab, hat ein großes Leichentuch dabei und verwandelte die Welt in ein weites ödes Grab.

Der schwachsinnige Alte soll kein Totenlied singen, sondern andere Saiten aufziehen. Er soll Sorge tragen, dass er seinen Gesang nicht bereut. Floki erhält zur Antwort, es sei nicht zu verantworten, in diesen Hallen noch von Freude zu singen. Der Nordwind ist im Anzug und wird den stolzen Bau in Trümmer fallen lassen. Im offenen Meer ist genügend Platz, um die unzähligen Leichen aufnehmen.

Floki fühlt sich verschaukelt und wird wütend. Im Affekt holt er mit seinem Schwert aus und verwundet den Alten tödlich. Das hat er nun von seinem Hohn! Der Getroffene hält sich am Stuhl fest und gibt Floki noch ein paar Sprüche mit auf den Weg, bevor er sich aus dem Leben verabschiedet.

„Fluch Dir, du stolze Feste,
wo bleicher Schrecken thront;
Fluch Dir, Du frecher Räuber,
der Du mit Blut gelohnt.
Nie soll Euch wieder leuchten
der Sonne heller Schein;
versunken und vergessen
das soll die Strafe sein!
Euch fleh' ich an, ihr Götter
im Meer, im Luftrevier,
wollt diese Schmach hier rächen,
gewährt ein Zeichen mir!“

Allvater blitzt und donnert, der Seher gibt seinen Geist auf und die Pagen bringen den Toten weg. Das Meer fängt an zu brausen und Angst und Schrecken zeigt sich auf allen Gesichtern. Die Stimmung schwingt um. Vom Eingang her hört man plötzlich lautes Jubeln und Jauchzen. In Begleitung des Narren ist Blondel von seinem nassen Ausflug zurückgekehrt.

3. Szene

„Der Becher ist gefunden, stimmt in den Jubel ein.
Heil, heil, dem kühnen Manne, er soll gepriesen sein.
Kommt alle, lasst uns seh'n,
ein Wunder ist gescheh'n,
ein neuer Tag bricht an.
Das hat ein Gott getan.
Der Becher ist in seiner Hand.
Drum sei auch sein, die Kron', das Land.“

Die Meinungen spalten sich: Nein, Floki soll der König sein;wir stehen alle für ihn ein! Die Parteien stürmen aufeinander, um sich körperlich auseinanderzusetzen.

Blondel ist vernünftig und versucht zu schlichten:

„Haltet ein, seid ruhig, hört mir zu!
Kein Zank und Streit soll uns die Stunde trüben.
Sie sei der Freude nur allein geweiht.
Zum Heil und Segen soll sie uns erblühen,
gefeiert von der Nachwelt allezeit.
Doch wessen Kron' die Stirn soll zieren,
wem Helda will zu eigen sein,
wer hier in Thule soll regieren,
entscheide, Helda, Du allein.“

Helda spielt nun das Zünglein an der Wage. Sie gibt Blondel erwartungsgemäß eine Absage, kleidet diese aber in taktvolle Worte und lässt es an Wertschätzung der Person nicht fehlen. In der Sache hat sie recht - trotz der Sympathie für Blondel sollte das Opernpublikum auch gerecht urteilen. Eine Krone ist kein Wertstück, welches man nach Gutdünken und Lust verhandelt kann. Es gilt das Erbrecht! Und das liegt auf Seiten Flokis, das muss Blondel auch ein einsehen, selbst wenn das Herz bricht. Seite Erwartungen waren einfach überzogen; seine Absage an die Meeresgöttin war aber genauso kaltschnäuzig.

„Die Tat, die Du mit kühnem Mut vollbracht,
hebt Deinen Ruf hoch bis zum Sternenzelt.
Gepriesen wirst Du sein für alle Zeiten.
Ein Held dem Volk, ein Gott der späteren Welt.
Auch will ich dankbar mich Dir zeigen,
jedweder Wunsch sei Dir gewährt,
doch nimmer kann ich sein Dein eigen,
da Floki Recht und Kron' gehört.“

Blondel wendet sich sich von höchstem Schmerz ergriffen ab und wankt aus dem Saal. Man kommt überein, dass Floki König sein soll, wogegen auch nichts spricht. Zum Leidwesen Blondels bringt Floki einen Toast auf die Meeresgöttin an:

„Der Becher mache die Runde,
ihr Pagen schenket ein.
Reicht mir das goldne Kleinod,
gefüllt mit kühlem Wein.
Aufs Wohl der Liebesgöttin
trink ich den Becher aus,
dass schirme sie und schütze
das Reich, mich und mein Haus.
Hermida lebe hoch!“

Der Chor wiederholt den Trinkspruch, die Becher klirren.

Blondel hat - schneller als erwartet - den Schicksalsschlag verwunden, kommt zur Einsicht und wechselt nun die Fronten:

„Hermida, Hermida, o süßer Name,
ein Wonnelaut schließt eine Welt mir ein.
Du klingst so lieblich und so traut.
Hermida, ich bin Dein!
Wie nach dem Wintersturm die Sonne
durch schwarze Wolken freundlich blickt
und leises Wehen, Frühlingswonne
sich zitternd durch die Lüfte schwingt
so zieht durchs Herz mir ungesehen
nach langem schweren Erdenleid
der reinen Liebe süßes Wehen,
der Odem der Unsterblichkeit.
Drum, was soll ich länger weilen
auf der rauhen Erdenbahn.
Zu Hermida will ich eilen.
Flieh dahin, du eitler Wahn.“

4. Szene

Blondel besinnt sich auf Hermidas Versprechen, dass er - falls alle Stricke reißen - zu ihr zurückkehren kann. Er sieht, wie der Becher die Runde macht, und bittet Helda, als Dank für seinen Dienst auch aus dem Becher trinken zu dürfen. Helda gestattet es und denkt, dass er ihr mit einem Trinkspruch huldigen will, ahnt nicht, wie falsch Blondel sein kann:

„In einem Wundergarten,
da blüht ein Blümelein,
das strahlt so hell und lieblich
wie goldner Abendschein.
Kein Sturm, kein Regenschauer
raubt Jugend, Schönheit ihr;
nein ewig wird sie blühen
zu schönster Pracht und Zier.
Der Zauber ihrer Reize
wird nie geseh'n, gekannt.
Doch selig, dreimal selig,
der ich dies Blümlein fand.
Ein namenloses Sehnen
ergreift mit Herz und Sinn
zu ihr der Wunderblume
zieht es mit Macht mich hin.“

Helda fühlt sich geschmeichelt, denn auch die Gäste denken, dass nur sie gemeint sein kann. Der Page füllt den Becher. Doch der Narr, der sich bisher zurückgehalten hat, deckt blondels Schwindel auf und lenkt die Poesie in eine andere Richtung.

„Wohl kenn ich jene Blume,
der galt Dein schönstes Lied.
Sie gleicht dem blut'gen Nordlicht,
das pupurfarben glüht,
schön schillern ihre Farben,
bestrickend Herz und Sinn,
doch findest Du im Kelche
ein süßes Gift darin.
Und wer in vollen Zügen
dies süße Gift sog ein,
der starb den Tod im Herzen
vor Schmerz und Höllenpein.“

Der Narr spielt auf seinen Freund, den toten König an. Es entsteht Unruhe unter den Anwesenden. Helda hat die Spitze in dem Vers erkannt und kann sich nicht beherrschen. Die Knechte sollen den Narren ergreifen, sich Folterqualen ausdenken und ihm die spitze Zunge herausreißen, damit der lose Mund verstummt. Weil sie zuerst gestochen wurde, will nun die Schlange stechen, aber das besorgt er selbst. Er zieht sein Schwert und gibt sich den Tod. Nun hat Helda endlich Ruhe, nachdem der Leichnam weggeschafft wurde.

Helda reicht Blondel nun endlich den Becher und fordert ihn auf:

„Hier, trink aufs Wohl der Blume,
der galt Dein schönster Sang,
dass glühe sie und blühe
ihr ganzes Leben lang.“

Blondel greift hastig den Becher und hebt ihn empor:

„Du Preis der schönsten Frauen
Dir galt allein das Lied;
Du bist die Wunderblume,
die nie verwelkt, verblüht.
Du Königin im Meere
Dich Göttin rufe ich;
Geliebte, denke meiner
Hermida, höre mich.
Du Königin im Meere,
Dich Göttin rufe ich!
Geliebte, denke meiner,
Hermida räche mich.“

Das Meer fängt furchtbar an zu tosen und leitet den Untergang von Thule ein. Die Menschen sind außer sich und der Chor ruft verzweifelt, dass sich rette, wer noch kann, denn das Weltende bricht an.

Hermida erscheint in einer großen Muschel, die von einem Delphin gezogen wird, und lässt ihren Schatz einsteigen, während alles andere versinkt. Ab sofort genießt er reine Liebe und pures Glück ist sein Gewinn.

„Rauscht ihr Wellen, die Ufer entlang.
Murmelt ihr Quellen, zu unserem Gesang.
Jubelt und singt vor Wonne und Lust
Freude beseelt der Königin Brust.“

Hintergrundinformation:

Den Begriff „ultima Thule“ gibt es schon seit dem vierten Jahrhundert. Der Grieche Pytheas von Massila ist dort vorbeigekommen und hatte das Gefühl, am Ende der Welt zu ein. Thule liegt hoch im Norden an der Westküste Gröndlands, und diente dem Polarforscher Knud Rasmussen als Ausgangspunkt für seine Expeditionen. Gegen Gewährung willkommener Wirtschaftshilfe wurde die Gegend 1951 von den Amerikanern zu einem Militärstützpunkt ausgebaut. Der Lärm, den den die landenden und abfliegenden Flugzeuge machten, zerstörte das Gleichgewicht der Natur und vertrieb die wenigen Polareskimos aus ihrem Jagdrevier. Die Einheimischen flohen 150 km nach Norden, nannten den Ort aber Qaanaaq. Der Untergang von Thule wurde in Wirklichkeit nicht - wie in der Oper berichtet - durch eine Springflut verursacht, sondern die Gegend wurde verstrahlt. Am 21. Januar 1968 stützte ein Militärflugzeug ab, welches vier Wasserstoffbombern geladen hatte. Bei der Bergungsaktion kamen viele Bewohner zu Schaden. Bei Temperaturen, die zeitweilig -60 Grad Celsius betragen, leben in der Region heute etwa 800 Menschen.
Letzte Änderung am 15. März 2013
Beitrag von Engelbert Hellen

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