Erkki-Sven Tüür (geb. 1959)
Wallenberg
Allgemeine Angaben zur Oper:
Titel: | Wallenberg |
Entstehungszeit: | 2000 |
Uraufführung: | 5. Mai 2001 in Dortmund (Theater) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Spieldauer: | ca. 135 Minuten |
Erstdruck: | Frankfurt: Litolff / Peters, 2013 |
Zusatzinformationen: | Eintrag bei WorldCat |
Zur Oper:
Art: | Oper in zwei Akten |
Libretto: | Lutz Hübner |
Sprache: | deutsch |
Personen:
Wallenberg: | ein Diplomat für besondere Aufgaben (Bariton) |
Eichmann: | Kommandant in Budapest (Bass) |
Ronald Reagan: | Präsident der U.S.A. (Bariton) |
Weitere: | Wallenberg 2 Jakob Wallenberg Amerikanischer General Amerikanischer Soldat Deutscher Offizier Drei Überlebende Drei Gerettete Drei Gäste Drei Diplomaten Drei Gulag-Häftlinge Zwei russische Offiziere Eine Dame der Gesellschaft Eine Frau |
Handlung:
Auf einem Empfang in Schweden im Jahre 1944 tuscheln die Gäste über die beruflichen Fehlschläge des jungen Wallenberg. Aber drei amerikanische Diplomaten setzen Vertrauen ihn ihn und fragen ihn, ober er nicht nach Ungarn gehen wolle, um „so vielen Juden, wie möglich das Leben zu retten“. Die Warnungen einer Dame, sich nicht vor einen dubiosen Karren spannen zu lassen, schlägt er in den Wind. In Haifa hat er in jungen Jahren ein Banklehre absolviert und somit besteht ein Bezug zu dem Volk, welches er beschützen soll. Die neue Aufgabe reizt ihn, und er nimmt die sie wahr.
Auf dem Budapester Bahnhof sieht er, wie unverantwortlich deutsche Offiziere mit den ungarischen Juden umgehen. Er sinnt sich eine Taktik aus, wie er kraft seiner Vollmachten der Situation begegnen kann. Um die Wehrlosen vor der Deportation zu schützen, stellt der den Juden schwedische Pässe aus. Die Welt ist undankbar, denn er gerät mit einer Gruppe Geretteter in Opposition und diskutiert humanitäre Fragen. Wallenberg hat das Gefühl, nicht genug zu tun und beschließt, den Löwen in seiner Höhle aufzusuchen. Der Löwe heißt Eichmann und gibt sich bedeckt. Er macht ihm klar, das seine Möglichkeiten begrenzt sind und er sein Ziel nicht erreichen wird. Auch seine Auftraggeber beginnen an seiner Mission zu zweifeln. Die zeit drängt.
Er verzweifelt am Sinn seiner Aufgabe, als eine Frau, die er gerettet hat, ihn schmäht und ihm den Schutzpass zurückgibt, weil sie es unerträglich findet, überlebt zu haben, während andere bluten müssen. Eine andere rät ihm aufzugeben und sich auf sich selbst zu besinnen. Wallenberg gerät in Panik ob der Unlösbarkeit seiner Aufgabe. Eichmann demonstriert noch einmal seine Überlegenheit und dann ist der Krieg zu Ende. Wallenberg hofft auf einen Neuanfang, aber seine Erwartungen sind trügerisch.
Ein neues Kapitel beginnt: Im Moment der Befreiung erscheinen zwei russische Soldaten und nehmen Raoul Wallenberg zum Verhör mit. Er gerät in die Gewalt der russischen Spionageabwehr und wird im Moskauer Gefängnis Lubjanka gefangen gehalten. Zwei russische Offiziere bestreiten jedoch zunächst, den Gefangenen zu kennen. Drei Diplomaten besuchen ihn später, aber sie denken nicht daran, sich für seine Freilassung einzusetzen. Ein gefangener Held sei im Kalten Krieg viel werbewirksamer. Zu unbestimmter Zeit wird Wallenberg in einem Straflager einem brutalen Verhör unterzogen. Die Lagerinsassen des Gulag plaudern über ihr Schicksal und verdammen die Willkürjustiz ihrer Bewacher. Lebt der Schwede noch oder ist er bereits gestorben? Wallenberg weigert sich, sich an die Zeit im Lager zu erinnern, noch bekennt er sich zu seiner Identität.
Ein orchestrales Intermezzo simuliert einen zeitlichen Abstand.
Es mutet grotesk an, dass ein zweiter Gefangener sich für Wallenberg ausgibt, dessen Rolle übernimmt und mit seinen Heldentaten protzt.
Eichmann sieht seiner Hinrichtung entgegen.
Die drei Diplomaten tauchen nochmals auf, können aber seine Frage nach dem Sinn der Geschichte nur unbefriedigend beantworten. Zwei Überlebende erinnern sich seiner Existenz. Roland Reagan trägt ihm ihm die Ehrenbürgerschaft der Vereinigten Staaten an. Wallenberg 2 springt stellvertretend für ihn ein.
Hintergrundinformation:
„Wallenberg“ behandelt ein Thema der jüngsten Zeitgeschichte. Der Hauptakteur ist Raoul Wallenberg, in Stockholm geboren und Diplomat für besondere Aufgaben. Auf Bitten der Amerikanischen Botschaft geht er 1944 nach Budapest, um dort humanitäre Aktionen zu leiten. Diese besteht in der Rettung von Juden, denen die Deportation droht. Er verteilt schwedische Schutzpässe, richtet Krankenhäuser ein und kann so das Leben von 100.000 Juden retten. Im Jahre 1945 ist der Krieg zu Ende und die Rote Armee nimmt Budapest ein. Um Verhandlungen zugunsten der unter seinem Schutz stehenden Juden aufzunehmen, wendet er sich an das sowjetische Hautquartier. Die Mission misslingt und das Glück verlässt ihn. Man verdächtigt ihn der Spionage und beobachtet seine Aktionen mit Misstrauen. Er wird in die Sowjetunion abgeschoben und sein weiterer Lebensweg unterliegt der Spekulation. Der angebliche Todestag in sowjetischer Gefangenschaft wird auf den 17.7.1947 festgelegt. Eine gegenteilige Behauptung des Außenministers Wyschinski lautet, dass Raoul Wallenberg sich nicht in der Sowjetunion befand, sondern wahrscheinlich bei den Befreiungskämpfen in Budapest ums Leben gekommen sei. Ronald Reagan verlieh Wallenberg am 5.10.1981 die Ehrenbürgerschaft der USA. In Vergessenheit geraten ist der Wohltäter nicht. Ein Wallenberg-Denkmal steht in Buenos Aires und eine Gedenkstätte gibt es in Budapest neben der Synagoge. |
Beitrag von Engelbert Hellen