Franz Schubert (1797-1828)

Adelwold und Emma

Allgemeine Angaben zum Werk:

Titel: Adelwold und Emma
Entstehungszeit: 1815
Opus: D 211

Text:

Textdichter: Friedrich Anton Franz Bertrand (1787-1830)
Sprache: deutsch
Liedtext: Hoch und ehern schier von Dauer,
Ragt' ein Ritterschloß empor;
Bären lagen an dem Tor
Beute schnaubend auf der Lauer,
Türme zingelten die Mauer
Gleich den Riesen - bange Schauer
Wehten brausend, wie ein Meer,
Von den Tannenwipfeln her.
Aber finstrer Kummer nagte
Mutverzehrend um und an
Hier am wackern deutschen Mann,
Dem kein Feind zu trotzen tagte,
Fuhr er auf vorn Traum, und fragte -
Jetzt mit Seufzer - jetzt mit Schrei,
Wo sein teurer Letzer sei?
"Vater! Ruhe nicht dem Lieben."
Flüstert einstens Emma drein -
"Sieh, er schläft im Kämmerlein
Sanft und stolz - was kann ihn trüben?"
"Ich nicht rufen? - sind nicht die Sieben
Meiner Söhn' im Kampf geblieben?
Weint' ich nicht schon fünfzehn Jahr
Um das Weib, das euch gebar?"
Emma hört's und schmiegt mit Beben
Weinend sich an seine Brust.
"Vater! sieh dein Kind - ach früh
War dein Beifall mein Bestreben!"
Wie, wenn, Trosteswort zu geben,
Boten Gottes niederschweben,
Führt der Holden Red' und Blick
Neue Kraft in ihn zurück.
Heiter preßt er sie ans Herze:
"O vergib, daß ich vergaß,
Welchen Schatz ich noch besaß,
Übermannt von meinem Schmerze!
Aber sprachst du nicht im Scherze -
Wohl dann! bei dem Schein der Kerze
Wandle mit mir einen Gang
Stracks den düstern Weg entlang"
Zitternd folgte sie, bald gelangen
Sie zur Halle, graus und tief,
Wo die Schar der Väter schlief;
Rings im Kreis' an Silberspangen
Um ein achtes hergehangen,
Leuchteten mit bleichem bangen
Grabesschimmer fort und fort
Sieben Lämplein diesem Ort.
Unter'n Lämplein war's von Steinen...
Traun! erzählen kann ich's nicht
War's so traurig zugericht,
War's so ladend ach zum Weinen.
"Bei den heiligen Gebeinen,
Welchen diese Lampen scheinen"
Ruft er laut – "beschwör" ich dich
Traute Tochter, höre mich.
Mein Geschlecht seit grauen Zeiten
War - wie Rittersmännern ziemt -
Keck, gestreng' und fast berühmt;
In des Grabes Dunkelheit
Sank die Reih' von Biederleuten -
Sanken die, so mich erfreuten,
Bis einst der Posaune Hall
Sie wird wecken allzumal.
Nie vergaßen deine Brüder
Dieser großen Ahnen Wert;
Reich und Kaiser schüzt' ihr Schwert
Wie ein deckendes Gefieder;
(Ach, die Tapfern sanken nieder!)
Gib sie, Tochter, gib sie wieder
Mir im wackern Bräutigam,
Dir erkiest aus Heldenstamm.
"Aber Fluch! ..." Und mit dem Worte
Gleich als jägt ihn Nacht und Graus -
Zog er plötzlich sie hinaus
Aus dem schauervollen Orte ...
Emma wankte durch die Pforte:
"Ende nicht die Schreckensworte!
Denk' an Himmel und Gericht!
O verwirf, verwirf mich nicht!"
Bleich, wie sie, mit bangem Zagen
Lehnt des Ritters Knappe hier;
Wie dem Sünder wird's ihm schier,
Den die Schrecken Gottes schlagen;
Kaum zu atmen tät er wagen -
Kaum die Kerze vorzutragen
Hatte, matt und fieberhaft,
Seine Rechte noch die Kraft.
Adelwolden bracht als Weise
Mitleidsvoll auf seinem Roß
Einst der Ritter nach dem Schloß
Heim von einer fernen Reise -
Pflegte sein mit Trank und Speise
Tät' ihn hegel in dem Kreise
Seiner Kinder - oft und viel
War er tummelnd ihr Gespiel.
Aber Emma ... seine ganze
Zarte Seele webt' um sie,
War es frühe Sympathie?
Froh umwand sie seine Lanze
Im Turnier mit einem Kranze -
Schwebte leichter dann im Tanze
Mit dem Ritter, keck und treu,
Als das Lüftchen schwebt im Mai.
Rosig auf zum Jüngling blühte
Bald der Niedre von Geschlecht;
Edler lohnte nie ein Knecht
Seines Pflegers Vatergüte;
Aber heiß und heißer glühte -
Was zu dämpfen er sich mühte;
Fester knüpft' ihn, fester' ach!
An das Fräulein jeder Tag.
Fest und fester sie an ihren
Süßen trauten Adelwold,
"Was sind Wappen, Land, und Gold -
Sollt' ich Arme dich verlieren?
Was die Flitter, so mich zieren?
Was Bankete bei Turnieren?
Wappen, Land, Geschmuck, und Gold
Löhnt ein Traum von Adelwold!"
So das Fräulein, wenn der Schleier
Grauer Nächte sie umfing;
Doch mit eins, als Emma heute
Spät noch betet, weint, und wacht,
Steht, gehüllt in Pilgertracht,
Adelwold an ihrer Seite:
"Leiten soll mich dieser Stecken
Hin in Zions heilges Land -
Wo vielleicht ein Häuflein Sand
Bald den Armen wird bedecken...
Meine Seele muß erschrecken,
Durch Verrat sich zu beflecken
An dem Mann, der, mild und Groß
Er mich trug in seinen Schoß.
Selig träumt' ich einst als Knabe
Engel - ach vergib es mir!
Denn ein Bettler bin ich schier;
Nur dies Herz ist meine Habe."
"Jüngling - ach an diesem Stabe
Führst du treulos mich zum Grabe.
Du würgest - Gott verzeih es dir!
Die dich liebte für und für!"
Und schon wankte der Entzückte
Als des Fräuleins keuscher Arm -
Ach so weiß, so weich und warm!
Sanft ihn hin zum Busen drückte...
Aber fürchterlicher Blicke -
Was ihm schier ihr Kuß entrückte;
Und vom Herzen, das ihm schlug,
Riß ihn schnell des Vaters Fluch.
"Lindre, Vater, meine Wunde -
Keinen Laut aus deinem Munde!
Keine Zähr' in dieser Stunde!
Keine Sonne die mir blickt!
Keine Nacht die mich erquickt!"
Gold, Gestein, und Seide nimmer
Schwört sie, fort zu legen an;
Keine Zofe darf ihr nahn
Und kein Knappe jetzt und nimmer,
Oft bei trautem Mondesschimmer
Wallt sie barfuß über Trümmer,
Wild verwachsen, steil und rauh,
Noch zur hochgelobten Frau.
Ritter! ach schon weht vom Grabe
Deiner Emma Todtenluft!
Schon umschwärmt der Väter Gruft
Ahnend Käuzlein, Eul' und Rabe; -
Weh dir weh! an seinem Stabe
Folgt sie willig ihm zum Grabe
Hin, wo mehr denn Helm und Schild
Liebe, Treu' und Tugend gilt...
Selbst dem Ritter tät sich senken
Tief und tiefer jetzt das Haupt;
Kaum daß er der Mähr noch glaubt;
Seufzen tät er itzt - itzt denken,
Was den Jüngling konnte kränken? -
Ob ein Spiel von Neid und Ränken? -
Ob?... Wie ein Gespenst der Nacht
Schreckt' ihn - was er jetzt gedacht.
Hergeführt auf schwülen Winden,
Muß ein Strahl die Burg entzünden,
Tosend gleich den Wogen wallen
Rings die Gluten - krachend dräun
Säul und Wölbung, Balk' und Stein,
Stracks in Trümmer zu zerfallen;
Angstruf und Verzweiflung schallen
Grausend durch die weiten Hallen;
Stürmend drängt und atemlos
Knecht und Junker aus dem Schloß.
"Richter! ach verschone!"
Ruft der Greis mit starrem Blick -
"Gott! mein Kind! - es bleibt zurück! -
Rettet - daß euch Gott einst lohne! -
Gold und Silber, Land und Frohne,
Jede Burg, die ich bewohne,
Ihrem Retter zum Gewinn -
Selbst dies Leben geb' ich hin für sie."
Gleiten ab von tauben Ohren
Tät des Hochbedrängten Schrei; -
Aber plötzlich stürzt herbei,
Der ihr Treue zugeschworen -
Stürzt nach den entflammten Toren -
Gib mit Freuden sich verloren;
Jeder staunend fern und nah
Wähnt' ein Blendwerk, was er sah.
Glut an Glut! und jedes Streben
Schien vergebens! - endlich faßt
Er die teure, süße Last,
Kalt und sonder Spur von Leben;
Doch beginnt ein leises Beben
Herz und Busen jetzt zu heben
Und durch Flamme, Dampf und Graus
Trägt er glücklich sie hinaus.
Purpur kehrt auf ihre Wangen,
Wo der Traute sie geküßt...
"Jüngling! sage, wer du bist -
Ich beschwöre dich - der Bangen;
Hält ein Engel mich umfangen,
Der auf seinem Erdenflug
Meines Lieben Bildnis trug?
Starr zusammenschrickt der Blöde -
Denn der Ritter noch am Tor
Lauscht mit hingewandtem Ohr
Jedem Laut der süßen Rede;
Doch den Zweifler tät ermannen
Bald des Ritters Gruß und Kuß
Dem im süßesten Genuß
Hell der Wonne Zähren rannen;
"Du es, du, sag' an, von wannen?
Was dich konnt' von mir verbannen?
Was dich - nimmer lohn' ich's dir -
Emma wiedergab und mir?"
"Deines Fluchs mich zu entlasten
War es Pflicht, daß ich entwich
Eilig, wild und fürchterlich
Trieb's mich sonder Ruh und Rasten;
Dort im Kloster, wo sie praßten,
Labten Tränen mich und Fasten,
Bis der frommen Pilger Schar
Voll zum Zug versammelt war.
Doch mit unsichtbaren Ketten
Zog mich plötzlich Gottes Hand
Jetzt zurück von Land zu Land
Her zu Burg, mein Teuerstes zu retten,
(Stürme mich beflügelt hätten,)
Nimm sie, Ritter, nimm und sprich
Das Urteil über mich."
Emma harrt, in düstres Schweigen,
Wie in Mitternacht gehüllt;
Starrer denn ein Marmorbild,
Harren furchterfüllte Zeugen;
Denn es zweifelten die Feigen,
Ob den Ritterstolz zu beugen
Je vermöcht' ein hoher Mut
Sonder Ahnenglanz und Gut.
"Dein ist Emma! ewig dein! - längst entscheiden
Tät der Himmel; rein wie Gold
Bist du funden, Adelwold -
Groß in Edelmut und Leiden;
Nimm! - ich gebe sie mit Freuden;
Nimm! - der Himmel tät entscheiden -
Nannte selbst im Donnerlaut
Sie vor Engeln deine Braut.
Nimm sie hin mit Vatersegen;
Ihn wird neben meine Schuld -
Ach mit Langmut und Geduld!
Der einst kommt, Gericht zu hegen,
Auf die Prüfungswage legen -
Mir verzeihn um euretwegen
Der von eitlem Stolz befleckt,
Beid' euch schier ins Grab gestreckt."
Fest umschlungen itzt von ihnen,
Blickt der Greis zum Himmel auf;
"Fröhlich endet sich mein Lauf!"
Spuren der Verklärung schienen
Aus des Hochentzückten Mienen -
Und auf dampfenden Ruinen
Fügt' er schweigend' ihre Hand
In das langersehnte Band.
Letzte Änderung am 10. April 2005

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